Mehr Grün, weniger Autos So will Wetzlar die Altstadt zukunftsfähig machen
Mit dem "Rahmenplan Altstadt" will die Stadt Wetzlar ihr mittelalterliches Zentrum in den kommenden Jahren systematisch umgestalten. Das Konzept wurde am Mittwochabend im Wetzlarer Stadtparlament einstimmig verabschiedet.
Schon die riesige Baustelle direkt gegenüber des Doms zeigt es: Die Wetzlarer Altstadt ist im Umbruch. Und zwar nicht nur, weil hier gerade das größte Wetzlarer Bauprojekt der vergangenen Jahrzehnte entsteht: die Domhöfe, ein 50-Millionen-Euro-Gebäudekomplex mit Wohnungen, Restaurants und Geschäftsräumen.
Weil es in der Wetzlarer Altstadt auch immer mehr Leerstände gibt, will die Stadt sie nun systematisch attraktiver und nachhaltiger gestalten. Dafür hat sie ein "integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept“ ausgearbeitet, das unter anderem Verkehr, Sozialplanung, Umweltschutz und Wirtschaftsförderung umfasst.
Der Rahmenplan Altstadt wurde am Mittwochabend von der Wetzlarer Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen, wie die Stadt mitteilte.
Verkehrsberuhigte oder autofreie Zonen
Als zentrale Maßnahmen sieht der "Rahmenplan Altstadt" eine deutliche Reduktion des Autoverkehrs im Altstadtgebiet vor. Der Schillerplatz soll beispielsweise ein "grünes Dreieck der Begegnung" werden, indem er autofrei und zu einer Fußgängerzone umgewandelt wird. Hier sind auch neue Sitzgelegenheiten, Bäume, Wasserspiele und eine Fahrradstation vorgesehen.
Auch andere Plätze und Straßen im historischen Zentrum sollen autofrei oder zumindest "autoarm" werden, wie es heißt, um mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer und die Gastronomie zu schaffen, etwa die Langgasse oder die Hintergasse.
Mehr Bäume für besseres Stadtklima
Ergänzend sollen Park-and-Ride-Konzepte sowie Carsharing-Angebote umgesetzt werden, um die Erreichbarkeit zu verbessern. Auch Busanbindung und Rad-Infrastruktur sollen verbessert werden.
Insgesamt soll der Rahmenplan die Altstadt grüner und klimafreundlicher machen. Geplant sind Baumpflanzungen und Wasserelemente zur Verbesserung der Luftqualität und Reduzierung von Hitze. Zudem sollen Parks und öffentliche Grünanlagen erweitert und teils thematisch umgestaltet werden.
Belebung der Innenstadt und Ideen gegen Leerstand
Im März 2023 hatte ein umfangreiches Beteiligungsverfahren mit Online-Befragung und Präsenzveranstaltung begonnen, an dem sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch lokale Unternehmen, Vereine und Institutionen beteiligen konnten. Am Ende stand ein sogenanntes Bürgergutachten als Grundlage für den Rahmenplan.
Im Rahmen der Bürgerbeteiligung waren auch kulturelle und soziale Aufwertungen angeregt worden. Vorgeschlagen wurden etwa regelmäßige Veranstaltungen, wie etwa ein Freilichtkino oder längere Öffnungszeiten der Geschäfte, um die Altstadt zu beleben. Leerstände sollen beispielsweise durch Pop-up-Stores, Jugendräume und Ausstellungen temporär genutzt werden.
Auch Opposition lobt den Plan
Der Rahmenplan war 2021 auf Antrag der aktuellen Koalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP initiiert worden. Von der CDU als größter Wetzlarer Oppositionsfraktion erhält der Rahmenplan ebenfalls Zuspruch.
Fraktionssprecher Michael Hundertmark sagte auf hr-Anfrage, die CDU stehe dahinter. Der Rahmenplan biete eine gute Grundlage, um den Ist-Stand der Altstadt zu erfassen und sie weiterzuentwickeln, so Hundertmark. Er lobte außerdem die umfassende Bürgerbeteiligung.
"Wir reagieren auch nicht sofort allergisch, nur weil jemand 'autofrei' sagt", so Hundertmark. Wichtig sei aus Sicht der CDU, dass der Plan die Attraktivität der Altstadt insgesamt steigere und nicht zu einer allgemeinen Verschlechterung der Infrastruktur führe.
Einziger Kritikpunkt seien für die CDU die Kosten für die Erstellung des Rahmenplans: 412.000 Euro. "Wir verstehen aber auch, dass es nun mal Geld kostet, wenn man etwas gründlich machen will."
IHK: Erreichbarkeit wichtig
Auch die Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill findet es grundsätzlich wichtig, dass sich die Stadt mit der Innenstadt auseinandersetzt und die Attraktivität und Entwicklung des Wirtschaftsstandorts erhöht. Besonders lobte die IHK zuletzt auch den Bau der Domhöfe in der Altstadt.
In Bezug auf den Rahmenplan betonte die IHK nun auf hr-Anfrage: Der Einzelhandel sei für die Altstadt essenziell. "Einzelne Bereiche autofrei zu gestalten, erfordert hier einen Kompromiss." Es sei wichtig, dass die Innenstadt erreichbar bleibe, auch individuell mit dem Auto, so die IHK.
Plan auf Jahrzehnte angelegt
Der Rahmenplan sieht eine schrittweise Umsetzung mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2040 vor. Die Maßnahmen wurden dabei nach Umsetzungszeit priorisiert.
Die Finanzierung erfolgt unter anderem über das Programm "Zukunft Innenstadt" des Landes Hessen. Zudem strebt Wetzlar an, in das bundesweite Städtebauförderprogramm "Lebendige Zentren" aufgenommen zu werden.