"Mit dem Feuer gespielt - und sich selbst verbrannt" Migrationsgesetz der Union im Bundestag abgelehnt - Reaktionen aus Hessen
Der umstrittene Gesetzentwurf der Unionsfraktion für eine härtere Migrationspolitik hat im Bundestag keine Mehrheit bekommen - trotz Unterstützung durch die AfD. Hessische Politiker anderer Parteien zeigten sich erleichtert und äußerten zugleich scharfe Kritik.
Nachdem am Freitag im Bundestag ein umstrittener Gesetzentwurf der Unionsfraktion für eine Verschärfung der Asylpolitik gescheitert ist, haben sich hessische Politikerinnen und Politiker erleichtert gezeigt. Das Vorhaben, das auch die AfD unterstützt hatte, bekam keine Mehrheit.
Auch wenn Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz davon sprach, gestärkt aus diesem Tag hervorzugehen, so gestand die Bundestagsabgeordnete und Merz-Vertraute Patricia Lips in der hessenschau: "Ich bin in gewisser Weise enttäuscht. Wir haben viel dafür getan." Schuldige hat die hessische CDU-Spitzenkandidatin aus Rödermark (Offenbach) in SPD und Grünen ausgemacht, die gegen den Entwurf stimmten. "Wir haben bis zur letzten Minute mit ihnen gesprochen", sagte Lips. Aber offenbar sei die angestrebte Migrationswende mit beiden Parteien nicht machbar.
SPD-Vorsitzender Bartol: "Keine Mehrheit mit den Rechtsextremisten"
SPD-Landeschef Sören Bartol teilte hingegen mit: "Friedrich Merz hat sich den historischen Tabubruch geleistet und dabei Schiffbruch erlitten. Er konnte seine bewusst herbeigeführte Mehrheit mit den Rechtsextremisten heute zum Glück nicht aufrechterhalten."
Bartol kritisierte, Merz habe "wissentlich und willentlich" einen Damm brechen lassen. Tausende Menschen seien gegen die Pläne auf die Straße gegangen - doch Merz habe das nicht interessiert, so Bartol.
Grüne beklagen bleibenden Schaden für die Demokratie
Mathias Wagner, Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion, teilte mit: "Friedrich Merz, Boris Rhein und die CDU haben mit dem Feuer gespielt. Am Ende haben sie sich selber daran verbrannt. So darf sich jemand, der Kanzler werden will, nicht verhalten." Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Anna Lührmann aus dem Kreisverband Main-Taunus und Wagner waren sich dennoch einig: Der Schaden für die Demokratie bleibe.
Die Spitzenkandidatin der hessischen Linkspartei und Bundestagsabgeordnete Janine Wissler schrieb auf X: "Erleichtert. Aber kein Grund für Entwarnung."
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FDP-Chefin schießt gegen SPD und Grüne
Die hessische FDP-Vorsitzende und Bundesagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger nannte dagegen das Abstimmungsverhalten von SPD und Grünen "verantwortungslos". Sie hätten damit den "Nährboden für Extreme" geliefert, schrieb sie bei X.
Gießener CDU-Mann Braun nimmt nicht teil
Bei der Abstimmung im Bundestag über das sogenannte "Zustrombegrenzungsgesetz" am Freitagnachmittag lehnten 349 Abgeordnete den Entwurf ab, 338 waren dafür. Fünf Abgeordnete enthielten sich.
Mit dem Gießener Helge Braun gab es einen prominenten Politiker aus Hessen, der den Kurs der CDU nicht mittrug: Er blieb der Abstimmung fern. Der Ex-Kanzleramtsminister gilt als Vertrauter der langjährigen Kanzlerin Angela Merkel, die sich am Donnerstag mit einem Statement gegen den Kurs des Kanzlerkandidaten Merz gestellt und diesen als "falsch" bezeichnet hatte. Braun selbst wird den Bundestag und die Politik nach vielen Jahren verlassen. Er wird neuer Präsident der Uni Lübeck.
SPD, Grüne und Linke hatten während der Debatte angekündigt, geschlossen gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Sie hatten die Pläne heftig kritisiert. Mehrere Abgeordnete hatten gewarnt, die "Brandmauer" anderer Parteien zur AfD falle, wenn ein Gesetz verabschiedet werde, für das AfD-Stimmen maßgeblich gewesen wären.
Gesetzentwurf für härtere Migrationspolitik
Kern des Gesetzentwurfs war eine Aussetzung des Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus. Zu dieser Gruppe gehören in Deutschland viele Syrerinnen und Syrer.
Außerdem sollten die Befugnisse der Bundespolizei erweitert werden. Sie sollte, wenn sie etwa an Bahnhöfen Ausreisepflichtige antrifft, selbst für eine Abschiebung sorgen können. Die Union drang in ihrem Entwurf überdies darauf, das Ziel einer "Begrenzung" des Zuzugs von Ausländern wieder ins Aufenthaltsgesetz aufzunehmen.
Am Mittwoch hatte ein Antrag der CDU/CSU für Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen, der keine bindende Wirkung hat, eine Mehrheit gefunden. Ihm hatten Vertreter von CDU/CSU, AfD, FDP sowie fraktionslose Abgeordnete zugestimmt, was Empörung auslöste.
Demonstrationen gegen Abstimmungen
Aus Protest gegen die von CDU-Bundeschef Merz initiierten Abstimmungen im Bundestag sind am Freitag in Hessen erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. Unter dem Motto "WIr für Vielfalt" und "WIr für Demokratie" demonstrierten in der Wiesbadener Innenstadt etwa 4.000 Menschen.
Auch am Darmstädter Luisenplatz kamen nach Polizeiangaben rund 5.000 Menschen zusammen. Geplant war ein Marsch mit Zwischenkundgebungen an den Geschäftsstellen von FDP und CDU.
Bereits am Donnerstag hatten in Frankfurt rund 6.000 Menschen demonstriert. Bundesweit fanden außerdem Kundgebungen in Berlin, Freiburg, Hannover und München statt.
Der Frankfurter Publizist Michel Friedman sprach von einer "katastrophalen Zäsur" und trat aus der CDU aus.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, Helge Braun habe sich bei der Abstimmung enthalten. Das ist falsch. Helge Braun stimmte nicht ab. Wir bitten, dies zu entschuldigen.