Datenschutz Kommt bald das Facebook-Aus für Behörden und Kommunen?

Schon lange fordert der hessische Datenschutzbeauftragte von den Landesbehörden, ihre Facebook-Seiten abzuschalten. Doch die weigern sich und argumentieren mit ihrer Informationspflicht. Nun könnte ein Streit auf Bundesebene auch für Hessen eine Entscheidung bringen.

Facebook-Seite der Landesregierung unter hessen.de
Bald nicht mehr online? Die Facebook-Seite der Landesregierung Bild © hr
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Alexander Roßnagel beäugt das Treiben der hessischen Behörden auf Facebook kritisch. Egal ob Fotos von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) beim Papst-Besuch im Vatikan oder die Information, wo aktuell noch Maskenpflicht besteht - die Posts sind dem hessischen Datenschutzbeauftragten schon lange ein Dorn im Auge. Nicht wegen des Inhalts, sondern schlicht, weil sie auf Facebook stattfinden.

Datenschützer: Behörden helfen beim Datensammeln

Denn die Social-Media-Plattform sammelt zahlreiche persönliche Daten von Nutzerinnen und Nutzern, selbst wenn diese dort kein Konto haben - und die Behörden helfen dabei ungewollt mit, wie Roßnagel erklärt: "Derjenige, der eine Seite betreibt, lockt Interessierte auf diese Facebook-Seite - und das ermöglicht es Facebook, diese Personen zu tracken, also ihre Daten zu speichern und auszuwerten."

Roßnagel forderte die hessischen Behörden deswegen schon vor Monaten auf, ihre Seiten abzuschalten. Gespräche gab es zahlreiche, sagt er, Abschaltungen dagegen nicht. Doch nun könnte Bewegung in die Sache kommen.

Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln

Aktuell blickt der Datenschützer gespannt über die Landesgrenze hinaus, bis nach Berlin und Köln. Denn dort läuft parallel dieselbe Debatte: Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, hat die Bundesregierung aufgefordert, ihre Facebook-Seite zu löschen.

Kurz vor dem Ablauf des vierwöchigen Ultimatums hat das zuständige Bundespresseamt (BPA) reagiert. Es will sich gegen die Anordnung wehren und hat Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Köln eingereicht. Das bestätigte ein BPA-Sprecher am Freitag. Man habe den Bescheid des Bundesdatenschutzbeauftragten eingehend geprüft und entschieden, diesen gerichtlich überprüfen zu lassen. Das VG Köln ist zuständig, da Kelber seinen Sitz in Bonn hat.

Hessens Datenschutzbeauftragter Roßnagel hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Er sieht seinen Kollegen auf Bundesebene gegenüber dem Presseamt in der deutlich besseren Position.

Das liegt vor allem an einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein aus dem November 2021. "Darin steht wortwörtlich, dass das Betreiben einer Facebook-Seite ein schwerwiegender datenschutzrechtlicher Verstoß ist. Ich erwarte nicht, dass das VG Köln zu einem anderen Ergebnis kommt."

Sachsen prescht vor

Auch für hessische Behörden und ihre Facebook-Auftritte könnte dieses Urteil entscheidend sein. Wenn das Gericht befinden sollte, dass die Anordnung rechtmäßig ist, will Roßnagel dieselbe Anordnung auch für Hessen treffen. "Ich erwarte, dass in Hessen dann nicht auch ein Prozess geführt werden muss, der vermutlich genauso ausgeht - sondern dass man das als Musterprozess akzeptiert."

Während Roßnagel abwarten will, ist seine sächsische Kollegin vorangeprescht: Juliane Hundert hat der Staatsregierung ein Ultimatum gesetzt. Bis Ende März soll sie sich dazu erklären, ob und wann sie ihren Facebook-Auftritt löscht. Danach droht Hundert mit einem rechtsverbindlichen Bescheid, der die Staatsregierung zur Abschaltung zwingen würde.

Für Roßnagel ist das keine Option. In Hessen stehe man mit den Behörden noch in einem gutem Kommunikationsverhältnis, in Sachsen sei das etwas anders.

Behörden wollen abwarten

Die hessische Landesregierung will die Entwicklung in der Sache erst einmal abwarten, verfolgt die Debatte aber, wie ein Regierungssprecher auf Anfrage mitteilte. Man unternehme seit Jahren große Anstrengungen, um den Anforderungen des Datenschutzes einerseits und der Informationspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern andererseits gerecht zu werden. Mehr als 80.000 Menschen folgen der Landesregierung auf Facebook unter "hessen.de".

"Die hohen Zugriffs- und Interaktionszahlen auf Facebook haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger besonders in Krisensituationen unmittelbar über unsere Kanäle informieren", teilte der Regierungssprecher mit.

Das sei unter anderem während der Corona-Pandemie und nach Ausbruch des Ukraine-Krieges besonders deutlich geworden. "Über Facebook haben uns beispielsweise während der coronabedingten Lockdowns zehntausende Bürgeranfragen erreicht."

Zum weiteren Umgang mit Facebook halte man ein möglichst bundesweit abgestimmtes Vorgehen für sinnvoll, so der Sprecher. Ein Lob vom Datenschutzbeauftragten hat sich die Landesregierung gerade abgeholt: Seit Mitte Februar sind die Staatskanzlei sowie sieben Ministerien auf Mastodon aktiv. Die Twitter-Alternative gilt als datenschutzkonform - wird aber von weit weniger Menschen genutzt als Facebook.

"Informationspflicht ja, aber nicht rechtswidrig"

Auch im hessischen Landeskriminalamt verfolgt man die Debatte einer Sprecherin zufolge sehr aufmerksam. Parallel prüfe man mögliche Alternativen. Rund 60.000 Follower zählt die Seite "Polizei Hessen".

Sie werden vor neuen Enkeltrickmaschen gewarnt, über Razzien, Festnahmen und Sirenenproben informiert - ein schneller Weg zum Bürger. "Es ist der Anspruch der Polizei Hessen, bürgernah und transparent zu kommunizieren. Deshalb wird neben vielen anderen Kommunikationswegen auch Facebook von der Polizei genutzt."

Roßnagel kann das Argument mit der Informationspflicht verstehen, das rechtfertige aber keine Rechtsverstöße. "Den Beginn der Argumentation teile ich - die öffentlichen Stellen haben in einer Demokratie die Verpflichtung, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und die Bürger zu informieren", erklärt er. "Aber nirgendwo steht, dass sie das in einem Verfahren machen sollen, das rechtswidrig ist."

Und Instagram?

Die weitere Entwicklung in Berlin und Köln könnte sich aber nicht nur auf hessische Behörden auswirken. Auch Kommunen wären davon betroffen, wenn Hessen eine analoge Anordnung durchsetzt, so Roßnagel.

Sind Twitter und Instagram da vielleicht gute Alternativen für Behörden und Kommunen? Jein, sagt Roßnagel. Bei Facebook sei die juristische Situation in Bezug auf den Datenschutz völlig anders: "Da gibt es einen elfjährigen Prozess mit sechs verschiedenen Gerichtsinstanzen, das Ganze ist mit einem rechtskräftigen Urteil abgeschlossen." Das gebe es bei den anderen Social-Media-Plattformen nicht.

"Ich vermute mal - aber das erfordert eine präzise Prüfung, dass dort das Ergebnis nicht viel anders sein würde, weil sie das gleiche Geschäftsmodell betreiben", sagt Roßnagel. Allerdings, so sagt er, könnte es sein, dass die Plattformen auf ein Urteil reagieren und Verpflichtungen besser nachkommen als es Facebook bisher getan hat.

Quelle: hessenschau.de/Tanja Stehning