Nach Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Tausende in Frankfurt bei Vorwahlen der türkischen Oppositionspartei CHP
Tausende Menschen haben sich am Sonntag in Frankfurt an Vorwahlen der größten türkischen Oppositionspartei CHP für eine Präsidentschaftswahl beteiligt. Der festgenommene Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu von der CHP will Präsident Recep Tayyip Erdoğan herausfordern.
Mehr als 5.000 türkischstämmige Menschen kamen am Sonntag zu Vorwahlen der größten türkischen Oppositionspartei CHP (Cumhuriyet Halk Partisi) nach Frankfurt ins Gallusviertel, wie die sozialdemokratische Partei dem hr mitteilte.
Dort beim "Bund der CHP Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland" konnten sie darüber abstimmen, ob der festgenommene Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu als Kandidat der CHP bei Wahlen zum türkischen Staatspräsidenten gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan antreten soll. Am Abend stand fest: İmamoğlu wurde mit großer Mehrheit zum Kandidaten gewählt.
Vor dem Wahllokal in Frankfurt hatte sich zeitweise eine Warteschlange von mehreren hundert Metern gebildet. Es wurde auch gegen die Verhaftung İmamoğlus und anderer Oppositioneller demonstriert.
Aussichtsreicher Kandidat bei Präsidentschaftswahl
Der 53 Jahre alte CHP-Politiker İmamoğlu gilt bei einer künftigen Wahl als aussichtsreicher Konkurrent des 71 Jahre alten Präsidenten Erdoğan und Vorsitzenden der als rechtspopulistisch geltenden Regierungspartei AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi). Erdoğans Amtszeit endet 2028.
Trotz İmamoğlus Festnahme fand am Sonntag die Vorwahl der Partei statt. An der Abstimmung konnten nicht nur Parteimitglieder teilnehmen. Die CHP hatte zu einer breiten Beteiligung der Bevölkerung aufgerufen.
Hunderte bereits am Samstag auf der Straße
In Frankfurt waren bereits am Samstag zahlreiche Unterstützer İmamoğlus zusammengekommen. Etwa 400 Menschen zogen vor das türkische Volkshaus im Stadtteil Bockenheim. Später fand auch an der Hauptwache in der Innenstadt ein Protest statt. Mit Plakaten, Fahnen und Lautsprechern forderten die Teilnehmer die Freilassung des Oppostitionsführers und Erdoğans Rücktritt.
Auch in anderen deutschen Städten wurde auf Kundgebungen İmamoğlus Freilassung gefordert: Unter anderem in Köln kamen am Samstag laut Polizei etwa 1.500 bis 2.000 Menschen zusammen, wie der WDR berichtete. In Berlin versammelten sich am Sonntag etwa 1.300 Menschen, berichtete rbb24.
Untersuchungshaft und Suspendierung am Sonntag
İmamoğlu war am Mittwoch festgenommen worden, ein Istanbuler Gericht verhängte am Sonntagmorgen Untersuchungshaft gegen ihn. Später am Sonntag wurde er als Istanbuler Bürgermeister laut dem türkischen Innenministerium "vorübergehend" abgesetzt.
Gegen İmamoğlu wird wegen Terror- und Korruptionsvorwürfen ermittelt. Die Untersuchungshaft steht in Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen.
Oppositionsvertreter sprachen von einem "Staatsstreich". İmamoğlu ließ über seine Anwälte ausrichten, es handele sich um eine "Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren".
Auswärtiges Amt: Rückschlag für Demokratie in Türkei
Das Auswärtige Amt mahnte am Sonntag ein faires rechtsstaatliches Verfahren für den Politiker an. Ein Sprecher des Außenministeriums sprach von einem schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei.
Seit der Festnahme İmamoğlus demonstrieren zehntausende Menschen in der Türkei - Protestverboten zum Trotz (Fotos auf tagesschau.de). Hunderte wurden bei den Demonstrationen festgenommen.