Innenausschuss zu Mannheim-Attentat Innenminister will mehr Waffenverbotszonen, FDP reicht das nicht
Der tödliche Messer-Angriff von Mannheim vor rund zwei Wochen war Thema im Innenausschuss des Landtags. Die Sicherheitsbehörden hatten den in Heppenheim lebenden mutmaßlichen Täter nicht auf dem Schirm. Die Opposition fordert Konsequenzen, Ministerpräsident Boris Rhein fordert Verhandlungen mit den Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan.
Mannheim am 31. Mai: Ein Mann greift an einem Wahlkampfstand Menschen mit einem Messer an - aus islamistisch-extremistischen Motiven, sagen die Behörden. Dabei verletzt er einen Polizisten so schwer, dass der im Krankenhaus stirbt.
Am Mittwoch hat sich der Innenausschuss des hessischen Landtags mit dem Fall beschäftigt. Denn der mutmaßliche Täter, der 2014 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist, lebt im südhessischen Heppenheim. Polizei und Verfassungsschutz hatten ihn nicht auf dem Schirm. Ein Fall von Behördenversagen? Unter anderem das wollten FDP und AfD im Ausschuss von Innenminister Poseck (CDU) wissen.
FDP: "Social-Media-Kanäle in den Blick nehmen"
"Der Fall von Mannheim zeigt, dass eine intensivere Beobachtung von Extremisten in Moscheegemeinden erforderlich ist", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP im hessischen Landtag, Moritz Promny. Auch Social-Media-Kanäle müssten die Behörden stärker in den Blick nehmen. Als Konsequenz des Messerangriffs von Mannheim forderte die FDP eine Stärkung von Polizei und Verfassungsschutz.
Gegenüber dem hr entgegnete Innenminister Poseck, das Land investiere bereits verstärkt in Personal und Ausstattung für die Polizei. "Eine hohe polizeiliche Präsenz ist der größte Beitrag zur Sicherheit der Menschen", so Poseck.
Nicht alle Fragen, die im Ausschuss gestellt wurden, beantwortete Poseck am Mittwoch. Ob der Attentäter von Mannheim in Verbindungen zur Heppenheimer Anas Ibn Malik Moschee stand, zum Beispiel. Oder ob diese und das Afghanisch-Islamische Zentrum in Frankfurt vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Beides sei Gegenstand laufender Ermittlungen, sagte Poseck.
Diskussion über Abschiebungen nach Afghanistan
Parteiübergreifend war zuletzt - in Hessen und bundesweit - die Forderung laut geworden, dass Straftäter auch in ihre Heimatländer Afghanistan oder Syrien abgeschoben werden können. Dies hob die AfD am Mittwoch im Landtag hervor: "Für uns ist ganz klar, dass das Abschiebeverbot hier ein Problem darstellt," sagte die innenpolitische Sprecherin Sandra Weegels.
Auch Poseck sagte im hr-Interview, er wolle sich bei der Innenministerkonferenz für Abschiebungen von Gefährdern nach Afghanistan und nach Syrien einsetzen.
Unterstützung erhielt Poseck am Donnerstag von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). "Ich will es mal ganz generell sagen: Wer in dieses Land kommt, weil dieses Land Werte hat, weil dieses Land Frieden hat, weil dieses Land Freiheit hat, weil es ein Rechtsstaat ist - und am Ende all das beschädigt, all das gefährdet durch eine solche Tat, der muss dieses Land auch wieder verlassen, egal wohin, ob das Syrien ist oder ob das Afghanistan ist", sagte Rhein dem Portal "The Pioneer". "Und ganz ehrlich, ja, natürlich muss man dann mit denen, die vor Ort das Sagen haben, reden, dass sie ihre Leute zurücknehmen", fügte der Ministerpräsident hinzu.
Nach geltendem Recht werden Ausländer, die die öffentliche Sicherheit gefährden, aus Deutschland ausgewiesen und können abgeschoben werden. In eine Reihe von Staaten finden aber kaum oder gar keine Abschiebungen statt, weil im Heimatland keine funktionierenden staatlichen Strukturen existieren, oder weil die Bundesrepublik wie im Fall von Afghanistan die Taliban nicht als rechtmäßige Regierung anerkennt. Für Syrien gilt ein Abschiebestopp wegen der katastrophalen humanitären Lage und zahlreicher Fälle, in denen Rückkehrer Repressalien durch die syrische Führung ausgesetzt waren.
Zur Wahrheit gehört allerdings, dass eine Abschiebe-Erlaubnis für Straftäter im Fall des Attentäters von Mannheim nichts geholfen hätte - denn der Täter war bisher nicht straffällig geworden.
Poseck: "Sind kein Überwachungsstaat"
Vollständige Sicherheit vor Angriffen wie in Mannheim gebe es nicht, sagte Innenminister Poseck: "Wir sind kein Überwachungsstaat". Es werde in einer Demokratie nicht möglich sein, "jede Entwicklung vorher zu entdecken".
Täter, die sich selbst radikalisierten, allein handelten und "wie in Mannheim mit wenigen Mitteln, mit einem Messer schreckliche Taten ausführen", nannte der Innenminister ein "ganz besonderes Phänomen, das man nicht allein und nicht flächendeckend durch die Sicherheitsbehörden in den Griff bekommt".
Polizei-Gewerkschaft: "Messer gehören nicht in Innenstädte"
Der Innenminister brachte im Ausschuss weitere Waffenverbotszonen ins Spiel. Diese hätten bereits in mehreren Städten zu einem besseren Sicherheitsgefühl beigetragen.
Die Gewerkschaft der Polizei würde das unterstützen. Gerade Messer seien gefährliche Waffen, weil sie leicht zu bekommen sind, sagte der Landesvorsitzende Jens Mohrherr.
"Damit kann man in Sekundenbruchteilen Distanzen überwinden und es kann im schlimmsten Fall sofort zum Tod führen." Die Tat in Mannheim habe gezeigt: "Messer gehören nicht in Innenstädte."
Die Bedrohung durch islamistische Terroranschläge ist in Deutschland nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz aktuell deutlich höher als in den vergangenen Jahren - auch wegen des Gaza-Kriegs. "Das Risiko dschihadistischer Anschläge ist so hoch wie seit langem nicht mehr", sagte Präsident Thomas Haldenwang kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Die Sicherheitsbehörden bearbeiten nach seinen Worten vermehrt entsprechende Hinweise.
Der Chef des Inlandsgeheimdienstes nannte für das gestiegene Anschlagsrisiko - auch durch selbst radikalisierte Einzeltäter - verschiedene Gründe. So habe die Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan die dschihadistische Idee insgesamt befördert.
Ein weiterer Faktor sei das Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK), gerade in Pakistan und Afghanistan. Weiter sagte Haldenwang, Koran-Verbrennungen in Skandinavien sowie der israelische Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen hätten ebenfalls dazu beigetragen, "dass sich Radikalisierungsspiralen in Gang setzen".
Verfassungsschutz sieht gestiegene Terrorgefahr
Die Bedrohung durch islamistische Terroranschläge ist in Deutschland nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz aktuell deutlich höher als in den vergangenen Jahren - auch wegen des Gaza-Kriegs. "Das Risiko dschihadistischer Anschläge ist so hoch wie seit langem nicht mehr", sagte Präsident Thomas Haldenwang kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Die Sicherheitsbehörden bearbeiten nach seinen Worten vermehrt entsprechende Hinweise.
Der Chef des Inlandsgeheimdienstes nannte für das gestiegene Anschlagsrisiko - auch durch selbst radikalisierte Einzeltäter - verschiedene Gründe. So habe die Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan die dschihadistische Idee insgesamt befördert.
Ein weiterer Faktor sei das Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK), gerade in Pakistan und Afghanistan. Weiter sagte Haldenwang, Koran-Verbrennungen in Skandinavien sowie der israelische Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen hätten ebenfalls dazu beigetragen, "dass sich Radikalisierungsspiralen in Gang setzen".
Redaktion: Malena Menke
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 12.06.2024, 19.30 Uhr