Nach Rücktritt von Marius Weiß  Neuer Vorsitz für Hanau-Untersuchungsausschuss gesucht

Kurz vor dem Ende des Untersuchungsausschusses zum rassistischen Attentat von Hanau hat der Vorsitzende Weiß (SPD) sein Amt niedergelegt. Nun sorgen sich Angehörige, dass die Parkplaketten-Affäre die Aufklärung verzögert. 

Großaufnahme eines Aktenordners auf welchem steht: "#say their names" und "Hanau-Untersuchungsausschuss".
Ein Ordner im Hanau-Untersuchungsausschuss Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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"Das ist die größte Aufgabe in meinem politischen Leben gewesen", sagte Marius Weiß dem hr am Dienstag. Umso schwerer sei ihm die Entscheidung gefallen, den Vorsitz des Hanau-Untersuchungsausschusses wegen der Affäre um eine mutmaßlich gefälschte Parkplakette für den Hof des Landtags abzugeben. "Es war aber die richtige Entscheidung", betonte der SPD-Politiker. Aus der Fraktionssitzung auf dem Hessentag in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) war allerdings zu hören, dass Weiß’ Rücktritt nicht ganz freiwillig war und er von seinen Genossen zu diesem Schritt gedrängt wurde.

Wenn also im Juli Innenminister Peter Beuth (CDU) als letzter Zeuge im Ausschuss Platz nimmt, wird er von jemand anderem befragt werden als von Weiß. Nach dem Ausschussgesetz des Landtags steht der Posten des Vorsitzenden hier der Opposition zu.

Doch die SPD weiß noch nicht, ob sie von einer Abgeordneten oder einem Abgeordneten verlangen will, sich für die letzten Monate der Ausschussarbeit in die durchaus komplizierte Materie zu vertiefen. Oder ob nicht einfach Weiß‘ Stellvertreter Frank Kaufmann (Grüne) die restlichen Sitzungen leiten und den Weg zu einem Abschlussbericht moderieren sollte. 

Abschlussbericht erst nach der Landtagswahl 

Von den SPD-Obleuten im Ausschuss kann nicht jemand so ohne Weiteres nachrücken, da die oder der Vorsitzende überparteiisch zu sein hat. Als Obleute treten sie dagegen klar als Vertreter der Opposition auf. So regelt es das Hessische Untersuchungsausschussgesetz. Das bestimmt auch, dass bis zur Wahl einer oder eines neuen Vorsitzenden Kaufmann die Leitung übernimmt.

Der Hanau-Untersuchungsausschuss wird seinen Abschlussbericht nicht vor der Hessenwahl am 8. Oktober vorlegen. Diese Entscheidung von CDU und Grünen wurde vergangene Woche scharf kritisiert. SPD und Linke glaubten gar an ein politisches Kalkül, weil so ein mögliches Behördenversagen rund um den rassistischen Anschlag vom 19. Februar 2020 mit neun Ermordeten (dazu kommen der Attentäter und seine Mutter) nicht mehr vor der Wahl prominent debattiert werde.

Der Bericht verzögert sich aber auch wegen fehlender Protokolle. Wie mehrere Ausschussmitglieder mitteilen, fehle von drei bisherigen Sitzungen die Niederschrift. Der Wechsel an der Ausschussspitze sei ein weiterer Störfaktor im Schlussspurt des Gremiums. 

Obleute kritisieren späte Entscheidung 

"Als Vorsitzender kam ich mit ihm zurecht", sagte der CDU-Obmann Jörg Michael Müller am Dienstag über Weiß. Seine Entscheidung, den Posten niederzulegen, sei richtig, aber "vielleicht zu spät". Der Schritt dürfe keine weitere Verzögerung nach sich ziehen. Vanessa Gronemann (Grüne) zeigte sich überrascht. Es wäre klüger gewesen, den Vorsitz früher abzugeben, sagte sie dem hr: "Aber ich habe keine Vorstellung, wie nun eine Übergabe an jemand komplett Neuen klappen soll." 

Der FDP-Obmann Jörg-Uwe Hahn hält die Entscheidung für einen notwendigen Schritt. Schwierig sei nun die Suche nach einem neuen Vorsitz, den die Opposition stellen müsse. Er selbst stehe nicht zu Verfügung, sagte Hahn: "Das wäre zu zeitintensiv neben dem Amt als Vizepräsident des Landtags."

Der Obmann der AfD, Dirk Gaw, kann den Zeitpunkt des Rücktritts nicht nachvollziehen: "Entweder hätte er diesen Schritt sofort gehen können oder den Ausschuss bis zum Ende durchziehen müssen." Die Linke Saadet Sönmez fürchtet, dass die Diskussion um Weiß‘ Parkausweis vom Kern des Ausschusses ablenke: "Die Hauptaufgabe ist die Aufklärung, um mögliche Konsequenzen zu ziehen." 

Angehörige respektieren Rücktritt 

Die Hinterbliebenen des rassistischen Anschlags schätzten die Arbeit von Marius Weiß. "Er hat sein Bestes gegeben", sagte Armin Kurtovic am Dienstag. Kurtovic verlor bei dem Attentat seinen Sohn Hamza. Die Parkplakettenaffäre sei ihm und den anderen Angehörigen "völlig egal gewesen".

Man habe - anders als anderen Mitgliedern des Ausschusses - Weiß vertraut. Sein Rücktritt, so Kurtovic, "zeugt von seinem Charakter". Man müsse sehen, wer nicht zurückgetreten sei - "trotz aller Pannen am Notausgang oder am Notruf" in der Tatnacht. 

Marius Weiß erinnerte im Gespräch mit dem hr auch daran, was der Untersuchungsausschuss neben möglichen Behörden-Pannen thematisiere: die Kultur im Umgang mit Fehlern. "Da wollte ich persönlich vorlegen." 

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 06.06.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de