Reaktionen auf Attentat in Solingen Rhein fordert mehr Waffenverbotszonen
Nach dem Attentat in Solingen spricht Ministerpräsident Rhein von einer "Zeitenwende in der Migrationspolitik". Er fordert einen anderen Umgang mit Gefährdern und mehr Waffenverbotszonen. Innenminister Poseck erhöht die Polizeipräsenz - zumindest für einige Tage.
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat in Reaktion auf das Attentat im nordrhein-westfälischen Solingen am Montag auf einer Kabinettsitzung gefordert, "weitgreifende Maßnahmen" für mehr Sicherheit zu prüfen und umzusetzen, wie er am Abend im Gespräch mit der hessenschau sagte.
Der Umgang mit Gefährdern müsse überprüft werden - zum Beispiel, ob eine Haft gegen sie oder das Tragen einer Fußfessel verlängert werden könne. Bei der Videoüberwachung müsse geprüft werden, inwieweit Gesichtserkennung und künstliche Intelligenz eingesetzt werden dürfen, sagte Rhein.
Poseck: Terroristen nicht das Feld überlassen
"Wir prüfen in jedem Einzelfall, ob wir die Polizeipräsenz noch einmal erhöhen", hatte Innenminister Roman Poseck (CDU) bereits im Interview mit hr-iNFO am Nachmittag gesagt. "Wir dürfen den Terroristen nicht das Feld überlassen und müssen diese Veranstaltungen auch weiter möglich machen", betonte er.
Die Sicherheitslage werde grundsätzlich jeden Tag neu bewertet, teilte das Innenministerium mit. So sei etwa die sichtbare Polizeipräsenz auf dem Frankfurter Museumsuferfest am Wochenende nach dem Anschlag erhöht worden.
Erlass an Polizeipräsidien
Innenminister Poseck forderte die hessischen Polizeipräsidien am Dienstag per Erlass zu mehr Präsenz und Wachsamkeit auf. Wie das Innenministerium dem hr mitteilte, gilt der Erlass zunächst befristet für zehn Tage von Dienstag (27.8.) bis Donnerstag kommender Woche (5.9.).
Poseck fordert die "Gewährleistung einer deutlich sichtbaren und für die Bevölkerung wahrnehmbaren polizeilichen Präsenz - mit den Schwerpunkten Volksfeste, Musik-, Sport und sonstige Großveranstaltungen, Innenstadtbereiche, Waffenverbotszonen".
Rhein hatte am Montagabend gesagt, er wolle mehr Waffenverbotszonen in Hessen und dass sie "sehr intensiv kontrolliert werden". Dazu gehörten auch Waffenkontrollen in Erstaufnahmeeinrichtungen - "und zwar vermehrt und stark".
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich am Montag ebenfalls für weitere Waffenverbotszonen aus. Einen hundertprozentigen Schutz vor Angriffen gebe es dadurch nicht, aber die Zonen ermöglichten den Beamtinnen und Beamten anlassunabhängige Kontrollen und hätten eine "abschreckende Wirkung", so GdP-Landesvorsitzender Jens Mohrherr.
Diskussion um Waffenverbote
Innenminister Poseck begrüßte die Ankündigung aus der Bundespolitik, das Waffenrecht in Deutschland zu verändern. "Messer mit einer Klingenlänge ab sechs Zentimetern gehören aus meiner Sicht nicht in den öffentlichen Raum", sagte Poseck.
Auch Waffenverbotszonen, wie es sie in Frankfurt, Wiesbaden und Limburg gibt, seien eine zusätzliche "präventive Einrichtung", die der Polizei Kontrollbefugnisse gebe, die sie brauche - auch wenn sie allein eine Tat wie in Solingen nicht hätten verhindern können.
Debatten nach Attentat in Solingen aufgekommen
Bei einem Stadtfest in der Stadt in Nordrhein-Westfalen waren am Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere Personen teils schwer verletzt worden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen einen 26 Jahre alten Syrer wegen Mordes und Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Der Mann war zuvor nicht straffällig geworden und galt auch nicht als Gefährder. Er sollte nach Bulgarien abgeschoben werden, da er dort zuerst in der EU angekommen war. Warum seine Abschiebung scheiterte und er untertauchen konnte, ist noch unklar.
Forderungen nach härterer Asylpolitik
Während sich die Parteien in Bezug auf strengere Waffengesetze und mehr Polizeipräsenz größtenteils einig scheinen und diese als sinnvoll bezeichnen, wurden bereits kurz nach den ersten Hinweisen auf den Tatverdächtigen am Wochenende unterschiedliche Forderungen nach einer härteren Asylpolitik und mehr Abschiebungen laut - auch in Hessen.
Poseck, der als Innenminister in Hessen für das Thema zuständig ist, forderte im hr-Gespräch die "Mitwirkung der Bundesregierung" daran, Ausreisepflichten umzusetzen und Vereinbarungen mit den Herkunftsländern zu treffen. Zum Stichtag 31.07.2024 hielten sich laut Ausländerzentralregister 13.119 ausreisepflichtige Personen in Hessen auf - darunter 1.536 Personen aus Afghanistan und 550 aus Syrien.
Aktuell sind die diplomatischen Beziehungen nach Afghanistan und Syrien wegen der dortigen Machthaber stark eingeschränkt.
AfD und FDP für mehr Abschiebehaft-Plätze in Hessen
Auch der Vorsitzende der hessischen FDP-Fraktion im Landtag, Stefan Naas, forderte im Gespräch mit der hessenschau, man müsse auch in Hessen "in der Gangart etwas härter werden". Konkret schlug er dafür vor, Sozialleistungen für Ausreisepflichtige einzustellen und die Zahl der Plätze in Abschiebehaft für diese Menschen aufzustocken.
Eine ähnliche Forderung nannte auch die innenpolitische Sprecherin der hessischen AfD-Fraktion, Sandra Weegels. 80 Abschiebehaftplätze für Hessen seien nicht ausreichend.
Laut dem hessischen Innenministerium sitzen aktuell 35 Menschen in Hessen in Abschiebehaft.
Gronemann (Grüne): Vorschläge teils verfassungswidrig
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Vanessa Gronemann, warnte davor, "Menschen unter Generalverdacht zu stellen" und reflexartig Maßnahmen zu fordern, die verfassungswidrig seien.
"Klar ist, dass Menschen, die kein Anrecht auf Asyl und sonstigen Schutz haben, das Land verlassen müssen", sagte Gronemann. Warum das im konkreten Fall des Tatverdächtigen in Solingen nicht passiert war, müsse nun genau geprüft werden.
"Haben echtes Terrorproblem bei der Migration"
Ministerpräsident Rhein forderte in der hessenschau eine "Zeitenwende in der Migrationspolitik". Der Bund müsse seine Migrationspolitik vollständig umstellen.
"Ich glaube, wir müssen jetzt sehr deutlich feststellen und sehr deutlich sagen: Wir haben ein echtes Terrorproblem bei der Migration", sagte Rhein. "Das geht so nicht weiter in der Migrationspolitik. Wir brauchen ein sehr hartes Durchgreifen gegen Straftäter mit Migrationshintergrund, aber auch gegen islamistischen Terrorismus."