Entwurf für Nahmobilitätsgesetz Landesregierung will Rad- und Fußverkehr in Hessen stärken
Radfahrer und Fußgänger auf eine Stufe mit dem motorisierten Verkehr stellen: Das will die Landesregierung mit einem Nahmobilitätsgesetz schaffen. Den echten Willen dafür vermissen Verbände und Opposition.
"Fahrradfahren und Zufußgehen sind ein ganz wichtiger Teil alltäglicher und vor allem klimafreundlicher Mobilität", erklärte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) am Freitag in Wiesbaden.
Dabei stellte er den Entwurf der Regierungsparteien CDU und Grüne für ein Nahmobilitätsgesetz vor. Er soll in der kommenden Woche im Landtag beraten werden.
Mehrere Millionen Euro für Infrastruktur
Voraussetzung für die beiden Formen der Nahmobilität seien aber gute und sichere Geh- und Radwege. Daher würden bereits seit Jahren Millionen in eine bessere Infrastruktur investiert.
Für 2023 und 2024 stünden weitere 48 Millionen Euro allein für die Infrastruktur von Radwegen in hessischen Städten und Gemeinden zur Verfügung. "Für den Ausbau von Radwegen an Landesstraßen sind für 2023 Rekordsummen von 13 Millionen und für 2024 von 17 Millionen Euro beschlossen."
Neues Gesetz soll Nahmobilität stärken
Mit dem neuen Gesetz soll zum einen verankert werden, dass die Nahmobilität gestärkt wird, zum anderen, dass es die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität gibt. Sie vernetzt, berät und unterstützt Kommunen und Verbünde. Darüber hinaus soll festgeschrieben werden, dass die notwendigen Mittel für den Bau von Radwegen bereitgestellt werden.
Konkret müssen dem Gesetzentwurf zufolge zehn Prozent der Haushaltsmittel für den Landesstraßenbau zusätzlich in neue Radwege fließen. Parallel dazu solle der Grundsatz "Sanierung vor Neubau" für Landesstraßen in dem Gesetz festgeschrieben werden. Das Land Hessen solle zudem als fahrradfreundlicher Arbeitgeber und damit als Vorbild fungieren.
Minister: "Neues Kapitel der Verkehrswende"
Mit dem Gesetzentwurf schlage man "ein neues Kapitel der Verkehrswende in Hessen" auf, sagte Al-Wazir. Der Minister bedankte sich für das Engagement der Initiative "Verkehrswende Hessen". Weniger als ein halbes Jahr sei es her, dass ihm mehr als 70.000 Unterschriften und der Entwurf eines hessischen Verkehrswendegesetzes überreicht wurden.
Auch wenn das Volksbegehren samt Gesetzentwurf aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt worden sei, habe es einen konstruktiven Austausch und wertvolle Impulse der Initiative gegeben. Gegen die Ablehnung legte die Initiative "Verkehrswende Hessen" nach eigenen Angaben Beschwerde beim hessischen Staatsgerichtshof ein.
Verkehrsclub: Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigen
Die Initiative "Verkehrswende Hessen" kritisierte am Freitag den Gesetzentwurf. Es müssten die Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen berücksichtigt werden, sagte Mathias Biemann vom Verkehrsclub Deutschland. Nicht nur ein paar Verbesserungen für die Mobilität zu Fuß und mit dem Fahrrad seien notwendig, um sich selbstbestimmt bewegen und am sozialen Leben teilhaben zu können.
Selbst im Rhein-Main-Gebiet, an den Rändern der hessischen Großstädte, gebe es häufig keine ausreichend getakteten Bahn- und Busverbindungen, um die Einzelhandelsgeschäfte am Rand der Kommunen zu erreichen. "Zu Fuß geht da für alte und mobilitätseingeschränkte Menschen nichts. Sie sind immer Bittsteller und auf die Hilfe anderer angewiesen", sagte Biemann.
Opposition: Von Willen zur Verkehrswende "nichts zu spüren"
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Tobias Eckert, stellte dem Gesetzentwurf ein schwaches Zeugnis aus. "Zu erwarten war, dass es sich dabei nicht um den großen verkehrspolitischen Entwurf handeln würde – und die Erwartung wurde erfüllt", teilte er mit. Der SPD stieß vor allem sauer auf, dass sich Verkehrsminister Al-Wazir als Architekt einer Verkehrswende inszeniere, die er mit der Ablehnung des Volksbegehrens im vergangenen Jahr selbst ausgebremst habe.
Die Linksfraktion im Landtag kritisierte den Gesetzentwurf ebenfalls. Der wichtigste Baustein für eine Verkehrswende, nämlich der ÖPNV, sei im schwarz-grünen Entwurf komplett unter den Tisch gefallen, sagte der verkehrspolitische Sprecher, Axel Gerntke, am Freitag.
Er bleibe überdies oft unkonkret und nicht quantifiziert. Regelungen, wonach Fußwege möglichst barrierefrei sein sollten, fielen eher in den Bereich von Absichtserklärungen. "Solange in Hessen Wälder für Autobahnen gerodet werden, aber Radrouten über ungeräumte Feldwege führen, ist von einem politischen Willen zur Verkehrswende nichts zu spüren", sagte Gerntke.
Sendung: hr-iNFO, 10.02.2023, 16.00 Uhr
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