Nahost-Aktivistin Silver posthum geehrt Sohn nimmt Hessischen Friedenspreis für ermordete Mutter entgegen
Sie kämpfte für Frieden zwischen Palästinensern und Israelis, bis sie von Hamas-Terroristen ermordet wurde. Nun ist Vivian Silver dafür posthum mit dem Hessischen Friedenspreis geehrt worden.
Erstmals in seiner 30-jährigen Geschichte ist der Hessische Friedenspreis am Montag im Landtag in Wiesbaden posthum verliehen worden. Stellvertretend für die kanadisch-israelische Friedensaktivistin Vivian Silver nahm ihr Sohn Yonatan Zeigen die Auszeichnung für das Jahr 2023 in einer Feierstunde entgegen.
Silver war am 7. Oktober des vergangenen Jahres im Alter von 74 Jahren getötet worden, als einem Angriff von Terroristen der Hamas rund 1.200 Menschen zum Opfer fielen. "Die Friedenskämpferin ermordet von denen, die keinen Frieden mit Israel wollen", nannte Steffen Seibert, deutscher Botschafter in Tel Aviv, die Preisträgerin in seiner Laudatio.
Sie sei für die israelische Friedensbewegung eine "Mutterfigur“ gewesen, sagte Seibert. Die linke Feministin hatte sich jahrzehntelang in Nicht-Regierungsorganisationen für eine Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern sowie die Zwei-Staaten-Lösung eingesetzt.
Ins Grenzgebiet gezogen
1974 siedelte Silver mit ihrem Mann und zwei Söhnen von Kanada nach Israel um. Dort setzte sie sich unter anderem für Geschlechtergerechtigkeit in der Kibbuz-Bewegung ein. In den 1990er-Jahren zog die Familie in den sozialistischen Kibbuz Be’eri nahe der Grenze zu Gaza, wo die Aktivistin beim Hamas-Überfall ermordet wurde.
Der Kibbuz war eines der ersten Ziele der Terroristen, mehr als 100 Bewohner starben. Silver galt zunächst als vermisst, erst nach mehr als einem Monat wurden ihre leiblichen Überreste in ihrem ausgebrannten Haus identifiziert. Bundespräsident Walter Steinmeier besuchte den Ort später gemeinsam mit Israels Präsident Izchak Herzog.
Frauen kämpfen für Frieden
Unter anderem war Silver Mitbegründerin der Nichtregierungsorganisation AJEEC-NISPED, die das Zusammenleben von Arabern, Beduinen und Juden in Teilen Südisraels organisiert. Sie war außerdem im Vorstand der Menschenrechtsgruppe B’Tselem. Im Projekt Road to Recovery brachte sie palästinensische Patientinnen und Patienten in israelische Klinken.
Besondere Wirkung entfaltete die 2014 von ihr mit anderen Frauen gegründete Gruppe Women Wage Peace, zu deutsch: Frauen schaffen Frieden. In der mit gut 45.000 Mitgliedern größten Friedensorganisation Israels engagieren sich Jüdinnen, Musliminnen und Christinnen gemeinsam für ein friedliches Zusammenleben und ein neues Friedensabkommen.
Optimismus und Tatkraft verbunden
Silver habe fest daran geglaubt, dass sich Frieden in dem Konflikt nur durch Druck von unten durchsetzen lasse, sagte Botschafter Seibert. "Optimismus und Tatkraft und die ausgestreckte Hand zur anderen Seite - damit hat Vivian Silver die Welt um sich herum über Jahrzehnte besser gemacht."
Wie Seibert betonte Yonatan Zeigen, dass seine Mutter eine "Zionistin unter Bedingungen" war und dass ihr Werk fortgesetzt werden sollte. Die Forderung nach einem Existenzrecht Israels habe sie stets an das Recht aller Menschen in der Region geknüpft, in Frieden und Sicherheit zu leben. Der Friedenspreis würdige diesen lebenslangen Einsatz.
Zeigen will an die Arbeit seiner Mutter anknüpfen. "Der Frieden ist einfach, wenn wir ihn wollen", sagte er. Die internationale Gemeinschaft müsse sich für die Freilassung der von der Hamas gefangen gehaltenen Geiseln einsetzen, aber auch für ein Ende des Krieges und der Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel.
Hass bekämpft, Opfer des Hasses geworden
Zuvor hatten Landtagspräsidentin Astrid Wallmann und Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (beide CDU) vor rund 130 geladenen Gästen Vivian Silver gewürdigt. Mit der Auszeichnung sei die Hoffnung verbunden, Silver möge viele Menschen inspirieren, ihren Weg der Versöhnung fortzusetzen, sagte Wallmann. Es sei besonders tragisch, dass sie Opfer jenes Hasses geworden sei, über den hinweg sie viele Jahre Brücken gebaut habe, befand Becker.
Mit ihrem Engagement und ihrer Kritik am Kurs der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte sich Vivian Silver in Israel auch viele Gegner gemacht. Vertreter der israelischen Regierung waren bei der Preisverleihung in Wiesbaden nicht dabei. Der Botschafter und die Generalkonsulin seien eingeladen gewesen, hätten aber aus terminlichen Gründen abgesagt, hieß es auf Anfrage aus der Landtagsverwaltung.
Seit 1994 verliehen
Der Hessische Friedenspreis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird seit 1994 jährlich für Verdienste um Völkerverständigung und Frieden verliehen. Ins Leben gerufen hat ihn der frühere SPD-Ministerpräsident Albert Osswald mit seiner nach ihm benannten Stiftung. Im vergangenen Jahr verlieh das Kuratorium der Stiftung ihn an die somalisch-kanadische Friedens- und Menschenrechtsaktivistin Ilwad Elman.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 1.7.2024, 19.30 Uhr
Redaktion: Wolfgang Türk