Sondersitzung in der Sommerpause Opposition wirft Minister Mansoori nach Entlassung seiner Staatssekretärin "Rumgeeiere" vor

Mitten in der Sommerpause muss Hessens SPD-Wirtschaftsminister Mansoori im Landtag die umstrittene Entlassung der Bau-Professorin Messari-Becker rechtfertigen. Am Ende zeigen sich vor allem die Grünen überzeugt: Sauber sei die Sache nicht gelaufen.

Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori
Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori - hier bei seiner 100-Tage-Bilanz (Archivfoto). Bild © Imago Images
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Landtag – Sondersitzung zu Staatssekretärin Messari-Becker

hessenschau vom 31.07.2024
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Auf fast 30 Grad hatte die Juli-Sonne das Thermometer in Wiesbaden getrieben. Doch mochte das Wetter draußen sein, wie es wollte: Es war dicker Nebel, in dem Oppositionspolitiker im Sitzungssaal 501A des Landtags am Mittwoch stocherten.

Ungeachtet der Sommerpause war der Wirtschaftsausschuss auf Wunsch der Grünen zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Die Opposition stellte SPD-Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Kaweh Mansoori kritische Fragen, weil er nach nur sechs Monaten die renommierte Bau-Professorin Lamia Messari-Becker als Staatssekretärin entlassen hat.

Auf Antworten in zentralen Punkten der Affäre ließ sich Mansoori nicht ein. Es gehe schließlich um eine "vertrauliche Personalangelegenheit". Ob Grüne, AfD oder FDP - am Ende waren sich seine ungleichen Gegner auf höchst seltene Weise einig. "Mansoori mauert", fasste es Grünen-Politikerin Kaya Kinkel zusammen.

Kritik an "schlechtem Stil"

Als Fortsetzung einer "wirren Kommunikation" bewertete die Oppositionspolitikerin den Auftritt des 35-Jährigen, der seit Januar in einer schwarz-roten Koalition Stellvertreter von CDU-Ministerpräsident Boris Rhein ist. "Unser Verdacht, dass diese Entlassung nicht so sauber war, wie der Minister behauptet, hat sich heute eindrucksvoll bestätigt."

"Mit persönlichen Anschuldigungen vorpreschen und bei Nachfragen dann auf breiter Front zu mauern" – das warf AfD-Mann Andreas Lichert dem Minister vor. Das werfe kein gutes Licht auf Mansooris Führungsstil. Und der FDP-Abgeordnete Oliver Stirböck attestierte dem Minister, er habe "viel rumgeeiert und wenig erklärt".

Ein Urteil traute sich aber auch der Liberale zu: Mansoori habe im Umgang mit einer "ausgewiesenen Fachfrau für Bauen und Energie" einen schlechten Stil an den Tag gelegt. Es sei ein in der Landespolitik einmaliger Vorgang, wie dies auch weltweit anerkannte Mitglieder der Jury öffentlich artikuliert hätten, die Messari-Becker vor kurzem zur "Vordenkerin 2024" gekürt haben.

Misstrauisch ist die Opposition nicht nur, weil die Trennung so rasch kommt. Nachdem der Plan an die Presse durchgestochen worden war, begründete ihn Mansoori in einer Pressemeldung mit "nicht hinnehmbarem Fehlverhalten“ seiner Staatssekretärin außerhalb der Dienstzeit. Konkreter wurde er seitdem nicht.

Messari-Becker bestreitet außerdem jegliches Fehlverhalten. Sie hat Anwälte eingeschaltet, die wie die Opposition Belege vom Minister verlangen.

Mit Variationen der immer gleichen Fragen rannten Vertreter von Grünen, AfD und FDP im Ausschuss an: Was soll das für ein Fehlverhalten gewesen sein, welche Belege gibt es, warum wurde die Entlassung trotz einer Corona-Erkrankung der Betroffenen so schnell und ohne ein abschließendes Gespräch mit ihr durchgezogen?

Welche Rolle spielten die Spannungen, die der Minister und vor allem sein ebenfalls zur SPD gehörender erster Staatssekretär Umut Sönmez mit der parteilosen Wissenschaftlerin hatten? Waren sie der wahre Trennungsgrund? Und warum hat der Minister den öffentlichen Vorwurf überhaupt erhoben, wenn er ihn nicht untermauert? Zumal Staatssekretäre als politische Beamte jederzeit ohne Begründung entlassen werden können.

Wo der Minister konkret wurde

In einem Punkt wurde der Minister konkret: Nach seinen Angaben ist das von Ministerpräsident Rhein geführte CDU/SPD-Kabinett vergangenen Freitag dem Wunsch gefolgt, Messari-Becker in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Die Entlassungsurkunde sei verschickt und die Nachfolge noch nicht geregelt.

Dass er den Vorwurf des gravierenden Fehlverhaltens öffentlich äußerte, hält der Vize-Ministerpräsident für in Ordnung. Anlass seien erste Presseberichte und "viel Geraune" in der Sache gewesen. Unterlaufen ist ihm da nach eigener Darstellung nichts: Er wäge seine Worte stets mit Bedacht ab.

Bis zu dem angeblichen Fehlverhalten sei die Zusammenarbeit an der Ministeriumsspitze "professionell" gewesen, sagte Mansoori auf Nachfrage. Diese Wortwahl nährt laut FDP-Politiker Stirböck die Vermutung, es gäbe andere Gründe für die Entlassung der Staatssekretärin als einen einmaligen Vorfall.

"Wir sind in der Lage, den Vertrauensbruch zu dokumentieren", sagte Mansoori außerdem. Womit, das sagte er nicht – dem Vernehmen nach auch nicht, als die Journalisten für einen nicht-öffentlichen Teil der Sitzung den Saal verlassen mussten.

Zu eilig lief seiner Meinung nach die Entlassung auch nicht. Lediglich ein abschließendes persönliches Gespräch über den zeitlichen Fahrplan der Trennung habe es wegen Messari-Beckers Erkrankung nicht gegeben. Eine zweite Chance war laut dem Minister für seine Staatssekretärin ohnehin nicht drin. Er sagte, erneut ohne konkreter zu werden: "Es gibt Fehler, die gehen. Und es gibt Fehler, die nicht gehen."

Fragen nach der Moral des Ministers

Die Grünen machten deutlich: Sie glauben nicht, dass Mansoori mit seinem Agieren in der Sache selbst den moralischen Ansprüchen genügt, die er nach eigenen Angaben an seine bisherige Staatssekretärin angelegt hat.

"Das ist inakzeptabel und rufschädigend für die renommierte Wissenschaftlerin", kommentierte Grünen-Abgeordnete Kinkel, dass Mansoori seine Anschuldigung nicht konkretisiert. Sie kündigte an, nun beim CDU-Kultusminister Armin Schwarz nachfassen zu wollen.

Hintergrund: Es heißt, ein Elterngespräch, das Messari-Becker an einer Schule geführt habe, sei der Entlassungsgrund. Aber auch das ist unklar und blieb es auch am Mittwoch im Landtag. Auf die Frage, ob in der Schulverwaltung ein entsprechender Vorgang aktenkundig sei, sagte Mansoori: "Ich bin nicht der Kultusminister."

Das Kultusministerium hatte auf eine entsprechende hr-Anfrage noch am Montag genau wie Mansoori geantwortet: Zu vertraulichen Personalangelegenheiten äußere man sich nicht. Selbst die allgemeine Frage ließ das Ministerium offen, ob der Schulverwaltung oder dem Kultusministerium überhaupt eine Beschwerde gegen irgendein Mitglied der Regierung bekannt geworden sei – und wenn ja, auf welchem Weg.

Andeutungen und Forderung an Rhein

In einem weiteren Punkt wollen die Grünen nachfassen. Hier waren sie es, die es bei Andeutungen beließen: Sie drängen auf Antwort des Ministers, "ob sein verbleibender Staatssekretär Sönmez alle Werte vollumfänglich verkörpert, gegen die Messari-Becker angeblich verstoßen hat". In der Sitzung war Mansoori nicht auf die von Grünen-Politikerin Vanessa Gronemann gestellte Frage eingegangen.

Rückendeckung erhielt der Minister in der gesamten Debatte aus den Reihen der eigenen SPD-Fraktion. Deren Abgeordneter Stephan Grüger befand, die Kritik der Opposition sei ein "Sturm im Wasserglas" und "an den Haaren herbeigezogen". Rechtlich sei alles klar und auch völlig sauber gelaufen.

Die CDU als Koalitionspartner der SPD sagte überhaupt nichts. Nach Meinung der Grünen ist es an der Zeit, dass sich Unions-Ministerpräsident Rhein äußert. Da letztlich er die Staatssekretäre berufe oder entlasse, könne er "nicht so tun, als habe er mit alledem nichts zu tun".

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Quelle: hessenschau.de