"Enttäuscht, aber ohne Groll" Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch kündigt Rückzug an

Mit der Bundestagswahl 2025 wird in Pfungstadt auch ein neuer Bürgermeister gewählt. Amtsinhaber Patrick Koch wird nicht auf dem Wahlzettel stehen. Er tritt - auch wegen der politischen Verhältnisse in der Stadt - nicht mehr an.

Portrait eines Mannes, der vor einem Landkarte sitzt.
Hört Ende 2025 auf: Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch Bild © Andreas Bauer, hr
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Patrick Koch will nicht mehr. Der Rathauschef von Pfungstadt (Darmstadt Dieburg) hat angekündigt, zur Bürgermeisterwahl im Herbst 2025 nicht mehr anzutreten. Wenn er dann zum 1. Januar 2026 abgelöst wird, geht eine zwölf Jahre währende Ära zu Ende, die nicht immer unumstritten war.

"Ich gehe nicht im Groll", betont der 48-Jährige im Gespräch mit dem hr. Enttäuschung, ja, die räumt er ein. Enttäuschung darüber, dass es so wenig Miteinander zwischen Magistrat, Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung gegeben habe. Enttäuschung darüber, dass von einigen immer nur das Negative betont werde.

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Die politische Konstellation mache es für ihn unmöglich, vernünftig zu regieren. Sieben Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung, ständig wechselnde Mehrheiten, und oft wisse man vor einer Sitzung nicht, wie abgestimmt wird. "Da ist es schwierig, stringente Politik zu machen und die Stadt voranzubringen."

Finanzdebakel Hessentag

Der Entschluss, einen Schlussstrich unter seine Zeit als Bürgermeister zu ziehen, sei in den letzten zwei Jahren gereift, berichtet Koch - noch vor dem Hessentag 2023, aus dem die Stadt mit einem Defizit von 10,2 Millionen Euro gegangen ist. Auch dafür hat Koch viel Kritik einstecken müssen, die nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sei.

"Natürlich habe auch ich da Fehler gemacht", räumt er ein. Im Nachhinein sei man immer schlauer, und heute würde er manches anders machen. "Aber ich bin definitiv nicht der allein Schuldige." Und der Hessentag an sich sei ein Erfolg gewesen, den man für das Stadtmarketing noch besser hätte nutzen müssen.

Das Finanzdebakel um den Hessentag sollte ein Akteneinsichtsausschuss aufarbeiten. Der Vize-Vorsitzende José Maria Gonzales Iglesias (FGL) warf Koch seinerzeit schlechte Zusammenarbeit vor. Eine Aufarbeitung sei wegen mangelnder Aktenlage nicht möglich. Der Bürgermeister wies das zurück.

Brauerei und Shark City

Dass im öffentlichen Gedächtnis vor allem Fehlschläge haften bleiben, damit müsse man als Politiker leben, meint Koch. So dürften sich neben dem teuren Hessentag viele an den Verlust der Pfungstädter Traditionsbrauerei erinnern. Koch wollte sie gerne in der Stadt halten.

Auf dem Gelände der Brauerei, das heute einer Immobilienfirma gehört, soll eine Wohnsiedlung entstehen. Ein von einer Bürgerinitiative angestrebtes Bürgerbegehren gegen das Bauleitverfahren hatten die Stadtverordneten aus formalen Gründen abgelehnt.

Koch warf den Stadtverordneten damals mangelnden politischen Willen vor, die Brauerei zu retten. Diese wiesen den Vorwurf zurück. Man sei auf die Bürgerinitiative und die Brauerei zugegangen, um nach Lösungen für deren Erhalt zu suchen. Brauereibetreiber Uwe Lauer hatte für eine Koexistenz von Brauerei und Wohnpark auf dem Areal keine Möglichkeit gesehen, ebensowenig für den Weiterbetrieb auf einem anderen Gelände in Pfungstadt.

Auch mit dem Scheitern des geplanten Hai-Aquariums Shark City werde er immer wieder in Verbindung gebracht, beklagt Rathauschef Koch. "Dabei habe ich da nicht eine Entscheidung getroffen." Vielmehr habe er die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung umgesetzt.

Ein Unternehmen aus der Pfalz hatte geplant, in einem Pfungstädter Gewerbegebiet für 20 Millionen Euro "Europas größtes Indoor-Aquarium für Haie" zu bauen. Zu der für 2019 vorgesehenen Eröffnung kam es nie. Nach mehreren Verzögerungen wurde das von Tierschützern stark kritisierte Projekt mit dem Beschluss der Stadtverordneten 2021 ganz beerdigt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Betreiber bereits abgetaucht.

Vergessen werde dagegen schnell, was in seiner Amtszeit an Positivem bewirkt worden sei, bedauert der Bürgermeister. Koch zählt den Bau von Straßen, Kanälen und Wasserleitungen auf. Baugebiete seien ausgewiesen worden. "Der ÖPNV wurde vorangebracht, wir sind Klima-Kommune und Fair-Trade-Stadt, wir bauen den Wald um."

Psychische Belastung durch zwei Prozesse

In einem Statement geht Koch ausführlich auf einen Vorgang ein, der ihn psychisch sehr stark belastet habe, nämlich ein Strafverfahren gegen ihn und seinen Vorgänger Horst Baier (SPD) wegen nicht erhobener Straßenbeiträge. Die Anzeige sei von einem Pfungstädter Anwalt und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung gekommen.

Der angesprochene Anwalt Ralf Krier von den Freien Wählern legt gegenüber dem hr Wert auf die Feststellung, dass sich die Anzeige 2015 nicht gegen Koch, sondern die frühere Stadtregierung und -verwaltung gerichtet habe. Erst die Staatsanwaltschaft habe später die Ermittlungen auf Koch erweitert. Krier selbst sei zudem erst seit 2017 Stadtverordneter.

Das Verfahren wurde laut Koch nach wochenlanger Verhandlung Ende September eingestellt. "Mich hat das mehr belastet, als man sich das vorstellen kann", erzählt der Bürgermeister. Als früherer Kriminalbeamter habe er immer ein rechtschaffener Mensch sein wollen. Und plötzlich finde er sich auf der Anklagebank einer großen Strafkammer wieder.

Rücksicht auf die Familie

In einem anderen Prozess wegen angeblichen Geheimnisverrats während seiner Zeit als Polizist wurde Koch 2021 freigesprochen. Er ist überzeugt: Wäre er nicht mittlerweile Bürgermeister gewesen, hätte die Staatsanwaltschaft niemals so einen großen Prozess angestrengt, es hätte vielleicht nur ein polizeiinternes Disziplinarverfahren gegeben.

"Das ist normal, wenn man in der Öffentlichkeit steht, darüber darf ich mich nicht beschweren." Aber auch seine Familie hätten diese Vorgänge stark belastet. Und die Erfahrungen, die ein Strafverfahren auslöse – und mit denen in der Politik nicht selten gedroht werde – wolle er nie wieder machen. Auch das sei für ihn ein Grund, sich nicht für eine dritte Amtszeit zu bewerben.

Zurück zur Polizei?

Wie es mit ihm weitergehe, wisse er noch nicht, sagt Koch. "Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung." Auf eine Rückkehr in den Polizeidienst habe er keinen rechtlichen Anspruch. Aber er wisse, dass dort Leute gebraucht werden. Das Sofa sei für ihn jedenfalls keine Option. "Das würde meine Frau auch nicht mitmachen."

Und was wird aus Pfungstadt? Genügend Kandidatinnen und Kandidaten für seine Nachfolge würden sich schon finden, teilt Koch nicht ohne Sarkasmus mit. Schließlich gebe es in den Reihen der Stadtverordneten "einige Wortführer, ausgestattet mit dem nötigen Selbstbewusstsein, den stets passenden Antworten und mit kritischen Bemerkungen nicht sparsam umgehend".

"Pfungstadt braucht Neuanfang"

Ein politischer Mensch will er bleiben, als Politiker aktiv sein wird er in Pfungstadt wohl nicht mehr. "Es braucht einen politischen Neustart. Und diesem werde ich nicht im Wege stehen."

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Quelle: hessenschau.de