Kritik an Buschmann-Papier Hessens Justizminister: Unfallflucht darf kein Kavaliersdelikt werden

Nur noch ein Bußgeld, wenn Autofahrer nach einem Blechschaden wegfahren? Die Pläne von Bundesjustizminister Buschmann (FDP) würden nach Ansicht seines hessischen Amtskollegen Poseck (CDU) nur zu noch mehr Unfallfluchten führen.

Unfallflucht Fahrerflucht Beule an Auto
Eine Beule - und vom Täter keine Spur. Ist Wegfahren bald in diesen Fällen nur noch eine Ordnungswidrigkeit? Bild © Imago Images
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Das Bundesjustizministerium hat einem Medienbericht zufolge vor, Unfallflucht ohne Personenschaden nicht mehr als Straftat zu behandeln. Dem derzeit geprüften Vorhaben, mit dem Minister Marco Buschmann (FDP) einer "undifferenzierten Kriminalisierung des Unfallverursachers" begegnen will, kann Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) nicht das Geringste abgewinnen.

Der Vorschlag gehe im Gegenteil in die falsche Richtung, hieß es in einer prompten Reaktion Posecks auf die am Dienstag vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bekanntgemachten Pläne. Hessens Justizminister, der bis zu seiner Berufung in die Landesregierung Präsident des Hessischen Staatsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt war, urteilt: "Die Verkehrsunfallflucht ist auch bei Sachschäden kein Kavaliersdelikt."

Minister: Richter können längst Milde zeigen

Schon heute blieben viele Geschädigte auf ihrem Schaden sitzen. "Es liegt auf der Hand, dass sich bei einer Entkriminalisierung der Verkehrsunfallflucht noch mehr Verkehrsteilnehmer ihren Pflichten entziehen werden", ist sich Poseck sicher.

Das sei auch nicht mit dem Interesse an einer Entlastung der Justiz zu begründen. Zumal es Aufgabe des Staats sei, "die redlichen Verkehrsteilnehmer zu schützen“.

Unionspolitiker Poseck macht gegen den Vorstoß des Liberalen Buschmann auch geltend, dass die Justiz längst speziellen Einzelfällen Rechnung tragen könne. Dann könne eine Strafe gemildert werden oder ganz entfallen.

Roman Poseck (CDU), Justizminister von Hessen
Roman Poseck (CDU), Justizminister von Hessen Bild © picture-alliance/dpa

Bislang ist unerlaubtes Entfernen vom Unfallort eine Straftat, geregelt in Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs. Es kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Unfallbeteiligte müssen eine "angemessene Zeit" am Unfallort warten.

Vorschlag: Meldestelle und Meldepflicht

Als Alternative dazu bringt das Bundesjustizministerium nun im Fall von Sachschäden die Einrichtung einer Meldepflicht und einer Meldestelle ins Spiel. Denkbar wäre demnach eine Meldung über eine standardisierte Onlineseite mit hochzuladenden Fotos vom Unfallort und dem Schaden. Genannt wird auch ein Schadensformular, das ausgefüllt am geschädigten Fahrzeug fixiert werden muss.

An dem Vorhaben, Unfallflucht im Fall von Bagatellschäden zur Ordnungswidrigkeit zu machen, übte auch der Gesamtverband der Versicherer (GDV) Kritik. Eine Neuregelung könne auch Möglichkeiten der Beweissicherung einschränken. Das gelte beispielsweise für die Frage, ob Alkohol oder Drogen mit im Spiel waren.

Richterbund auch skeptisch

Auch der Deutsche Richterbund (DRB) befürchtet, dass durch eine Reform die Bereitschaft weiter sinken könne, selbst verursachte Unfälle zu melden. "Erwägenswert" nannte es DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn aber, die geltende Wartepflicht durch eine Meldepflicht als mögliche Alternative zu ergänzen.

Eine Ministeriumssprecherin versicherte am Dienstag in Berlin, noch sei keine Entscheidung getroffen, ob und wie eine mögliche Reform erfolge. Geprüft werde bisher lediglich, ob Handlungsbedarf bestehe. Es gebe dazu lediglich ein Schreiben der Fachebene des Bundesjustizministeriums an die Landesjustizverwaltungen und Fachverbände.

Marco Buschmann bei einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. (dpa)
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Bild © dpa

Prinzipielle Gründe

Sobald es körperlich Geschädigte gibt, soll es den Plänen zufolge weiterhin stets erforderlich sein, "am Unfallort zu verbleiben und sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben. Dies gelte laut RND in dem Papier aus dem Ministerium Buschmanns "trotz der mit der Selbstanzeige des Unfalls verbundenen Selbstbezichtigung einer gegebenenfalls mitverwirklichten Begleittat" – also etwa einer Trunkenheitsfahrt.

Hintergrund: Die Berliner Pläne über die mögliche "Entkriminalisierung" von Unfallfluchten bei Bagatellschäden werden auch prinzipiell begründet: mit dem Prinzip, dass niemand dafür bestraft werden darf, dass er sich selbst den Folgen eines Deliktes entzieht. Bisher durchbreche der Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs, in dem die Unfallflucht geregelt ist, dieses Prinzip der "Straflosigkeit der Selbstbegünstigung".

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 25.4.2023, 15 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, Wolfgang Türk, dpa/lhe