Minister will Messari-Becker loswerden Prominente kritisieren Mansooris Vorgehen gegen Staatssekretärin
Was haben Ex-Google-Vizepräsident Thrun, die Wirtschaftsweise Schnitzer und der Journalist Kleber gemeinsam? Sie und andere wollen von Hessens SPD-Minister Mansoori genauer wissen, warum er die "hochgeachtete Wissenschaftlerin" Messari-Becker als Staatssekretärin loswerden will.
Am Mittwochvormittag werden die oppositionellen Grünen mit einem 15-Punkte-Fragenkatalog wegen der geplanten Entlassung der parteilosen Wirtschafts-Staatssekretärin Lamia Messari-Becker auf Aufklärung drängen. Dazu kommt der Wirtschaftsausschuss des Landtags in der Sommerpause eigens zusammen.
Vorher hat sich die Jury des "Vordenker Forums" mit Kritik am Vorgehen von SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori zu Wort gemeldet. Das Forum hat die renommierte Bau-Professorin im Mai an der Frankfurter Goethe-Uni als "Vordenkerin 2024" ausgezeichnet.
Die Jury-Mitglieder fordern: Der Minister soll bitte öffentlich erklären, "warum er eine hoch geachtete Wissenschaftlerin mit einem unabhängigen Geist wenige Monate nach Amtsantritt entlassen will".
"Untadeliger Ruf"
Weiter heißt es in der Stellungnahme: Man sei besorgt. Die bislang nur "nebulösen Andeutungen" Mansooris seien geeignet, "den untadeligen Ruf zu beschädigen, den die Vordenkerin als Mensch, als Wissenschaftlerin und als engagierte Bürgerin unseres Landes errungen hat".
Vorsitzender der 14-köpigen Jury ist der österreichische Volkswirtschaftler Gabriel Felbermayr. Er ist nach seiner Zeit als Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (ifW) Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung geworden. Außer ihm haben neun weitere Mitglieder der Vordenker-Jury das Statement unterschrieben.
Zu ihnen gehört etwa der KI-Pionier, Stanford-Professor und Ex-Google-Vizepräsident Sebastian Thrun. Außerdem dabei: Monika Schnitzer, die als eine der Wirtschaftsweisen Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. Auch der Journalist und frühere heute-journal-Chef Claus Kleber sowie die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) machten mit.
Ansprüche des Ministers
Vor eineinhalb Wochen war durchgesickert, dass Mansoori seine Staatsekretärin bereits sechs Monate nach Amtsantritt in den einstweiligen Ruhestand verabschieden will. Nachdem die Plattform Table Media und der hr berichtet hatten, verwies der SPD-Minister in einer Pressemitteilung auf ein "nicht hinnehmbares Fehlverhalten" Messari-Beckers außerhalb der Dienstzeit.
Das Verhalten widerspreche seinen "Werten und Ansprüchen an meine engsten Mitarbeitenden", schrieb er. Genauer wurde er in seinen Vorwürfen aber nicht.
Messari-Becker wehrt sich mit Anwälten
Dem Vernehmen nach wird Messari-Becker vorgeworfen, in einem Elterngespräch an einer Schule ihren Posten als Staatssekretärin ungebührlich ins Spiel gebracht zu haben. Die 51-Jährige, die infolge einer Corona-Erkrankung bereits zu dieser Zeit krankgeschrieben war, bestreitet jegliches Fehlverhalten kategorisch.
Ihre Anwälte fordern nach hr-Informationen daher, der Minister solle Belege für das Fehlverhalten vorlegen und ihnen Akteneinsicht gewähren.
Die Grünen kritisieren in Mansooris Ankündigung der Entlassung "widersprüchliche Erklärungen". Sie argwöhnen, "dass die wahren Gründe andere sind", weil schon länger von "erheblichen Spannungen" an der Spitze des Ministeriums zu hören gewesen sei. Die AfD fragte, ob Messari-Becker sich vielleicht als zu kompetent herausgestellt habe.
Die Konstellation an der Spitze des Wirtschaftsministeriums stellte sich nach hr-Informationen sehr schnell als konfliktträchtig heraus. Auf der einen Seite zwei Politiker mit SPD-Karrieren: der 35-jährigen Mansoori und der 41 Jahre alte Umut Sönmez als sein erster Staatssekretär und Vertrauter. Auf der anderen Seite: die parteilose Seiteneinsteigerin Messari-Becker als Prominenteste in dem Trio. Sie hat sich als Fachfrau für die Energiewende einen Namen gemacht, erhält Einladungen in Talk-Shows, ist Mitglied im Club of Rome.
Jury zitiert Urkunde
Den Mitgliedern der Vordenker-Jury erscheint das Vorgehen von Wirtschaftsminister Mansoori "unverständlich". Sie betonen dabei, sie hätten sich angesichts der Auszeichnung "sorgfältig mit der Preisträgerin, ihrem Lebenslauf, ihrer Persönlichkeit und ihrem Wirken auseinandergesetzt".
Außerdem zitieren sie aus der Urkunde für die "Vordenkerin 2024". Messari-Becker führe "mit Weitsicht und hoher Expertise" die Debatte um neue Denk- und Bauweisen angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit an, heißt es darin. Ihre visionären Ansätze zeichneten sich durch ganzheitlichen Blick aus, sie selbst trete mit mutigem und wegweisendem Vordenken für nachhaltiges und sozialverträgliches Bauen ein.
Ähnlich überschwänglich hatte Mansoori seine Staatssekretärin zu deren Amtsantritt auch gelobt. Er selbst hatte sie von der Uni Siegen in die seit Mitte Januar amtierende schwarz-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gelotst.