Prozess gegen Frankfurter OB "Quid pro quo", schrieb die AWO-Chefin an Feldmann
Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann muss sich seit Dienstag vor Gericht verantworten. Der Vorwurf lautet auf Vorteilsannahme. Zum Auftakt verlas die Staatsanwaltschaft eine Reihe von Textnachrichten der damaligen AWO-Chefin Richter an Feldmann.
Vor dem Frankfurter Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wegen Vorteilsannahme begonnen. Der erste von insgesamt zunächst sechs angesetzten Verhandlungsterminen vor der Wirtschaftsstrafkammer beschränkte sich auf die Verlesung der Anklage.
SMS-Kommunikation verlesen
Die Staatsanwaltschaft wirft Feldmann vor, in mindestens zwei Fällen als Amtsträger unrechtmäßig Vorteile angenommen zu haben. Zum einen geht es um die Anstellung seiner inzwischen von ihm getrennt lebenden Frau Zübeyde Feldmann als Leiterin einer deutsch-türkischen Kita der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Frankfurt. Die Lebensgefährtin des OB erhielt dort nicht nur ein ausgesprochen großzügiges Gehalt, sondern auch einen Dienstwagen.
Feldmann habe seine damalige Lebensgefährtin dem Ehepaar Richter bei einem gemeinsamen Abendessen im Frühjahr 2014 vorgestellt, heißt es in der Anklage. Schnell sei klar geworden, dass Hannelore Richter der damaligen Studentin der Erziehungswissenschaften eine Stelle anbieten würde, die für sie angesichts ihrer Ausbildung und Berufserfahrung nicht angemessen war.
"Da haben wir ja unsere Leiterin!", habe die AWO-Funktionärin erklärt, als sie erfuhr, dass Feldmanns Freundin Türkisch spricht. Zu dem Zeitpunkt wurde die Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte gesucht. Feldmanns damalige Lebensgefährtin habe zu dem Zeitpunkt noch studiert. Sie selbst habe darauf hingewiesen, dass sie nicht qualifiziert sei und stattdessen eine Bekannte für den Job empfohlen. Feldmanns Freundin bot demnach an, als Stellvertreterin der Kita-Leitung einzusteigen, doch letztlich habe sie den lukrativeren Job bekommen - ob auf Beharren der Richters oder Peter Feldmanns, das sei unklar.
"Jetzt bauen wir auf dich"
Nach Ansicht der Anklage verdankt Feldmanns spätere Frau die lukrative Anstellung einzig dem Amt ihres Mannes und seiner langjährigen Verbandelung mit der Frankfurter AWO. Das habe auch Peter Feldmann selbst erkannt.
Weiterhin sollen Mitarbeiter der Frankfurter AWO im Wahlkampf 2018 Spenden für Feldmann geworben haben. Im Gegenzug soll Feldmann sich stillschweigend verpflichtet haben, Anliegen der AWO zu unterstützen.
Wie eng die Beziehungen Feldmanns zur Führungsriege der AWO gewesen sein müssen, lässt sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft aus der SMS-Kommunikation Feldmanns mit der Geschäftsführerin des Wiesbadener Kreisverbandes, Hannelore Richter, ablesen. "Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich", habe Richter, die zusammen mit ihrem Mann Jürgen im Zentrum des AWO-Skandals steht, Feldmann etwa im April 2019 mitgeteilt.
"Quid pro quo"
Hannelore Richter habe sich, so die Staatsanwaltschaft, etwa in einem Konflikt zwischen AWO und Sozialdezernat um zwei AWO-Flüchtlingsheime an den Oberbürgermeister gewandt. "Lieber Peter, wir/ich brauchen deine Hilfe", zitierte der Staatsanwalt am Dienstag aus einer Nachricht an Feldmann. In einem anderen Schreiben habe es geheißen: "Quid pro quo" (Lateinisch, "etwas für etwas"). Umgangssprachlich würde das frei übersetzt werden als: "Eine Hand wäscht die andere."
Feldmanns Anwalt David Hofferbert sieht darin allerdings keinen Hinweis auf eine "Unrechtsvereinbarung" zwischen Feldmann und den damaligen AWO-Funktionären. Wo und wann eine angebliche "stillschweigende Übereinkunft" erzielt worden sei, "steht nirgends geschrieben und haben wir heute auch nicht gehört".
Peter Feldmann will im Prozess aussagen
Der Frankfurter Oberbürgermeister selbst äußerte sich am ersten Verhandlungstag nicht zur Anklage. Gegenüber der Presse erklärte er lediglich, sich eine "faire und unvoreingenommene Klärung" zu wünschen. In einem schriftlichen Statement wies sein Anwalt die erhobenen Vorwürfe jedoch zurück und verwies unter anderem darauf, dass die Staatsanwaltschaft bis Mitte 2020 keine Anzeichen für ein strafwürdiges Verhalten Feldmanns gesehen habe. Zur Anklageerhebung sei es erst nach einem Dezernenten-Wechsel innerhalb der Staatsanwaltschaft gekommen.
Hofferbert hatte gleich zu Beginn der Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt. Begründung: Der Vorsitzende Richter der Kammer sei der Ehemann der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung befürchte, dass er in dem Verfahren womöglich "nicht die gebotene Distanz und Neutralität" habe.
Der Prozess wird am 27. Oktober fortgesetzt. Dann will sich Feldmann persönlich zu der Anklage einlassen.
Am 6. November werden die Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt über eine mögliche Abwahl des Oberbürgermeisters entscheiden.
Ex-AWO-Chef und Feldmanns Frau nicht im Zeugenstand
Klar ist bereits jetzt: Der Frankfurter Ex-Geschäftsführer der AWO und Feldmanns Noch-Ehefrau dürften sich in dem Verfahren nicht äußern. Sie haben bereits über ihre Rechtsanwälte erklären lassen, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen werden. Sie werden nach derzeitigem Stand gar nicht erst als Zeugen geladen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 18.10.2022, 19.30 Uhr
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