Ein Schulfach reicht Quereinsteiger mit Uni-Abschluss sollen leichter Lehrer werden

Um mehr Lehrer zu gewinnen, ändert Hessen die Anforderungen für Quereinsteiger mit Universitätsabschlüssen. Statt zwei Fächern wird nur noch eins gefordert. Die Gewerkschaft sieht weiter Lehrermangel.

Eine Lehrerin schreibt Rechnungen an die Schultafel.
Mehr Lehrerinnen und Lehrer unterrichten im neuen Schuljahr in Hessen. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Wer einen Master, ein Diplom oder einen Magister hat, kann künftig gemäß dem Studiengang und nach erfolgreichem Referendariat durchgängig in einem Schulfach unterrichten – "und zwar als vollwertige Lehrkräfte" und auf dem Weg in eine Verbeamtung. Das sagte Kultusminister Armin Schwarz (CDU) am Freitag zum Start in das neue Schuljahr 2024/25. Nach den Sommerferien geht am Montag die Schule wieder los.

Hessen beschreite damit als eines der ersten Länder einen neuen Weg im Recruiting. "Wir schaffen hier ein attraktives Berufsangebot für alle, die sich die gesellschaftlich wichtige Aufgabe in der Schule gut für sich vorstellen können, aber mit den bisher geforderten zwei Schulfächern nicht die entsprechenden Voraussetzungen erfüllten."

Videobeitrag

Lehrermangel an hessischen Schulen

Elternbeirätin im Interview
Bild © hr
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Recruiting-Hotline des Ministeriums

Neben Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern soll es mit der Reform auch für Lehrkräfte aus dem Ausland mit nur einem studierten Fach leichter sein, "hier in ihrem Beruf Fuß zu fassen".

Interessierte können sich den Angaben zufolge ab kommender Woche über die Kontaktdaten auf der Internetseite des Ministeriums und eine speziell dafür eingerichtete Hotline informieren.

Das Gesetz dafür soll noch in diesem Jahr im Landtag eingebracht werden, wie Schwarz sagte. Nach Angaben der bildungspolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Nina Heidt-Sommer, wollen CDU und SPD am Dienstag über den Entwurf beraten.

Nach Schwarz' Worten arbeiten an den 1.810 öffentlichen Schulen in Hessen mit mehr als 65.000 so viele Lehrkräfte wie noch nie. "Rund 1.000 neue Lehrkräfte mit abgeschlossenem Referendariat beginnen jetzt", sagte Schwarz. Zum neuen Schuljahr seien weitere 600 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer geschaffen worden. Die Zahl der Stellen beläuft sich damit auf 59.560.

Laut dem Statistischen Landesamt waren im vergangenen Schuljahr 43 Prozent der hessischen Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit beschäftigt, 57 Prozent hatten eine Vollzeitstelle. 30 Prozent der Lehrkräfte waren Männer.

29 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in Hessen unterrichteten im vergangenen Schuljahr an Grundschulen, 22 Prozent an Gesamtschulen und 19 Prozent an Gymnasien. An Förderschulen waren 8 Prozent beschäftigt, an Realschulen 4 Prozent und an Hauptschulen nur rund 1 Prozent. An beruflichen Schulen unterrichteten 13 Prozent der Lehrkräfte.

Allerdings hat sich laut Bildungsministerium auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler erhöht – von im vergangenen Schuljahr 793.000 auf nun 810.000 – unter anderem wegen junger Geflüchteter aus der Ukraine.

Als erstes Land bundesweit startet Hessen zum neuen Schuljahr den Schulversuch mit dem Angebot, Ukrainisch als zweite Fremdsprache zu wählen. Begonnen wird an 16 Standorten, gerechnet wird nach Ministeriumsangaben zu Beginn mit fast 200 Anmeldungen.

Mehr Deutschunterricht in der Grundschule

Minister Schwarz verwies darauf, dass an Grundschulen landesweit alle zweiten Klassen eine Stunde mehr Deutsch erhalten. Zugleich werde das Pilotprojekt für eine zusätzliche Deutschstunde in den dritten und vierten Klassen statt einer der beiden Englischstunden fortgeführt.

Derzeit werden mehr als 36.500 geflüchtete und zugewanderte Kinder und Jugendliche in rund 2.100 Intensivklassen unterrichtet. Zwei Stunden des Unterrichts pro Woche sollen in diesen Klassen laut Schwarz ab sofort "für eine Vermittlung der hier geltenden Werte sowie in der Demokratiebildung" absolviert werden.

Schwarz will mehr Demokratiebildung

Wertevermittlung, Demokratiebildung und Gewaltprävention im Unterricht haben laut Schwarz "für die Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler eine besondere Bedeutung". Rechter Hetze, Antisemitismus und Extremismus etwa aus dem islamistischen Bereich müsse auch an den Schulen etwas entgegengesetzt werden. 

Es sei wichtig, sich im Unterricht mit einem respektvollen Umgang untereinander, den demokratischen Werten und der Bedeutung von Meinungsfreiheit zu beschäftigen.

Nach den Worten der SPD-Abgeordneten Heidt-Sommer sollen Schulen und Lehrkräfte beispielsweise durch den Abbau von datenschutzrechtlichen Verpflichtungen, durch mehr Verwaltungskräfte in den Schulen und durch Schuladministratoren für die IT entlastet werden. "Darüber hinaus sehen wir mittelfristig Handlungsbedarf, die Arbeitsbelastung von Lehrkräften zu senken und werden dafür ein Maßnahmenpaket entwickeln", sagte sie.

GEW: Lehrermangel spitzt sich zu

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rechnet unterdessen mit einem sich zuspitzenden Lehrermangel. "Die Zahl der unbesetzten Stellen von Lehrkräften lag bereits im letzten Schuljahr bei knapp 1.000", hatte die Gewerkschaft kürzlich mitgeteilt.

Der Lehrermangel betreffe besonders die Jahrgänge der Klassen 5 bis 10 an Gesamtschulen, außerdem seien berufsbildende Schulen besonders betroffen.

Grüne kritisieren Kürzungen bei Bildung

Auch die Opposition im Landtag moniert einen Lehrermangel. "Dass die neue Landesregierung trotz der angespannten Lehrkräftesituation als eine ihrer ersten Amtshandlungen über 200 Lehrkräftestellen gestrichen hat, sendet das völlig falsche Signal", sagte Daniel May, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion.

Er kritisierte zudem, dass Schwarz-Rot mit dem Nachtragshaushalt erstmals seit vielen Jahren an der Bildung und auch beim Corona-Aufholprogramm kürze. Die Ankündigung von Schwarz', in den Quereinstieg für Ein-Fach-Lehrkräfte einzusteigen, begrüßten die Grünen.

AfD: "Entprofessionalisierung des Lehrerberufs"

Die AfD-Landtagsfraktion bezeichnete die Pläne dagegen als kontraproduktiv. Eine "Öffnung des Beamtenstatus für Hochschulabsolventen ohne pädagogische Qualifikation" leiste der "weiteren Entprofessionalisierung des Lehrerberufs Vorschub", sagte der bildungspolitischer Sprecher Heiko Scholz.

Den Lehrermangel könne man nur mit einer "Aufwertung des grundständigen Lehramtsstudiums durch großzügig ausgestattete Stipendienprogramme gerade in den Mangelfächern" beheben.

Schwarz sieht Hessen bei Rechtsanspruch auf Ganztag im Plan

Die FDP-Landtagsfraktion erklärte, die soziale Herkunft sei weiterhin der entscheidende Faktor für den Bildungserfolg in Hessen. "Der Lehrkräftemangel kann bei Schülern mit einer sozial schwachen Herkunft diese Situation weiter verschärfen."

Zudem könne künftig auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen, der bundesweit von 2026 an stufenweise kommen soll, den Lehrermangel zusätzlich vergrößern.

Für die Grundschule gilt eine Zielsetzung, dass bis zum Schuljahresbeginn 2029/2030 jedem Kind ein ganztägiges Förderangebot bereitgestellt werden kann. Damit sei Hessen im Plan, betonte Schwarz. Grünen-Abgeordneter May sagte, nach Aussage des Kultusministers habe zuletzt noch eine Lücke von etwa 33.000 Plätzen zur Umsetzung des Rechtsanspruchs bestanden.

Lehrer-Fortbildungen zu KI

Nach Angaben des Kultusministerium ist die Zahl der ganztägig arbeitenden Schulen auf 83 Prozent gewachsen. Das Land setze zum neuen Schuljahr mehr als 5.000 Stellen für den Ausbau der Ganztagsangebote ein. "Mehr als 300 Schulen werden ihre Profile erweitern, anpassen oder erstmals Ganztagsangebote bereitstellen", sagte Schwarz.

Laut FDP sollen mit Entbürokratisierung und digitalen Hilfsmitteln Lehrerinnen und Lehrer mehr entlastet werden. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) könne hier helfen. Schwarz sagte, die Anwendung von KI in Schulen solle gestärkt werden, unter anderem mit Fortbildungen für Lehrkräfte zur "pädagogischen und rechtlichen Hilfestellung".

Redaktion: Clarice Wolter

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe