Reaktionen auf Faesers Spitzenkandidatur Wenig Überraschung, viel Skepsis
Als Bundesinnenministerin für den hessischen Landtag kandidieren - geht das gut? Fast alle Landtagsparteien reagieren skeptisch darauf, dass Nancy Faeser mit ihrer Spitzenkandidatur für die Hessen-SPD eine Doppelrolle einnehmen will. Rückhalt gibt es aus der eigenen Partei.
Kaum berichten die ersten Medien über die Entscheidung von Nancy Faeser, als Spitzenkandidatin für die SPD bei der hessischen Landtagswahl anzutreten, reagieren die hessischen Parteien und Landtagsfraktionen - denn überraschend sei der Schritt nicht gewesen, so der Tenor. Von allen Parteien außer der SPD kamen am Donnerstag in Wiesbaden skeptische und ablehnende Äußerungen.
Grüne: "Verkündet, was eh schon alle wussten"
Die "Hessen-SPD verkündet nach einem Jahr, was eh schon alle wussten", hieß es von der Landtagsfraktion der Grünen. "Nancy Faeser hat wenig überraschend dem Druck aus ihrer eigenen Partei nachgegeben", sagte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner. Es stelle sich jedoch die Frage: "Wie will die SPD in Zeiten wie diesen eine Regierung anführen, wenn sie schon für die Nominierung ihrer eigenen Spitzenkandidatin monatelang braucht?"
CDU: "Anspruchsvolle Doppelfunktion"
Ähnlich lautet die Reaktion der CDU: Die Entscheidung sei "keine Überraschung". Die "Doppelfunktion als Bundesinnenministerin und Listenführerin der hessischen SPD" werde jedoch "anspruchsvoll" sein, sagte der Generalsekretär der CDU Hessen, Manfred Pentz.
"Eine Vielzahl von negativen Schlagzeilen" begleite Faeser, seit sie das Amt der Bundesinnenministerin angetreten habe, sagte Pentz. "Wie dies nun auch noch mit einem Wahlkampf in Hessen in Einklang gebracht werden soll, erschließt sich mir gar nicht."
FDP: "Rückfahrschein nach Berlin gelöst"
Aus Sicht des liberalen Spitzenkandidaten Stefan Naas hat Faeser sich nicht klar entschieden und "vorsichtshalber einen Rückfahrschein nach Berlin gelöst". Damit bezog er sich auf ihre Ankündigung, auch dann Bundesinnenministerin zu bleiben, wenn sie nicht hessische Ministerpräsidentin werden sollte. Naas sagte, er bezweifle außerdem, "dass das so wichtige Amt in Berlin nicht unter dem Spagat leidet."
Linke: "Faeser nicht konsequent genug im Kampf gegen Rechts"
Der Landesvorsitzende der Linken in Hessen, Jakob Migenda, gratulierte Faeser zu ihrer Kandidatur, zeigte sich jedoch ebenfalls skeptisch hinsichtlich der geplanten Doppelrolle. "Das Amt als Bundesinnenministerin ist kein Teilzeit-Job", sagte er. Von Berlin aus seien die Nöte der Hessinnen und Hessen zu weit weg.
Die Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Elisabeth Kula, kritisierte zudem, dass Faeser sich nicht konsequent genug im Kampf gegen Rechtsextremismus gezeigt habe.
AfD: "Faeser disqualifiziert sich"
Kritik an der Entscheidung kam auch aus der AfD. "Mit ihrer Ankündigung disqualifiziert sich Ministerin Faeser entweder als Spitzenkandidatin oder als Bundesinnenministerin", sagte der Fraktionsvorsitzende Robert Lambrou. Ihre bisherigen Aufgaben bewältige sie ohnehin "eher schlecht als recht", sagte er.
Rückhalt aus eigener Partei
Faeser sei "die Richtige für den Politikwechsel in Hessen", hieß es derweil aus der eigenen Partei. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Günter Rudolph, bezeichnete Faeser als "kluge, empathische und politisch erfahrende Frau". Sie genieße "die denkbar größte Unterstützung aller SPD-Abgeordneten im Hessischen Landtag", sagte er.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich am Donnerstag während seines Besuchs in Hessen zur Spitzenkandidatur Faesers. Sie sei eine "sehr, sehr pflichtbewusste Frau", über die er sagen könne: "Sie wird jeden Tag alles tun für die Aufgabe, die sie hat." Als Ministerin sei sie hochprofessionell und leiste großartige Arbeit. Er verwies darauf, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Amtsinhaber als Spitzenkandidaten Wahlkampf machen.
Hessische Jusos unterstützen Faeser
Die Landesvorsitzende der Jusos Hessen, Sophie Frühwald, sprach Faeser auf dem Hessen-Gipfel in Friedewald am Freitag ebenfalls die Unterstützung der Jugendorganisation in der Partei aus - "weil sie Hessen unglaublich gut kennt und das Land liebt und schätzt".
Zwar habe Faeser als Innenministerin in der Vergangenheit bei einzelnen Aussagen eine "andere Schlagrichtung" getroffen, als man sie sich bei den Jusos gewünscht hätte. Den Vorwurf, dass Faeser sich mit der Doppelrolle übernehme, könne sie aber nicht nachvollziehen, sagte Frühwald. "Vor allem kommt diese Kritik von vielen Männern, die das bei eigenen Leuten nie bemängeln."
Polizeigewerkschafter sieht Kandidatur skeptisch
Der Zuständige für die Bundespolizei bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, äußerte sich skeptisch zu Faesers Kandidatur. "Wir haben wegen des Ukraine-Krieges und der Migration eine politisch sehr schwierige Situation", sagte Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es sei eine "spannende Frage, ob Frau Faeser ihr Amt als Spitzenkandidatin noch so ausfüllen kann, wie man es von einer Innenministerin erwartet", sagte er.
Sendung: hr-iNFO, 02.02.2023, 20 Uhr
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