Rechnungshof Viele Kommunen trotz Rekordeinnahmen defizitär

Die Mehrheit der hessischen Kommunen hat das Jahr 2023 mit einem Minus abgeschlossen. Der Rechnungshof spricht vom schlechtesten Ergebnis seit zehn Jahren. Er schlägt mehr Zusammenarbeit vor - und stellt "liebgewonnene Standards" infrage.

Schild mit der Aufschrift "Hessischer Rechnungshof", darüber ein Hessenwappen, vor einem Gebäude.
Der Hessische Rechnungshof in Darmstadt. (Archivfoto) Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Die finanziellen Spielräume der Gemeinden verengen sich immer mehr. Zugleich leiden sie unter dem "fortschreitenden Fachkräftemangel", wie der Landesrechnungshof bei der Vorstellung seines Kommunalberichts 2024 am Freitag mitteilte.

Als eine Lösung schlug der Rechnungshof mehr Zusammenarbeit auch von nicht benachbarten Kommunen vor - über digitale Kommunikationswege. Dies könne zum Beispiel beim Finanzmanagement effektiv sein.

"Schlechtestes Ergebnis seit 2013"

Nachdem die Gemeinden im Land "das Jahr 2022 insgesamt noch mit einem  Finanzierungsüberschuss in Höhe von 41 Millionen Euro abgeschlossen hatten, hat sich  der Finanzierungssaldo im Jahr 2023 über alle Kommunen hinweg auf minus 694 Millionen  Euro verschlechtert", erläuterte der Rechnungshof mit Sitz in Darmstadt. "Dies ist das schlechteste Ergebnis seit 2013."

Seit 2015 habe es jedes Jahr mehr Kommunen mit Überschüssen als solche mit Defiziten beim Finanzierungssaldo gegeben. "Dies hat sich im letzten Jahr geändert. Im Jahr 2023 konnte nur noch weniger als die Hälfte der hessischen Kommunen (44,5 Prozent) einen Finanzierungsüberschuss aufweisen", hieß es weiter. 

Schwimmbäder mit hohen laufenden Kosten

Rechnungshofpräsident Walter Wallmann betonte: "2023 erzielten nur noch 197 der 443 hessischen Kommunen einen Überschuss." Das sei auch ein strukturelles Problem: "Hier wirken sich sowohl die aktuelle Gesamtsituation in Deutschland als auch die in der Vergangenheit gesetzten und liebgewonnenen Standards aus." Damit bezog Wallmann sich auf die Rezession in der Republik und auf kommunale Ausstattungen wie etwa Schwimmbäder mit hohen laufenden Kosten.

Die Schulden der kommunalen Kernhaushalte stiegen laut Rechnungshof 2023 im Vergleich zu 2022 um 691 Millionen auf 15,2 Milliarden Euro. In ausgelagerten Bereichen der Gemeinden gab es im vergangenen Jahr 40,5 Milliarden Euro weitere Schulden. Insgesamt betrugen diese also fast 56 Milliarden Euro.

Hinzu kamen "Eventualverbindlichkeiten" wie aus Bürgschaften und kreditähnlichen Rechtsgeschäften von 4,2 Milliarden Euro. "Wie bei einem Eisberg sind die größten Teile der kommunalen Schulden auf den ersten Blick gar nicht sichtbar", hieß es.

Kein Einnahme-, sondern Ausgabenproblem

Insgesamt gebe es kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem: "Die Einnahmen der hessischen Kommunen sind in den letzten zehn Jahren konstant gestiegen und haben sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. Im letzten Jahr betrugen sie insgesamt über 31 Milliarden Euro." Allerdings halfen hier auch die Einnahmen der Gewerbesteuer, die sehr schwanken können.

Zugleich stiegen die kommunalen Ausgaben noch stärker als die Einnahmen. Sie erhöhten sich von 28,1 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 32,1 Milliarden Euro 2023. Die drei größten Posten waren das Personal mit 8,5 Milliarden Euro, die laufenden  Sachausgaben mit 8,1 Milliarden und Sozialleistungen mit 7,5 Milliarden Euro. "Insgesamt hatte Hessen mit rund 5.000 Euro bei den Ausgaben den zweithöchsten Pro-Kopf-Wert im Vergleich aller Flächenländer", erklärte die Kontrollbehörde.

Rundungsdifferenz: fünf Cent, Arbeitsaufwand: 1.000 Euro

Sie kritisierte sie eine ausufernde Bürokratie bei Förderungen. Poppenhausen (Fulda) etwa sollte laut Schlussrechnung 201.708,36 Euro für die Erneuerung von Wegen bekommen. Infolge einer softwarebedingten Rundungsdifferenz von fünf Cent musste die Rechnung korrigiert werden. Arbeitsaufwand nach Schätzung der Kommune alleine in ihrer Verwaltung: circa 1.000 Euro. Für den Bau einer Blockhütte beantragte Poppenhausen zudem Geld für Tische und Sitzbänke. Bewilligt wurden zwar Mittel für Bänke - nicht aber für Tische.

Die Kontrollbehörde nannte auch positive Beispiele, beispielsweise das Projekt "Bürgerservice 24/7" in Nidderau (Main-Kinzig). Terminals im Stadtgebiet ermöglichen es rund um die Uhr, etwa Führungszeugnisse oder Meldebescheinigungen zu beantragen. An einer Station vor dem Rathaus können sogar angeforderte Dokumente abgeholt werden. 

"Nicht erfüllbare Personalstandards" bei Kitas

Der Rechnungshof nahm zudem kommunale Krankenhäuser unter die Lupe - elf Jahre nach seinem ersten Klinikbericht. Die damals schon angespannte wirtschaftliche Situation habe sich zur Krisenlage weiterentwickelt: "Die Defizite und die Verschuldung steigen weiter an." Zur 2013 empfohlenen engeren Abstimmung von Kliniken vor allem im Ballungsraum sei es nur ansatzweise gekommen.

"Das Kirchturmdenken hält weiter an", kritisierte Wallmann. Bei befolgten Empfehlungen des Jahres 2013 hätten die kommunalen Krankenhäuser in Hessen bis heute schätzungsweise eine Milliarde Euro sparen können.

Der Hessische Städte- und Gemeindebund sprach mit Blick auf die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs von "Rückenwind für die Forderung der Kommunen nach einer ihren Aufgaben entsprechenden Finanzausstattung. Denn anders als Private haben Kommunen ihre Aufgaben ganz überwiegend aufgrund gesetzlicher Vorgaben des Landes und des Bundes zu erfüllen". Dazu zählten auch Vorgaben für "nicht erfüllbare Personalstandards" bei Kitas.

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Quelle: dpa/lhe