hr-Sommerinterview Ministerpräsident Rhein: Hessen prüft Hilfen für VW-Konzern

Mit Blick auf das Werk Baunatal schließt CDU-Ministerpräsident Rhein Landesgelder für den kriselnden VW-Konzern nicht aus. Das müsse geprüft werden, sagte er im hr-Sommerinterview. Die angekündigte Bezahlkarte für Flüchtlinge in Hessen komme verspätet, aber sie komme.

CDU-Ministerpräsident Boris Rhein im hr-Sommerinterview mit den hr-Moderatorinnen Ute Wellstein und Sandra Müller (l.)
CDU-Ministerpräsident Boris Rhein im hr-Sommerinterview mit den hr-Moderatorinnen Ute Wellstein und Sandra Müller (l.) Bild © Benjamin Holler, hr
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Angesichts drohender Folgen der Sparpläne des VW-Konzerns für den Standort in Baunatal (Kassel) hält Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) auch Subventionen für denkbar. Der Fall zeige, dass die Wirtschaft insgesamt "wund sei", sagte er und fügte hinzu: "Deshalb müssen wir wie sonst noch nie zuvor darüber reden, ob wir an der einen oder anderen Stelle unterstützen müssen."

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Boris Rhein (CDU) im Sommerinterview 2024
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Rhein betonte, es stellten sich schwierige Fragen; noch sei es zu früh für Festlegungen. Die Landesregierung sei in engem Austausch mit dem VW-Management und der Belegschaft. Sie werde genau schauen, "was wir tun können". Dabei brachte der Ministerpräsident den im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarten Hessenfonds ins Spiel. Dieser Fonds ist zur Förderung der Wirtschaft bei Umstellungen infolge von Energiewende und Digitalisierung gedacht.

Europas größter Autobauer hat wegen weiter sinkender Verkaufszahlen angekündigt, den Sparkurs zu verschärfen. Neben betriebsbedingten Kündigungen seien auch Werksschließungen nicht ausgeschlossen. Mit 15.000 Beschäftigten ist das Werk in Baunatal das zweitgrößte in Deutschland.

Unterstützung für Merz-Ultimatum

Nach den Wahlen im Osten müsse die Migrationspolitik nun schnell geändert werden, forderte Rhein außerdem. Die CDU habe der Bundesregierung die Hand gereicht.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte der Ampelregierung in Berlin ein Ultimatum bis Dienstag gestellt, den "unkontrollierten Zuzug an den Grenzen" zu stoppen. Rhein unterstützte die Forderung. "Es liegt alles auf dem Tisch", sagte er.

Die Bundesregierung müsse nun einen Gesetzentwurf einbringen, bestenfalls wie von Merz gefordert am Dienstag. "Und dann hat sie sofort die Mehrheit im Deutschen Bundestag, um das umzusetzen", meinte der Ministerpräsident.

Das sagte Rhein außerdem zu:

  • Negativfolgen von mehr Grenzkontrollen: Solange die europäischen Außengrenzen nicht vor "ungezügelter Einwanderung" geschützt seien, seien mehr Kontrollen an den deutschen Außengrenzen nötig. "Freude macht das gar niemandem", sagte Rhein zu der CDU-Forderung. Lange Staus oder Störungen für den Wirtschaftsverkehr werde es deshalb aber nicht geben. Das zeigten die Erfahrungen mit laufenden Kontrollen wie denen an der Grenze zu Österreich.
  • der Verspätung bei der Bezahlkarte: Dass die von ihm für diesen Sommer angekündigte Bezahlkarte für Flüchtlinge in Hessen noch nicht eingeführt wurde, erklärte Rhein mit Verzögerungen im Vergabeverfahren. "Politisch, organisatorisch und insbesondere verwaltungsmäßig haben wir alles auf Start geschaltet", sagte er. Das noch laufende Verfahren sei aus seiner Sicht unnötig. Nun müsse man die "kleine Geduld" noch haben. Ausschlaggebend sei, dass die Bezahlkarte komme.
  • den Landtagswahlergebnissen im Osten: Sie hätten gezeigt, "die Ampel ist fertig, vollständig fertig". Dass AfD, BSW und Linke zusammengerechnet zum Teil auf mehr als 60 Prozent gekommen seien, zeige, es gebe "mehr und mehr ein Demokratieproblem". Letztes Bollwerk sei die Union.
  • CDU-Bündnissen mit der Wagenknecht-Partei: Die schloss er in Sachsen und Thüringen nicht aus. Denn unter Demokraten ließen sich kaum mehr Koalitionen bilden. In dieser Lage stehe die CDU in der Verantwortung zu klären, wie die Länder "aus der Mitte heraus" regiert werden könnten. Unbehagen in den eigenen Reihen über das BSW könne er nachvollziehen. Man müsse sich dessen Ziele und Politiker anschauen. Aber die CDU könne sich "jetzt nicht zurücklehnen".
  • dem Ampel-Bashing: Rhein verteidigte seine seit Monaten anhaltende Schelte auf die Ampel, weil sie schuld an den Problemen im Land sei. Es sei aber klar, dass SPD, Grüne und FDP "Demokraten sind, mit denen wir auch zusammenarbeiten". Das sei der "massive Unterschied" zur AfD. Beim politischen Gillamoos-Frühschoppen mit CSU-Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag hatte Rhein 17 Mal auf die Ampel geschimpft, die AfD dagegen nur einmal genannt.
  • Schwächen der Union: Auch dass laut aktuellem ARD-DeutschlandTrend die Hälfte der Bürger CDU/CSU keine bessere Politik als die der Ampel zutraut, schrieb Rhein der Bundesregierung zu. Sie sei für einen allgemeinen Verdruss verantwortlich. Die Union stehe bei 33 Prozent, das sei "schon ordentlich". Das liege daran, dass sie unter Merz bei der Migration und anderen Themen einen Paradigmenwechsel vollzogen habe.
  • der Entlassungsaffäre: Rhein will die Fragen von Grünen und FDP zu Ungereimtheiten bei der Versetzung von Wirtschaftsstaatssekretärin Lamia Messari-Becker in den einstweiligen Ruhestand in der gesetzten Frist bis Montag beantworten. Er sprach von einem bedauerlichen, aber "ganz normalen Vorgang". Auf die Frage, warum sein Vize-Regierungschef Kaweh Mansoori (SPD) der Betroffenen öffentlich "nicht hinnehmbares Fehlverhalten" vorgeworfen hat, verwies Rhein indirekt auf Mansoori. Das sei eine Frage, "die Sie mit mir eigentlich nicht besprechen können". Messari-Becker bestreitet den Vorwurf kategorisch. Der Experte für Beamtenrecht Thorsten Masuch hält Mansooris öffentliche Anschuldigung für einen Verstoß gegen dessen Fürsorgepflicht.

Boris Rhein ist seit 2022 hessischer Ministerpräsident und Landeschef der CDU. Bei der jüngsten Landtagswahl im Herbst des vergangenen Jahres wurde die Union unter seiner Führung mit 34,6 Prozent die mit Abstand stärkste Kraft. Rhein beendete die zehnjährige Koalition mit den Grünen und regiert seit Anfang dieses Jahres mit der SPD als Juniorpartnerin.

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hr-Sommerinterviews

Die hr-Sommerinterviews sind jeweils samstags um 14.05 Uhr in hr-iNFO zu hören. Außerdem sind sie um 17.20 Uhr im hr-fernsehen und als Zusammenfassung um 19.30 Uhr in der hessenschau zu sehen, sowie in der ARD-Mediathek

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Das Interview führten Ute Wellstein und Sandra Müller.

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Redaktion: Wolfgang Türk

Sendung: hr-fernsehen, hr Sommerinterview,

Quelle: hessenschau.de