Gemeinsamer Abschlussbericht unsicher Ringen um Konsens im Hanau-Untersuchungsausschuss

Die Sicherheitsbehörden hätten den rassistischen Anschlag von Hanau nicht verhindern können. So steht es im Entwurf des Abschlussberichts. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Bei anderen Punkten gibt es Streit.

Zwei Polizisten stehen in einem Hauseingang, der mit rot-weißem Flatterband abgesperrt ist.
Polizisten sichern einen der Tatorte in Hanau ab. Bild © picture-alliance/dpa
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Jetzt geht es an die Feinarbeit und jede Formulierung: Seit zwei Jahren versuchen die Abgeordneten im Hanau-Untersuchungsausschuss, mögliches Behördenversagen rund um den rassistischen Anschlag mit neun Toten im Februar 2020 aufzuklären. Am Mittwoch wurde der schwarz-grüne Entwurf für einen Abschlussbericht eingebracht. Er benennt, wo Behörden nachlässig gehandelt haben.

Die Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises und die Stadt Hanau als Ordnungsbehörde stehen in der Kritik. Erstere hatte die Waffenakte des Täters nur lückenhaft geführt, zweitere hatte einen Notausgang am zweiten Tatort nicht ausreichend kontrolliert. Sie war am Tatabend verschlossen - so wurde die Arena-Bar zur tödlichen Falle.

SPD-geführte Behörden in der Kritik

Beide Behörden werden von SPD-Politikern verantwortet. Die Kritik im Berichtsentwurf ist scharf wie deutlich. Auch der am Tatabend schlecht erreichbare Notruf steht in der Kritik. Verantwortlich dafür ist die Polizei im Präsidium Südosthessen.

Statt den Polizeipräsidenten und gar den Innenminister Peter Beuth (CDU) als Verantwortlichen zu benennen, bleibt der Berichtsentwurf in diesem Punkt aber im Allgemeinen. Das stößt SPD und Linken besonders sauer auf. Der Vorwurf: CDU-Berichterstatter Michael Ruhl will eigene Parteifreunde schützen.

Linke: Persilschein für CDU-Innenministerium

Linken-Obfrau Saadet Sönmez wirft Ruhl vor: "Der Bericht hinkt meilenweit der tatsächlichen Aufklärungsarbeit des Ausschusses hinterher." Innenminister Beuth werde "mit Samthandschuhen angefasst".

Der Entwurf sei daher ein Affront gegen die Überlebenden und Hinterbliebenen. Man ziehe andere Schlussfolgerungen und werde Änderungsanträge einreichen, kündigte Sönmez an. Konkret fordert die Linke eine polizei-interne Aufarbeitung des früher schwer erreichbaren Notrufs sowie eine offizielle Entschuldigung bei den Angehörigen.

Auch Heike Hofmann (SPD) hält die Chancen für einen gemeinsamen Bericht für gering. Das Ziel aber solle sein, "dass wir in nennenswerten Teilen zusammenkommen", versichert sie. Für Teilbereiche kündigt Hofmann Sondervoten an, also eigene Kapitel und Schlussfolgerungen.

AfD stört sich an einem Satz

Die AfD würde den schwarz-grünen Entwurf mittragen. Sie stört sich an einem Satz im Vorwort. Nach einem Bekenntnis gegen Extremismus, Intoleranz, Rassismus und Gewalt heißt es dort wörtlich: "Wir sehen mit Sorge, dass es auch in den Parlamenten eine politische Partei gibt, die diese Grundprinzipien (…) in Frage stellt."

Würde dieser Satz gestrichen werden, würde die AfD dem Bericht zustimmen, sagt ihr Obmann Dirk Gaw. Er versicherte dem hr, seine Partei würde genauso hinter dem anfänglichen Bekenntnis im Vorwort stehen.

CDU: Liegen nicht weit auseinander

CDU-Obmann Michael Müller kann sich einen weitgehend gemeinsamen Bericht vorstellen: "In vielen Fragen liegen wir nicht weit voneinander." Nun müsse man die Frage klären, "wie wir denjenigen entgegenkommen, die eine andere Position beziehen".

Auf die Frage, warum Innenminister Beuth im Entwurf nicht deutlicher in die Verantwortung genommen wird, sagt Müller, "dass nicht alles auf die Ministeriumsebene" geschoben werden könne.

Stephan Grüger (SPD) will als Vorsitzender des Ausschusses eine möglichst große Gemeinsamkeit herstellen, wie er sagt. Derzeit feilen die Referenten der Fraktionen an Formulierungen und beraten über Änderungsanträge.

Ausschussvorsitzender: Stellenweise großer Korrekturbedarf

Am 17. November soll der finale Bericht dann beraten werden. Grüger sagt: "Es gibt Bereiche, wo richtig miteinander gerungen werden muss."

Vor allem in Textabschnitten um Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) "ist noch mal zu reden", wie sein Parteifreund findet. Gemeint ist die Stelle im Entwurf, die Kaminsky die Verantwortung für den verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar zuschreibt.

Grüger hofft, mehrere parallele Abschlussberichte vermeiden zu können. Am Ende soll der Bericht eine Handreichung für die neue Landesregierung sein, um Dinge besser zu machen, so Grüger: "Man kann nicht verhindern, dass jemand irre wird und um sich schießt, aber natürlich können viele behördliche Verfahren darum herum verbessert werden."

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Sendung: hr-iNFO, 01.11.2023, 17 Uhr

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Quelle: hessenschau.de