Opposition sorgt sich um Ganztagsbetreuung Schulstart mit deutlich mehr Schülerinnen und Schülern

Mehr Schüler, mehr Lehrerstellen, mehr Ganztag: Kultusminister Lorz (CDU) hat Zahlen für das neue Schuljahr vorgestellt und von Herausforderungen gesprochen. Für die Opposition bleibt die Bildungspolitik der Landesregierung mangelhaft.

Das Wort "Willkommen" in mehreren Sprachen an der Tür eines Klassenzimmers.
"Willkommen" in mehreren Sprache an der Tür eines Klassenzimmers einer Grundschule in Wiesbaden. Bild © picture-alliance/dpa
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Kurz vor dem Start ins neue Schuljahr am Montag hat Kultusminister Alexander Lorz (CDU) am Freitag über aktuelle Zahlen und Neuerungen informiert.

Demnach steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler an 1.804 öffentlichen allgemeinbildenden, beruflichen und Erwachsenenschulen deutlich, und zwar um 16.000 auf 798.000.

Ein Grund für das Plus sind unter anderem wachsende Zahlen bei Geflüchteten unter anderem aus der Ukraine. 60.900 Kinder starten in die erste Klasse, 3.700 mehr als zum letzten Schuljahr. Vor rund zehn Jahren hatte die Zahl der Kinder in den ersten Klassen noch um rund 10.000 niedriger gelegen.

3.300 neue Stellen für Lehrer

Der Bildungsetat steige auf ein Rekordhoch, sagte Lorz. Er liegt demnach in diesem Jahr knapp unter fünf Milliarden Euro, im Jahr 2024 erreicht er eine Höhe von 5,1 Milliarden Euro. Zudem gebe es dank 3.300 neuer Stellen für Lehrerinnen und Lehrer im Haushalt 2023 in diesem Schuljahr "mit voraussichtlich mehr als 64.000 Lehrkräften so viele wie noch nie".

Seit 2014 sei die Zahl der Stellen kontinuierlich um rund 8.500 auf jetzt fast 59.000 Stellen gestiegen. Hessen stehe im Vergleich mit anderen Ländern zwar gut da, betonte Lorz. Er sagte aber auch, dass die Suche nach neuen Lehrern wegen des demografischen Wandels schwierig sei.

Derzeit werde etwa im Bereich der Sprachförderung noch rekrutiert. Dort müsse an den Schulen teils überbrückt werden. Der Grundunterricht, für den 39.490 Stellen eingeplant sind, sei allerdings gesichert, betonte der Minister.

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Schulstart für 798.000 Kinder und Jugendliche

Lehrer am Tisch
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Noch nie so viele geflüchtete Kinder in Schulen

Eine weitere Herausforderung ist die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher. "Noch nie – auch nicht während der Flüchtlingswelle der Jahre 2015 und 2016 – kamen in so kurzer Zeit so viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche nach Hessen wie im vergangenen Schuljahr", betonte Lorz.

Auch noch nie waren so viele Schülerinnen und Schüler in Intensivmaßnahmen zum Deutschlernen: Im vergangenen Schuljahr wurden an Hessens Schulen mehr als 35.900 zugewanderte und geflüchtete Kinder und Jugendliche aus anderen Herkunftsländern in Intensivklassen unterrichtet.

Verpflichtende Deutschkurse ein Jahr vor Einschulung

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind demnach allein 16.100 von dort geflohene Kinder und Jugendliche in den hessischen Schulen aufgenommen worden. Die Prognose für dieses Schuljahr sieht laut Lorz rund 30.000 Schülerinnen und Schüler in Intensivklassen vor, darunter rund 13.500 aus der Ukraine.

Zur Deutschförderung für Kinder im Vorschulalter sagte Lorz, Hessen sei "deutschlandweit Vorreiter mit verpflichtenden Deutschkursen ein Jahr vor der Einschulung für alle Kinder, die Sprachdefizite aufweisen". Etwa 19.000 Kinder werden dieses Jahr daran teilnehmen, nach 17.500 im Schuljahr 2022/2023.

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Das Elterntelefon zum Schulstart

Das Kultusministerium und die Schulämter bieten zum Start des neuen Schuljahres eine Beratung an Elterntelefonen an. In den ersten Tagen nach den Sommerferien gebe es üblicherweise die meisten Anfragen zur Schule und zu den Bildungsangeboten, erläuterte Lorz.

In den ersten beiden Schulwochen vom 4. bis 15. September stehen montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 16 Uhr sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulämter als auch Ansprechpartner des Ministeriums zur Verfügung. Die zentrale Rufnummer lautet 0611 3686000.

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"Drei Viertel der Grundschulen mit Ganztagsprogramm"

Im neuen Schuljahr werde der Ganztagsausbau der Schulen vorangetrieben, sagte Lorz. Er nannte in diesem Zusammenhang 350 zusätzliche Lehrerstellen. Rund 500 Schulen erweiterten ihr Angebotsprofil, passten es an oder hätten erstmals Ganztagsangebote.

"Nahezu drei Viertel der Grundschulen arbeiten inzwischen in einem Ganztagsprogramm", betonte der Minister. Auf den vom Schuljahr 2026/2027 an schrittweise startenden Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter sei Hessen vorbereitet.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: GEW fordert Investitionen

Dieser Rechtsanspruch greift schrittweise und gilt ab 2029 für alle vier Klassen der Grundschulen. Das Land Hessen prüft nach eigenen Angaben den künftigen Bedarf der Ganztagsbetreuung.

Um den Rechtsanspruch in Hessen zu erfüllen, sind nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom März erheblich mehr Investitionen nötig als bisher geplant. Es seien Zehntausende zusätzliche Plätze und Tausende weitere Fachkräfte für die Ganztagsbetreuung von Grundschülern nötig. Auch baulich müssten die Schulen umgestaltet werden, um ein qualitativ hochwertiges Angebot sicher zu stellen.

Die GEW demonstrierte am Freitag vor dem Ministerium.

SPD moniert "mangelhafte Vorbereitung"

Die SPD bezeichnete die "mangelhafte Vorbereitung auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung" am Freitag als eines von drei "großen Problemfeldern". Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, kritisierte: "Viel Zeit ist nicht und die von uns geforderte Analyse zum Bedarf an Betreuungsplätzen und den Kosten der Städte und Kreise liegt immer noch nicht vor."

Vielen Kommunen fehlen Degen zufolge auch wegen des enormen Investitionsstaus die Mittel für den Ganztagsausbau.

Die weiteren Probleme seien die "schleppende Digitalisierung" und "chronische Lehrkräftemangel". Derzeit seien in Hessen mindestens 1.000 Stellen von Lehrkräften gar nicht besetzt, 10.000 Personen würden als Vertretungslehrkräfte eingesetzt, obwohl sie über keinerlei Lehrbefähigung verfügten.

Linke: Unterrichtsausfall an jeder Schule an der Tagesordnung

Die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Elisabeth Kula, sagte: "Die Bilanz eines Jahrzehnts Schulpolitik unter Kultusminister Lorz ist mehr als ernüchternd." Der Ausbau echter Ganztagsschulen sei gescheitert, "nicht einmal zwei Prozent aller Grundschulen sind wirkliche Ganztagsschulen nach Profil 3".

Der Pakt für den Ganztag sei "eine Mogelpackung ohne Qualitätsstandards". Kula betonte: "Unterrichtsausfall und Lehrkräftemangel sind an jeder Schule an der Tagesordnung". Da helfe auch die Schaffung von nicht zu besetzenden Lehrstellen nichts.

FDP bezeichnet "Digitale Welt" als "Fake-Fach"

Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Moritz Promny, forderte, der Unterricht an Hessens Schulen müsse digitaler und moderner werden "und die informatische Bildung muss gestärkt werden". Der Schulversuch "Digitale Welt" bleibe ein "Fake-Fach", kritisierte Promny.

Enttäuscht zeigte er sich auch von Lorz' Aussagen zur Lehrkräfteversorgung. "Nicht umsonst spricht er schließlich von geschaffenen Stellen, aber nicht von der Zahl an Lehrkräften." Eine Stelle allein gebe noch keinen Unterricht.

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Sendung: hr1, 01.09.2023, 12.40 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe