SPD-Spitzenkandidatin im Porträt Nancy Faeser - Hessen im Herzen
Seit 1999 wird Hessen von einem Ministerpräsidenten der CDU regiert. Das will die SPD bei der kommenden Landtagswahl im Herbst ändern. Ihre Hoffnungsträgerin: Nancy Faeser. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des Landes. Ein Porträt.
Als Nancy Faeser 2003 als Abgeordnete in den Hessischen Landtag einzieht, hält sie sich noch regelmäßig mit Walken im Wald fit. Dass ihr dafür heute, im Laufe eines eng getakteten Tages als Bundesinnenministerin, noch viel Zeit bleibt, mag bezweifelt werden. Und künftig kommen als Spitzenkandidatin der SPD für die im Herbst anstehende Landtagswahl in Hessen noch viel mehr Termine dazu.
Zwischen Berlin und Schwalbach
Eine Doppelbelastung, die sich die 52-Jährige aber selbst ausgesucht hat. Eine "Herzblutpolitikerin" eben, wie Faeser von Beobachtern der politischen Landespolitik genannt wird. Eine Frau mit "großer Herzenswärme", wie Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) sie beschreibt.
Die Worte "Mein Herz ist in Hessen" sagt Nancy Faeser wiederum selbst, als sie beim Parteitag der Hessen-SPD im vergangenen Mai als Landesvorsitzende wiedergewählt wird. Damals ist Faeser schon seit knapp fünf Monaten Bundesinnenministerin und wesentlich häufiger in Berlin, Brüssel oder anderen Teilen Deutschlands und der Welt unterwegs als im heimischen Taunus.
Geboren in Bad Soden, wächst Nancy Faeser in Schwalbach am Taunus in einer SPD-Familie auf. Der Vater war bis 2002 Bürgermeister ihrer Heimatstadt. Auch ihr Ehemann ist als Kommunalpolitiker für die SPD aktiv. Ihre Heimat ist Faeser wichtig. Mann und Sohn leben nach wie vor hier und so pendelt Faeser am Wochenende so oft es geht zwischen Berlin und Schwalbach und versucht auch, möglichst viele berufliche Termine in Hessen wahrzunehmen.
Designierte Ministerin unter Ypsilanti
In die SPD tritt Faeser Ende der 1980er Jahre ein. Sie studiert Jura und arbeitet neben ihrem Engagement in der Kommunalpolitik in diversen Wirtschaftskanzleien. 2003 folgt der Einzug in den Landtag, allerdings über die Landesliste ihrer Partei, denn gegen den damals amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch hat sie als Direktkandidatin in ihrem Wahlkreis Main-Taunus I keine Chance.
2007 wird Faeser als designierte Justizministerin ins Schattenkabinett der damaligen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti berufen, doch die gescheiterten Koalitionsverhandlungen stürzen die SPD in eine tiefe Krise. Für Faeser bedeutet das viele weitere Jahre auf der Oppositionsbank, ab 2014 als SPD-Generalsekretärin unter Thorsten Schäfer-Gümbel, 2019 löst sie ihn sowohl an der Fraktions- als auch Parteispitze ab.
Pluspunkte und Gegenwind
Als Oppositionsführerin im Landtag verschreibt sich Faeser unter anderem der Aufklärung der NSU-Morde. Nach dem rechtsextremen Attentat von Hanau im Februar 2020 stellt sie sich demonstrativ auf die Seite der Angehörigen. Faeser gilt innerhalb ihrer Partei aber als konservativ und pflegt enge Kontakte zur hessischen Polizei. Diesen Ruf bewahrt sie sich auch in Berlin und macht sich als Bundesinnenministerin mit der Schaffung neuer Stellen bei der Bundespolizei beliebt.
Gegenwind erfährt Faeser, als sie bei ihrer Vorstellung als Bundesministerin den Kampf gegen Rechtsextremismus zu einem ihrer Schwerpunktthemen erklärt. Er sei "die größte Bedrohung" im Land, sagt sie, als Bundeskanzler Olaf Scholz sie auf die Bühne holt. Dieser Satz bietet Angriffspunkte für ihre Kritiker, vor allem weil ihr Ministerium lange nichts Konkretes liefert.
Im Rahmen einer bundesweiten Razzia gegen Reichsbürger Ende 2022 kündigt Faeser schließlich schärfere Waffengesetze an. Innerhalb der Ampel-Koalition streitet sie mit der FDP um die Vorratsdatenspeicherung, die Opposition bringt sie wiederum mit ihren Plänen für erleichterte Einbürgerungen auf die Palme.
Mit Amtsbonus ins neue Amt
Als Bundesinnenministerin hat Nancy Faeser geschafft, was ihr in all den Jahren auf der hessischen Oppositionsbank nur bedingt gelungen ist: Sie ist bekannter geworden. Und diesen Amtsbonus will sie sich im kommenden Landtagswahlkampf zu Nutze machen.
Aus der hessischen Landespolitik regt sich bereits Skepsis, ob ihr das gelingen kann. Von einer Gefahr, "zwischen diesen beiden sehr verantwortlichen Aufgaben zerrieben" zu werden, spricht Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Der liberale Spitzenkandidat Stefan Naas glaubt, dass unter dem Wahlkampf in Hessen das Amt als Bundesinnenministerin leiden könnte.
Faesers Ziel ist trotzdem klar: Sie will die SPD aus der jahrelangen Versenkung holen. Seit 1999 wird das ehemals rote Hessen von der CDU regiert. Damit soll im Herbst Schluss sein. Sollte die SPD bei der Landtagswahl stark genug werden, um ein Koalitionsbündnis mit Nancy Faeser als Ministerpräsidentin schmieden zu können, wäre sie die erste Frau an der hessischen Landesspitze. Wie sich das anfühlen mag, kann sie möglicherweise schon ahnen, denn sie ist auch die erste Frau an der Spitze des Bundesinnenministeriums.
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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 02.02.2023, 19.30 Uhr
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