Scheidender Staatsbeauftragter "Aufarbeitung des Finanzskandals in Löhnberg dauert noch Jahre"
Nach dem Finanzskandal habe die Gemeinde Löhnberg noch einen langen Weg der Aufarbeitung vor sich, bilanziert der Staatsbeauftragte Stock. Er verlässt das Rathaus nun. Ab Donnerstag sitzt dort wieder ein gewählter Bürgermeister.
Kein Geld mehr, um die Rechnungen zu zahlen. Über Jahre keine geprüften Jahresabschlüsse, geschönte Zahlen. Außerdem Falschangaben gegenüber den Aufsichtsbehörden. Schließlich Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft im Rathaus und Privathaus des Ex-Bürgermeisters Frank Schmidt (SPD) wegen des Verdachts der Untreue. In der 4.500-Einwohner-Gemeinde Löhnberg im Kreis Limburg-Weilburg ist in den vergangenen Monaten viel passiert.
Zwischenzeitlich hat sich der Ex-Bürgermeister in den Ruhestand versetzen lassen, es wurde ein Nachfolger gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl am 9. Februar setzte sich der unabhängige Kandidat Reiner Greve gegen zwei weitere Kandidaten durch.
Der Neue kommt, der Alte geht
An diesem Donnerstag wird der 62-Jährige in sein Amt eingeführt. Am Freitag will Greve dann auch schon seinen Dienst im Rathaus antreten.
Das bedeutet auch, dass der staatsbeauftragte Bürgermeister Heiko Stock gehen wird. Er wurde vom Regierungspräsidium Gießen im vorigen Oktober eingesetzt, um Ordnung ins Finanzchaos von Löhnberg zu bringen.
Stock war jahrelang selbst Bürgermeister in Lautertal im Vogelsberg, wo er lebt. Außerdem gilt er als Verwaltungs- und Finanzexperte. Nach einem halben Jahr Arbeit zieht er für den hr Bilanz.
Stock sieht rechtliche Grundprinzipien missachtet
Stock sagt, aus seiner Sicht seien in Löhnberg "elementare Grundprinzipien des Kommunalverfassungsrechts nicht beachtet" worden. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, "dass die überwiegende Zahl der Mandatsträger diese Vorgehensweise über viele Jahre akzeptiert hat".
Es habe in den Sitzungen des Gemeindevorstands zum Beispiel immer dieselbe Tagesordnung ohne Beratungsvorlagen gegeben. Teilweise seien 18 Einzelpunkte in 16 Minuten abgearbeitet worden, "was gegen eine intensive und sachorientierte Arbeit spricht".
In seiner Zeit in Löhnberg hätten ihn immer wieder Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus anderen Gemeinden angesprochen, berichtet Stock. Diese hätten ungläubig gefragt, ob die Medienberichte denn so stimmten. Die Kollegen hätten sich nämlich immer wieder gefragt, wieso in Löhnberg Dinge möglich waren, die sie selbst in ihren Kommunen finanziell nicht stemmen konnten, zum Beispiel eine kostenlose Kita-Betreuung.
Wie weit ist die Aufarbeitung?
Er habe von Anfang an damit gerechnet, dass der Skandal nicht innerhalb eines halben Jahres aufgearbeitet werden könne, sagt Stock. Dafür sei jahrelang zu viel "außerhalb der üblichen Norm" gelaufen. Entsprechend werde auch die Aufarbeitung voraussichtlich Jahre dauern. Stock schätzt, dass "vielleicht fünf bis zehn Prozent des Weges gegangen sind".
Löhnberg müsse die fehlenden Jahresabschlüsse jetzt weiter aufarbeiten, sagt Stock. Seit 2017 waren diese nicht mehr beim Rechnungsprüfungsamt des Landkreises eingereicht worden. Die Gemeinde arbeite derzeit erst an der Erstellung des Abschlusses von 2019.
Vor allem müsse Löhnberg aber weiter konsolidieren. Der Gesamtschuldenstand könne noch gar nicht beziffert werden, sagt Stock. Dies werde wohl erst möglich sein, wenn alles aufgearbeitet sei.
Reicht der Liquiditätskredit?
Auf die Frage, ob der aufgenommene Liquiditätskredit von vier Millionen Euro ausreiche, sagt Stock: Löhnberg habe trotz vorläufiger Haushaltsführung im Jahr 2024 rund 700.000 Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Dazu kämen die Verluste aus den gemeindeeigenen Gesellschaften, die womöglich zusätzlich abzudecken seien. Hierzu fehlten noch die Abschlüsse.
Bis Ende April sei erneut ein finanzieller Engpass zu erwarten. "Grundsätzlich decken die Einnahmen derzeit nur die laufenden Kosten der Verwaltung, ein Abbau alter Liquiditätskredite findet derzeit noch nicht statt", so Stock.
"Sparen oder Abgaben erhöhen"
Müssen die Löhnbergerinnen und Löhnberger in Zukunft damit rechnen, stärker zur Kasse gebeten zu werden? Zuletzt hob die Gemeinde den Grundsteuer-Hebesatz auf 700 Prozent an und führte Kita-Gebühren ein. Das sei nötig gewesen, um den Liquiditätskredit von vier Millionen Euro bis 2027 zurückzuführen, erklärt Stock.
Allerdings mache die Gemeinde derzeit etwa eine Million Euro Minus im Jahr. Um das abzustellen, gibt es aus Sicht von Stock nur zwei Möglichkeiten: "Sparen oder Abgaben erhöhen." Die Gemeinde müsse außerdem die Wasserversorgung und das Kanalsystem erneuern.
Grundsteuer nochmal 450 Prozent rauf?
Für Stock ist deshalb klar: Der Grundsteuer-Hebesatz könnte nochmals steigen, ebenso die Kita-Gebühren und die Wasser- und Abwassergebühren. Dem neuen Bürgermeister Greve habe er bereits Ratschläge erteilt.
Trotz aller Baustellen: Seinen Posten als staatsbeauftragter Bürgermeister würde er jederzeit wieder antreten, sagt Stock. "Eine solche intensive Zeit mit vielen neuen Erfahrungen hätte ich mir nicht entgehen lassen wollen."