Entlassung wegen "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" Staatssekretärin wehrt sich mit Anwälten gegen SPD-Minister
Wegen eines "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" will SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori seine Staatssekretärin Lamia Messari-Becker rauswerfen. Doch die renommierte Bau-Professorin hält nach hr-Informationen dagegen.
Wenn ein Minister seine Staatssekretärin entlassen will, und sei es schon sechs Monate nach der Regierungsbildung, ist das im Grunde ganz einfach. Politische Beamte können ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Doch Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) hat öffentlich einen Grund für den geplanten Rauswurf seiner parteilosen Staatssekretärin Lamia Messari-Becker angedeutet. Nach hr-Informationen wehrt sich Messari-Becker nun mit Hilfe von Anwälten gegen den Vorwurf Mansooris, sie habe sich ein "nicht hinnehmbares Fehlverhalten" geleistet.
Anwälte der 51 Jahre alten Bau-Professorin, die Mansoori im Februar von der Uni Siegen als Quereinsteigerin und renommierte Fachfrau nach Wiesbaden geholt hatte, haben den Minister aufgefordert: Er soll Belege für das angebliche Fehlverhalten vorlegen und ihnen Akteneinsicht gewähren. Die geplante Entlassung war am Freitag auf nicht-offiziellem Weg bekannt geworden.
Frist gesetzt
Die Anwälte haben dem Ministerium eine Frist gesetzt. Sie soll am Dienstagnachmittag abgelaufen sein. Im Raum steht dabei auch die Frage, ob Messari-Becker nicht Anspruch hat, rechtliches Gehör zu finden, wenn ihre Entlassung mit so schwerwiegenden Anschuldigungen verbunden ist.
Die geplante Entlassung war am Freitag bekannt geworden, der hr berichtete. Daraufhin machte Mansoori am Montag die Entscheidung öffentlich. Er hält Messari-Becker intern nach hr-Informationen vor, wie sie als Mutter ein Gespräch an einer Schule mit Lehrern eines ihrer Kinder geführt hat. Darüber, ob Messari-Becker dabei ihre Funktion als Staatssekretärin ungebührlich ins Spiel brachte, gibt es unterschiedliche Darstellungen.
Wörtlich hieß es in Mansooris Stellungnahme zum Wochenbeginn aber lediglich: "Ein nicht hinnehmbares Fehlverhalten, das meinen Werten und Ansprüchen an meine engsten Mitarbeitenden widerspricht, entzog mir die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihr."
Vorwurf bestritten
Ohne auf den auch von Mansoori nicht erwähnten angeblichen Vorfall im Detail einzugehen, bestritt Messari- Becker kategorisch ein Fehlverhalten. Sie könne den Vorwurf "nicht im Ansatz" nachvollziehen und habe sich nichts vorzuwerfen, teilte sie bereits am Dienstag mit. Es sei bedauerlich, dass der Minister nicht ein persönliches Gespräch nach ihrer Genesung abgewartet habe.
Messari-Becker ist krank gemeldet, sie hat Corona. Deshalb hat Mansoori nach eigenen Angaben nicht mit ihr persönlich reden können, bevor er an die Öffentlichkeit ging. Dass er sie entlassen will, habe er ihr aber bereits vor mehr als einer Woche gesagt.
Schon vorher heftiger Streit
Aus Regierungskreisen drang durch, dass es schon vor dem aktuellen Vorwurf gegen Messari-Becker an der Spitze des Wirtschaftsministeriums schweren Streit gab. Vor allem mit Mansooris erstem Staatssekretär Umut Sönmez geriet die Quereinsteigerin Messari-Becker demnach aneinander.
Im Mittelpunkt sollen Auseinandersetzungen um Zuständigkeiten und den Umgang mit Mitarbeitern gestanden haben. Sönmez ist ein Weggefährte Mansooris aus Juso-Zeiten, er gilt als sein enger Vertrauter. Was die beiden Politiker und die Wissenschaftlerin verbindet: Regierungsgeschäfte hatte zuvor niemand von ihnen geführt.
Boris Rhein muss unterschreiben
Mansoori ist als Wirtschaftsminister im seit Januar regierenden schwarz-roten Kabinett gleichzeitig Stellvertreter von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Rhein müsste die Entlassungsurkunde unterschreiben.
Die CDU hat sich als tonangebende Koalitionspartnerin der SPD zu dem Fall nicht geäußert. Die Opposition im Landtag fordert Aufklärung über die Hintergründe der Entlassung. Die FDP sah gar "erste Auflösungserscheinungen" der noch jungen Koalition. Als Juniorparterin der Union gelang es der SPD nach der Landtagswahl vergangenen Herbst erstmals nach 25 Jahren, trotz herber eigener Verluste wieder an der Landesregierung beteiligt zu sein.