Städtetag beklagt Finanznot Kommunen sehen sich als "letztes Glied in der Nahrungskette"

Die Kommunen in Hessen stehen nach Angaben des Städtetags finanziell mit dem Rücken zur Wand - etwa beim Thema Kinderbetreuung. Städtetags-Präsident Mende wendet sich mit deutlichen Worten an Bund und Land. Die Lage sei katastrophal.

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Bürgermeister und Oberbürgermeister reden gerne vom "Konnexitätsprinzip", wenn sie über die Beziehung ihrer Städte zu Bund und Land reden. Wenn sie diesen sperrigen Begriff ihren Bürgern am Stammtisch erklären wollten, würden sie vielleicht sagen: "Wer bestellt, der zahlt auch!" Denn Konnexität bedeutet, dass die politische Ebene, die eine Aufgabe vergibt, diese auch finanziert. Ein nachvollziehbarer Grundsatz für jeden am Stammtisch in der Kneipe – doch an diesen Grundsatz halten sich Bund und Land nach Ansicht der Bürgermeister schon lange nicht mehr.

Eine Stadträtin der Grünen, ein Oberbürgermeister von der SPD und ein Oberbürgermeister von der CDU bitten an diesem Donnerstag gemeinsam zur Pressekonferenz im Haus der kommunalen Selbstverwaltung in Wiesbaden. Die drei bilden das Präsidium des hessischen Städtetages, und sie treibt eine gemeinsame Sorge um: dass die hessischen Städte und Gemeinden ihre Aufgaben einfach nicht mehr bewältigen können.

Wiesbadener OB: Finanzlage der Kommunen "katastrophal"

Gert-Uwe Mende
Gert-Uwe Mende (SPD) Bild © picture-alliance/dpa

"Die Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand", sagte Gert-Uwe Mende (SPD), der Oberbürgermeister von Wiesbaden. Er vertritt als Präsident des Städtetages 84 hessische Städte, von Babenhausen bis Wiesbaden, die mit unterschiedlichen Mehrheiten regiert werden, und ist deshalb zu einem gewissen diplomatischen Ton verpflichtet. Spricht er am Anfang noch davon, dass "die Kommunen die Aufgaben, die sie haben, nicht durch ihre Einnahmen decken können", wird der Ton im Laufe seiner Rede aber immer drängender: Die Finanzlage der Kommunen sei "katastrophal", sie seien das "letzte Glied in der Nahrungskette".

Die Kommunalpolitiker ärgert vor allem, dass Bund und Land Versprechungen zu Lasten der Kommunen machen. Als Beispiel führen sie die versprochene Betreuungsgarantie für Grundschulkinder an, die in zwei Jahren starten soll. Allein für die dafür notwendigen Investitionen fehlten den hessischen Kommunen 1,2 Milliarden Euro. Der Bund verspricht eine Betreuungsgarantie, das Land stimmt dem Gesetz zu - und, so die Kritik, ausbaden müssen es die Städte und Gemeinden.

Betreuungsgarantie wird zur Belastung

Der Fuldaer Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) macht am Beispiel seiner 70.000-Einwohner-Stadt klar, was das bedeutet. Fulda müsse 25 Millionen Euro investieren, um diese Betreuungsgarantie umsetzen zu können. Der Bund zahlt Zuschüsse von etwa 2,5 Millionen Euro. Auf dem Rest bleibe die Stadt sitzen.

Und das ist laut Wingenfeld noch nicht einmal das größte Problem bei der Sache: "Die größte Herausforderung wird das Personal sein." Denn Erzieherinnen und Erzieher gibt es jetzt schon zu wenige, selbst der Anspruch auf einen Kita-Platz kann in Hessen seit Jahren nicht erfüllt werden. Es fehlten über 40.000 Kita-Plätze in Hessen, stellte das  "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" vor einigen Monaten fest, eine bundesweite Studie der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh.

Wo zusätzliche Erzieherinnen für die Schul-Betreuung herkommen sollen, ist den Oberbürgermeistern schleierhaft. "Eine Umsetzung des Ganztagsanspruchs ist ohne auskömmliche Finanzierung der Investitions- und Betriebskosten nicht realistisch", sagen sie diplomatisch und meinen damit eigentlich nur: Was die in Berlin und Wiesbaden sich ausgedacht haben, ist schlicht nicht machbar.

Wer finanziert den ÖPNV?

Ein weiteres Beispiel für das, was den Kommunen finanziell über den Kopf wächst, ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Gerda Weigel-Greilich, grüne Stadträtin aus Gießen, sagt, dass dafür pro Jahr mindestens 200 Millionen Euro in Hessen fehlten. Sollte es kein zusätzliches Geld von der Landesregierung geben, müssten ÖPNV-Angebote eingestellt werden.

Momentan gebe es viele Baustellen in Hessen, deshalb können einige Strecken sowieso nicht im üblichen Umfang bedient werden. Nur deshalb reiche das Geld derzeit noch. Die Mittel für die Verkehrsverbünde müsste eigentlich das Land bereitstellen. Doch die misstrauischen Städte fürchten Tricksereien des Landes: Keinesfalls dürften die Millionen aus dem kommunalen Finanzausgleich stammen, fordern sie, also aus Geldern, die sowieso für die Kommunen bereitstehen.

Die Wunschliste ist lang, das Geld knapp

Mehr Geld vom Land Hessen fordert der Städtetag auch für die kommunale Wärmeplanung, für die Bezahlkarte für Geflüchtete, für die Krankenhausplanung, die Fortführung des Digitalpakts an den Schulen und für die Umsetzung des Cannabisgesetzes. Die Wunschliste ist lang und sie ist in Gänze unerfüllbar, das ist den Vertretern des Städtetages auch klar.

Mende und Wingenfeld gehören SPD und CDU an, den Parteien, die die Landesregierung bilden. Sie haben den Koalitionsvertrag zum Teil mitverhandelt und wissen genau, dass auch in der Landesregierung das Geld knapp geworden ist. Aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb fordern sie lautstark Milliarden, die sie voraussichtlich nicht bekommen werden.

Vor Ort spüren Bürgerinnen und Bürger hautnah, was sie für ihre Steuern und Abgaben bekommen. Wenn die Kommunen ihren Aufgaben nicht nachkommen können, wenn es bei der Kinderbetreuung hapert, der Bus nicht fährt und das Krankenhaus schließen muss, "dann gefährdet es das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates", sagt der Oberbürgermeister von Fulda, Heiko Wingenfeld. Und Gert-Uwe Mende, sein Wiesbadener Amtskollege, fügt an die Adresse von Bund und Land hinzu: "75 Jahre Grundgesetz feiern, die kommunale Selbstverwaltung aber letztlich aushöhlen, passt nicht zusammen."

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 20.6.2024, 16 Uhr

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Quelle: hessenschau.de