Streit um Islamunterricht DITIB befürchtet Ausbootung und klagt gegen das Land
Den Islamunterricht des umstrittenen Moscheeverbands DITIB konnte Hessen nicht stoppen. Jetzt landet der Streit wieder vor Gericht: Die Religionsgemeinschaft wittert in einem Schulversuch verbotene Konkurrenz.
Wie bei dem in Zusammenarbeit mit den Kirchen organisierten christlichen Religionsunterricht gibt es für muslimische Kinder an Hessens Schulen auch bekenntnisorientierten Islamunterricht. Der vor Jahren entbrannte Streit um ihn geht nun in die nächste Runde – und vor ein Verwaltungsgericht.
Die Moscheegemeinde DITIB Hessen, die bei diesem Unterrichtsangebot als größte von zwei beteiligten Religionsgemeinschaften mitwirkt, hat eine Unterlassungsklage gegen das Land beim Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht. Sie will einen parallel laufenden Schulversuch stoppen, bei dem das Kultusministerium einen vom Staat allein auf Wissen über den Islam ausgerichteten Unterricht anbietet.
Der als befristet angekündigte Schulversuch sei in Wirklichkeit darauf angelegt, das Angebot von DITIB auf Dauer zu ersetzen. Das sei verfassungswidrig, teilte DITIB am Freitag auf Anfrage mit und bestätigte damit einen Bericht der FAZ über die Klage.
Kritik an Nähe zum Erdogan-Regime
Hintergrund ist der gescheiterte Versuch des Landes, sich von DITIB als Partnerin für den bekenntnisreformierten Islamunterricht zu trennen, in dem Religion als Glaubenswahrheit vermittelt wird. Er war 2013 in Hessen von der damaligen CDU/FDP-Koalition beschlossen worden.
Wegen Kritik an zu großer Nähe zur türkischen Regierung und zu islamistischen Strömung setzte Hessen die Kooperation im Schuljahr 2020/2021 aus. Doch DITIB klagte sich vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurück, der die Aussetzung als unrechtmäßig bewertete.
Hessen musste die Kooperation wieder aufnehmen. Auch ein vom Land in Auftrag gegebenes Gutachten vom Anfang des Jahres zur Beziehung zwischen DITIB Hessen und dem türkischen Staat hielt zwar eine abstrakte Gefahr der politischen Einflussnahme für möglich. Die Kooperation könne aber erst bei einer konkreten politischen Instrumentalisierung von DITIB Hessen widerrufen werden.
"Dauerhaftes Parallelangebot"?
Der aktuelle Streit dreht sich um den Schulversuch mit der rein staatlich organisierten Islamkunde, den das Kultusministerium in der Zeit ohne DITIB gestartet hat. Er hätte nach Auffassung der Religionsgemeinschaft längst beendet sein müssen, weil sie ihr Angebot ja wieder aufgenommen habe.
DITIB hat den Verdacht, hier werde "ein dauerhaftes identisches Parallelangebot etabliert, um den verfassungsgemäßen Religionsunterricht für Musliminnen und Muslime auszuhöhlen". Das zeige sich unter anderem an geänderten Lehramtsstudiengängen in Frankfurt und Gießen, an Arbeiten zu Lehrplänen für den Schulversuch sowie der Einstellung und Weiterbildung von Lehrkräften.
Den grundsätzlichen Vorwurf der Verfassungswidrigkeit stützt DITB auf Artikel 7 des Grundgesetzes. Demnach wird der Religionsunterricht "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft" erteilt - wobei eine staatliche Aufsicht erlaubt ist. Bei der Klage gehe es darum, "die verfassungsrechtlichen Freiheiten für muslimische Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Studierende und Eltern zu schützen".
Ministerium zeigt sich überrascht
Zu der Klageankündigung sagte ein Sprecher von Kultusminister Armin Schwarz (CDU): "Wir sind von diesem Schritt überrascht." Schließlich sei DITIB Hessen 2020 schon einmal vor Gericht beim Versuch gescheitert, die nicht bekenntnisorientierte Islamkunde zu verhindern. Denn das Angebot berühre ihre Rechte als Religionsgemeinschaft nicht.
Das Ministerium weist außerdem auf die Begrenzung des eigenen Angebots hin: Der Schulversuch laufe lediglich an 20 Grundschulen und fünf weiterführenden Schulen für insgesamt 2.200 Schülerinnen und Schüler.
Befristet sei der Schulversuch "derzeit" bis zum Jahr 2025/2026. Da die Teilnahme freiwillig sei, seien weder Grundrechte von Schülerinnen und Schüler noch ihrer Eltern betroffen.
Entscheidung dürfte Monate dauern
Den Religionsunterricht in Kooperation mit DITIB besuchen fast 1.700 Schüler an 27 Grundschulen und fünf weiterführenden Schulen Hessens. Weiterer islamischer Religionsunterricht wird in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland an fünf Grundschulen für insgesamt 225 Kinder erteilt.
Der Ministeriumssprecher betonte, dass auch all diese Unterrichtsstunden von staatlichen Lehrern gehalten würden, die in Deutschland studiert haben.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden wies darauf hin, dass es sich bei der Klage nicht um einen Eilantrag handele. Daher müsse eher von mehreren Monaten als Wochen bis zu einer Entscheidung ausgegangen werden.
Redaktion: Wolfgang Türk
Sendung: hr1, 24.05.2024, 19 Uhr