Verdacht gegen Mitarbeiter der Stadt Raunheim Ermittlungen zum Teil gegen Geldauflage eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt sieht es als erwiesen an, dass fünf Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit eine Terrasse am Ferienhaus des ehemaligen Bürgermeisters Thomas Jühe (SPD) in Österreich gebaut haben. Statt einer Geldstrafe sollen sie Geld an eine gemeinnützige Organisation zahlen.

Zeitgenössiches Gebäude mit Glasfassade, auf einem Platz mit Straße und Bushaltestelle stehend.
Das Rathaus von Raunheim. Bild © Imago Images
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Seit eineinhalb Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Darmstadt, ob Gelder der Stadt Raunheim veruntreut wurden. Nun liegt das Ergebnis der Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Stadt vor. Die Ermittlungen wegen Untreue wurde eingestellt. Damit die Staatsanwaltschaft von einer weiteren Strafverfolgung wegen Betrugs absieht, sollen allerdings fünf Mitarbeiter das Gehalt, das sie während der Bauarbeiten am Ferienhaus des verstorbenen Bürgermeisters Thomas Jühe (SPD) erhalten haben, an eine gemeinnützige Organisation abführen.

Anlass der Ermittlungen waren unter anderem mehrere Reisen der Mitarbeiter nach Österreich im Jahr 2022, die im Rathaus als "Teambildungsmaßnahme" abgerechnet wurden. Dabei sollen sie laut den ursprünglichen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft "Materialien der Stadt Raunheim zweckentfremdet und verbaut" haben. "Konkret ging es um Altholz einer Uferplattform und Fenster, die für den Einbau in eine Kindertagesstätte vorgesehen waren", erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt damals auf hr-Anfrage.

Aus den Brettern habe man eine neue Terrasse am Ferienhaus des kurz darauf verstorbenen Bürgermeisters Jühe gebaut. Das Material spielte jetzt allerdings keine Rolle mehr, sondern nur noch die privat verwendete städtische Arbeitszeit. Den Mitarbeitern sei der private Charakter der Reise bewusst gewesen, so die Staatsanwaltschaft.

Bürgermeister Rendel: Geschenk für verstorbenen Bürgermeister

Bürgermeister David Rendel (SPD) begrüßt in einer am Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung, dass bei den Ermittlungen festgestellt wurde, "dass der Stadt Raunheim durch die Verwendung des Bruchholzes kein finanzieller Schaden entstanden ist".

Auf die Nutzung der Arbeitszeit für die Baumaßnahmen geht Rendel nicht näher ein. Menschlich könne er es mehr als nachvollziehen, dass die Mitarbeiter nach teilweise mehr als 15 gemeinsamen Dienstjahren ihrem im Sterben liegenden Vorgesetzten "eine Art Abschiedsgeschenk machen wollten", erklärt Rendel. Jühe sei für viele Mitarbeiter Vorbild und Anker gewesen. "Wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass mir meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Tages auch persönlich so verbunden sind", so der Bürgermeister weiter.

Rendel erweckt in seiner Pressemitteilung den Eindruck, die Staatsanwaltschaft habe gegen Jühe ermittelt: "Die Staatsanwaltschaft Darmstadt stellt laufendes Ermittlungsverfahren gegen Ehrenbürgermeister Thomas Jühe und mehrere Mitarbeiter ein", heißt es in deren Überschrift. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft stellte jedoch klar: "Gegen verstorbene Personen wird nicht ermittelt, da insoweit ein Verfahrenshindernis besteht."

Provisionszahlungen ohne strafrechtliche Konsequenzen

Neben den Baumaßnahmen an Jühes Ferienhaus sorgten vor allem Provisionszahlungen an einen leitenden Mitarbeiter der Stadt für Aufsehen. Es geht um rund zwei Millionen Euro, die der Mitarbeiter für den Verkauf städtischer Grundstücke zusätzlich zu seinem Gehalt von der Stadt erhalten haben soll.

Grundlage der Provisionszahlungen war ein Beschluss des Magistrats im Jahr 2016. Jühe hatte die Provisionsvereinbarung mit dem Mitarbeiter dem Magistrat zur Abstimmung vorgelegt. Beigefügt war eine Bewertung der Provisionszahlungen durch eine von ihm beauftragte Wirtschaftsprüfungskanzlei. Darin fanden sich keine Einwände gegen die Zahlungen.

Die Staatsanwaltschaft kommt deshalb zu dem Entschluss, dass bei den damaligen Magistratsmitgliedern "kein Vorsatz einer Pflichtverletzung" festgestellt werden konnte. Übersetzt aus dem Juristendeutsch heißt das: Die Magistratsmitglieder waren sich bei ihrer Zustimmung zu den Provisionen nicht bewusst, dass sie damit die Stadt um ihr Geld bringen. Sie haben bei ihrer Entscheidung auf die Rechtmäßigkeit ihres Handelns vertraut.

Weitere Aufklärung gefordert

Doch damit ist die Aufarbeitung der Vorgänge im Raunheimer Rathaus noch nicht abgeschlossen. "Die Einstellung der Ermittlungsverfahren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass gravierende Missstände in der Raunheimer Verwaltung aufgedeckt wurden", sagt Mohammed Ghazi von der Fraktion "Wir sind Raunheim" (WsR).

Besonders kritisch sieht der Oppositionspolitiker im Stadtparlament, dass einige Verfahren nur durch die Zahlung von Geldauflagen eingestellt wurden. "Diese Geldauflagen sind ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Fehlverhalten vorliegt, das nicht folgenlos bleiben darf." Es sei nicht hinnehmbar, dass Bürgermeister Rendel diese Vorgänge als "Abschiedsgeschenke" verharmlose und damit die Schwere der Vorwürfe herunterspiele. Die unerlaubte Nutzung städtischer Ressourcen und die intransparenten Zusatzvergütungen werfen schwerwiegende Fragen auf, die politische Konsequenzen nach sich ziehen müssen.

Rückzahlung der Provisionen bleibt auf der Tagesordnung

Eine Mehrheit im Stadtparlament, bestehend aus CDU, WsR und Grünen, hält an der Forderung fest, dass der leitende Mitarbeiter der Stadt die Provision zurückzahlen muss. Bestärkt wurden die Kommunalpolitiker dabei durch die Finanzaufsicht des Kreises Groß-Gerau, der die Zahlungen rechtlich beanstandet hat. Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel gab ihnen Recht.

Nach seinem kürzlich ergangenen Urteil muss die Verwaltung der Stadt Raunheim den Beschluss der Parlamentsmehrheit umsetzen und die Provisionen von dem Angestellten zurückfordern. Bürgermeister Rendel hatte sich juristisch gegen diese Forderung gestemmt.

Anmerkung: Wir haben am 23. August 2024 einige Formulierungen im Artikel präzisiert und ergänzt. Dabei ging es vor allem darum, deutlicher zu machen, welche Teile des Verfahrens nach § 170 StPO eingestellt wurden und bei welchen die Staatsanwaltschaft nach § 153 a StPO von der Verfolgung abgesehen hat.

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Quelle: hessenschau.de/Susanne Mayer