Hessischer Verwaltungsgerichtshof bestätigt Abwahl des Bürgermeisters von Hirzenhain war rechtswidrig

Die Abwahl von Bürgermeister Freddy Kammer in der Wetterau-Gemeinde Hirzenhain 2017 war rechtswidrig. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Für den amtierenden Bürgermeister ändert sich dadurch aber nichts.

Freddy Kammer und das Rathaus von Hirzenhain
Das Abwahlverfahren gegen Ex-Bürgermeister Kammer beschäftigte den Verwaltungsgerichtshof (Archivbild). Bild © picture-alliance/dpa, Imago Images
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Seine Amtszeit war von jahrelangen Querelen begleitet: Der ehemalige Bürgermeister von Hirzenhain (Wetterau), Freddy Kammer (parteilos), wurde wegen Wahlfälschung verurteilt und daraufhin im Mai 2017 per Bürgerentscheid in seiner Gemeinde abgewählt. Dagegen klagte der entmachtete Rathauschef.

VGH: Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit

Sechs Jahre später bestätigte die höchste hessische Instanz die Rechtswidrigkeit der Abwahl. "Insbesondere sei im Rahmen der Formulierung des Bürgerentscheids gegen das Gebot der Sachlichkeit verstoßen worden", teilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Mittwoch in Kassel mit.

Es komme bei einem Bürgerentscheid auch nicht darauf an, ob sich dieser Verstoß möglicherweise auf das Ergebnis ausgewirkt haben könnte. Die Gemeinde hatte unter anderem ihren Rathauschef in der öffentlichen Bekanntmachung als "streitsüchtig" bezeichnet.

Aus der Entscheidung ergeben sich laut VGH aber keine finanziellen Ausgleichsansprüche für den Kläger. Das Gericht bestätigte damit die zugrunde liegende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen aus dem Jahr 2018.

Gericht: Abwahl rechtswidrig, Neuwahl rechtmäßig

Timo Tichai Hirzenhain
Der amtierende Bürgermeister von Hirzenhain: Timo Tichai Bild © Timo Tichai

Das Gericht in Gießen hatte die Abwahl Kammers zwar als rechtswidrig bestätigt, die anschließende Neuwahl von Timo Tichai (parteilos) 2017 als Bürgermeister aber zugleich als rechtmäßig. Das Verfahren, in dem es um die Neuwahl des jetzigen Bürgermeisters geht, wird laut einer VGH-Sprecherin an einem anderen Termin verhandelt.

Gericht sah erhebliche Fehler im Verfahren

Vor Gericht in Gießen ging es um zwei Klagen von Ex-Bürgermeister Kammer, der damit die Gültigkeit seiner Abwahl sowie der folgenden Bürgermeister-Neuwahl angefochten hatte. Er war der Ansicht, dass der Bürgerentscheid, der zu seinem Amtsende führte, nicht gesetzeskonform ausgeführt wurde.

Kammer hatte auch beantragt, ihn wieder in das Amt des Bürgermeisters einzuführen und ihn so zu stellen, als sei er nicht aus dem Amt geschieden. Diesen Klageantrag hatte das Verwaltungsgericht Gießen abgewiesen.

Das Gericht teilte zwar die Auffassung, dass es bei dem Verfahren erhebliche Fehler "von Amts wegen" gegeben habe und die Abwahlentscheidung somit rechtswidrig sei. Daraus folge aber nicht, dass Kammer wieder ins Amt kommen könne. Gegen diese Entscheidung hatten sowohl der Kläger als auch die beklagte Gemeinde den VGH angerufen.

Aktueller Bürgermeister will wieder antreten

An der Gültigkeit der Neuwahl hatten die Richter keine Zweifel. Der amtierende Bürgermeister auch nicht: Tichais kündigte bereits an, im Herbst erneut für das Amt des Rathauschefs in Hirzenhain kandidieren zu wollen.

Die Revision gegen das VGH-Urteil wurde nicht zugelassen. Dagegen ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte.

Schon mehrere Bürgermeister in Hessen abgewählt

In Hessen mussten schon einige Stadtoberhäupter ihre Posten frühzeitig räumen. Zuletzt im vergangenen Jahr: Am 11. November 2022 wählten die Frankfurterinnen und Frankfurter ihren skandalumwitterten Oberbürgermeister Peter Felmann ab. Der Sozialdemokrat musste nach zehn Jahren Amtszeit seinen Posten unfreiwillig räumen.

Im Jahr zuvor erwischte es SPD-Bürgermeister Edgar Paul. Er war 21 Jahre lang Bürgermeister von Nieste (Kassel). Er soll bei Steuern und Abgaben geschummelt haben.

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Bürgermeister, die per Bürgenentscheid abgewählt wurden:

  • Erika Schäfer (SPD), Ober-Mörlen (Wetterau), 2000
  • Frank-Peter Giesecke (parteilos), Cornberg (Hersfeld-Rotenburg), 2002
  • Dorothee Diehl (CDU), Maintal (Main-Kinzig), 2003
  • Paul Weber (SPD), Gemünden (Vogelsberg), 2003
  • Margret Härtel (CDU), Hanau, 2003
  • Anders Arendt (parteilos), Amöneburg (Marburg-Biedenkopf), 2005
  • Detlev Sieber (SPD), Schlangenbad (Rheingau-Taunus), 2006
  • Rainer Sens (parteilos), Hirschhorn (Bergstraße), 2016
  • Freddy Kammer (parteilos), Hirzenhain (Wetterau), 2017
  • Edgar Paul (SPD), Nieste (Kassel), 2021
  • Peter Feldmann (SPD), Frankfurt, 2022
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Sendung: hr-iNFO, 2.8.2023, 16.00 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Susanne Mayer, dpa/lhe