Neuer Landespolizeipräsident Schäfer tritt Amt an Vorsicht, Schleudergefahr!
Mit dem bisherigen Verfassungsschutz-Präsidenten Schäfer erhält die hessische Landespolizei einen neuen Chef. Affären, Intrigen und ein bisschen Parteipolitik: Drei der bisherigen vier Amtsinhaber mussten vorzeitig gehen.
Die NSU-Morde, das Hanau-Attentat, die Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke: Hessens Verfassungsschutz steht seit einiger Zeit bundesweit im Fokus einer kritischen Öffentlichkeit. Möglich, dass Robert Schäfer Erleichterung verspürt hat, als er am Mittwoch nach knapp acht Jahren als Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in ein neues Spitzenamt eingeführt wurde.
Der 64-Jährige ist neuer Landespolizeipräsident. Es heißt, die Rückkehr in sein vorheriges Metier sei dem Mann recht, der 1974 seine Karriere bei der Polizei begann. Der Job (B6) ist mit knapp 10.000 Euro Grundgehalt im Monat auch noch etwas besser besoldet als der vorherige (B5). Und es wird wohl Schäfers letzte Berufsstation sein.
Allerdings zeigt die noch gar nicht so lange Geschichte des Amtes: Ein geruhsames Pöstchen zum Ausklingen-Lassen seiner Laufbahn erhält Schäfer nicht. Ganz im Gegenteil. Die Verantwortung für 20.000 Mitarbeiter und alle Polizeiangelegenheiten macht die Schleudergefahr groß, wie zuletzt die Affäre um rechte Umtriebe gezeigt hat.
Fachmann zu sein schützt nur bedingt
Ob Affären, Dissens mit dem Innenminister, parteipolitische Interessen: Drei der vier Vorgänger Schäfers trug es irgendwann aus der Kurve. Dabei galten bei Amtsbeginn alle als ausgewiesene Polizei-Experten mit viel Erfahrung.
Schon den ersten Mann, der 2001 das Amt in der damals neuen Sicherheitsbehörde antrat, erwischte es. Damals organisierte eine schwarz-gelbe Landesregierung die Polizei ganz neu; zentralisiert und effektiver sollte alles werden.
Früher Ruhestand I: Meinungsstreit und Parteibuch
Die Führung im neugeschaffenen Landespolizeipräsidium übernahm Udo Scheu. Der Ex-Oberstaatsanwalt hatte das Problem, politisch links zu stehen, seine vorherige Abteilungsleitung für "Öffentliche Sicherheit" im Innenministerium hatte er unter der rot-grünen Vorgängerregierung erhalten. Als erster Landespolizeichef war er nun politischer Beamter, und das unter einer CDU/FDP-Regierung. Er konnte jederzeit ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Schon nach zweieinhalb Jahren machte der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) davon Gebrauch - Scheu war 57. Begründung: "unterschiedliche Auffassungen über grundsätzliche Fragen der zukünftigen Sicherheitspolitik und der weiteren Entwicklung der Polizei."
Früher Ruhestand II: Belohnung und Intrigenstadl
Bouffier war der damalige Landeskriminalamt-Chef Norbert Nedela lieber. Der hatte Ende der 90er Jahre als Ministeriumsmitarbeiter in einem der laut FAZ "bizarrsten Untersuchungsausschüsse" des Landtages Kritiker mit Material gegen einen Frankfurter Polizeipräsidenten munitioniert - zum Wohlgefallen der CDU. Der Polizeichef mit SPD-Parteibuch, um den es ging, soll auf Dienstpferden öfter mal privat durch die Wälder geritten sein.
Im Jahr 2010, Nedela war 59, schickte ihn der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die Führung der Polizei" ziemlich plötzlich in den Ruhestand. Im "hessischen Intrigenstadtl" (Spiegel) hatte ein schmutzig geführter Streit im Apparat die Polizei erschüttert. Es ging um Mobbing, Geheimdossiers über missliebige Beamte, manipulierte Akten und andere Vorwürfe.
Früher Ruhestand III: Enttäuschtes Vertrauen und NSU 2.0-Affäre
Nedela-Nachfolger Udo Münch hielt sich mit zehn Jahren bisher am längsten. Dann musste er mit 63 Jahren bei Innenminister Peter Beuth (CDU) doch seinen Rücktritt einreichen. Das geschah im Sommer 2020 auf dem Höhepunkt der NSU.2.0-Affäre um rechtsextreme Drohmails und unerlaubte Datenabfragen von Polizeicomputern.
Dem unter Druck geratenen Beuth war nach eigenen Angaben ohne böse Absicht die Information nicht weitergeleitet worden, dass unter den bedrohten Frauen auch die damalige Linken-Fraktionschefin Janine Wissler war. Münch nahm das Versäumnis auf seine Kappe. Die Opposition sprach von einem "Bauernopfer".
Kein verfrühter Ruhestand - und doch noch Ärger
Erst Schäfers unmittelbarem Vorgänger war es vergönnt, Mitte September dieses Jahres das reguläre Ende seiner Amtszeit zu erreichen. Kein so großes Kunststück: Roland Ullmann war zwei Jahre auf dem Chefposten, als er mit 65 Jahren ging. Zum Schluss gab es aber auch für ihn Ärger, der vielleicht nicht ausgestanden ist.
Ullmann war Polizeipräsident von Südosthessen, als sich der Anschlag von Hanau ereignete. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob am Vorwurf etwas dran ist, er habe dieses Jahr im Untersuchungsausschuss Unwahres zu seinem damaligen Wissen über eine veraltete Notruf-Anlage in Hanau ausgesagt.
Amtsantritt mit 64 - und doch keine Jobgarantie
Mit 64 ist der neue Landespolizeipräsident Schäfer gerade einmal ein Jahr jünger als sein pensionierter Amtsvorgänger. Bis zur Altersgrenze von 67 Jahre kann er regulär im Amt bleiben - danach theoretisch sogar mit jeweils einem Jahr Verlängerung bis er 70 ist. Dazwischen läge allerdings die Hessen-Wahl im Herbst 2023, bei der die Karten neu gemischt werden könnten.
Innenminister Beuth nennt Schäfer einen "Garant für Sicherheit in all ihren Facetten". Schaut man auf die Berufsschicksale der Vorgänger an der Polizei-Spitze: Eine Garantie, nicht vorzeitig abserviert zu werden, gibt solches Lob bei der Amtseinführung nicht.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 02.11.2022, 16.45 Uhr
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