Vorwürfe gegen Wirtschaftsminister Mansoori Grüne und FDP wollen Untersuchungsausschuss zur Entlassungsaffäre

In der Affäre um die Entlassung der Bau-Professorin Messari-Becker als Staatssekretärin ist SPD-Wirtschaftsminister Mansoori im Landtag ein wenig zurückgerudert. Den Grünen und der FDP reicht das bei weitem nicht. "Kurz und kompakt" wollen sie nun selbst aufklären.

Ein Mann spricht mit ernster Miene - umgeben von weiteren Männern, die um ihn herum sitzen.
"Simpler Sachverhalt": SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori am Donnerstag im Landtag Bild © hr

Vor knapp einem Monat gab sich Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori im hr-Sommerinterview noch selbstsicher: Nein, er glaube nicht, bei der Entlassung seiner Staatssekretärin Lamia Messari-Becker einen Fehler gemacht zu haben. Zurückzunehmen habe er nichts.

Ganz so unbeeindruckt von der Affäre trat der 35 Jahre alte SPD-Politiker und Vize-Regierungschef am Donnerstagvormittag nicht mehr auf, als er im Wiesbadener Landtag eine Erklärung abgab. Das Wort "Fehler" nahm er aber nicht in den Mund. Und anders als von der Opposition gefordert, entschuldigte er sich auch diesmal nicht bei der geschassten Bau-Professorin, die seine Rede auf der Zuschauertribüne verfolgte.

Videobeitrag

Grüne und FDP setzen Untersuchungsausschuss zur Entlassungsaffäre ein

Eine Frau sitzt alleine auf einer Tribühe.
Ex-Staatssekretärin Lamia Messari-Becker auf der Zuhörertribüne des Landtags Bild © hr
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Nach Meinung von Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner und seinem FDP-Amtskollege Stefan Naas verpasste Mansoori damit eine letzte Gelegenheit. Sie verkündeten am Nachmittag vor dem Plenarsaal: Es wird den von ihnen bereits angedrohten Untersuchungsausschuss geben (hier finden Sie den kompletten Antrag). Der Minister habe sich weder entschuldigt noch in wesentlichen Fragen für Aufklärung gesorgt, sagte Naas. Im Ausschuss müssten daher die wahren Gründe und Hintergründe beleuchtet werden.

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"Wir wollen das kurz und kompakt halten." Zitat von FDP-Fraktionschef Stefan Naas
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Genügend Stimmen

Auch Wagner warf Mansoori vor, in seiner Erklärung wesentliche Antworten schuldig geblieben zu sein. Er sprach von "gravierenden Vorwürfen" gegen den SPD-Politiker. Im Untersuchungsausschuss werde es unter anderem darum gehen, ob Mansoori und CDU-Kultusminister Armin Schwarz das Parlament pflichtgemäß informiert hätten.

Neben dem "unwürdigen und unprofessionellen Verhalten" des Wirtschaftsministers werde zudem untersucht, ob Mitarbeiter seines Hauses damit beschäftigt gewesen seien, Material gegen Messari-Becker zu sammeln - und ob dabei der Dienstweg eingehalten wurde. Eine lange Ausschussarbeit erwarten die Initiatoren selbst nicht. Die Aufklärungsaufgabe sei überschaubar und "kurz und kompakt" zu erledigen, sagte Naas.

Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ist ein Minderheitenrecht. Beide Fraktionen haben genügend Stimmen, um ein solches Gremium einzusetzen. Dazu reicht die Zustimmung eines Fünftels aller Abgeordneten. Grüne und FDP haben gemeinsam 30 von 133 Sitzen im Landtag - die Grünen 22, die FDP 8.

Aus beiden Fraktionen hieß es jeweils, alle Mitglieder hätten den Antrag am Ende unterschrieben. Zuvor habe sich die Grünen-Fraktion einstimmig, die FDP-Fraktion mehrheitlich für den Schritt ausgesprochen.

Doch kein "singulärer Sachverhalt"

Wenige Stunden vor dieser Wende hatte Mansoori im Parlament erstmals eingeräumt, dass es an der Spitze des Ministerium schon vorher Differenzen mit der parteilosen Expertin über die Amtsführung gegeben habe. Die Entlassung der 51-Jährigen hatte ihre Ursache demnach nicht in einem "singulären Sachverhalt". Zur Pressemitteilung, in der er die Trennung mit einem einzigen "nicht hinnehmbaren Fehlverhalten" außerhalb der Dienstzeit begründet hatte, sagte er nun: Er hätte sie anders formulieren können.

Wörtlich sprach der Minister von einer "streitbaren Pressemitteilung". Und er sagte: "Wäre es womöglich sogar besser gewesen, sie knapper zu halten? Aus heutiger Sicht ja. Bedauere ich den Fortgang? Ja."

Ein Verweis auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis reicht, um Staatssekretäre als politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Gründe müssen nicht genannt werden. Dass Mansoori eine vage Anschuldigung erhob und keine Belege lieferte, ist nach Meinung der Opposition Rufmord.

Der Jura-Professor Thorsten Masuch, Mitverfasser eines Kommentars zum Hessischen Beamtenrecht, hält das Vorgehen des Ministers für eine Verletzung der Fürsorgepflicht, zumal Messari-Becker jedes Fehlverhalten bestreitet. Sie verlangt eine Rücknahme der Vorwurfs.

Nach Rheins Distanzierung

Drei Tage vor Mansooris Erklärung im Landtag hatte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) auch die Staatskanzlei auf Abstand zum Minister gehen lassen. Er ließ hinsichtlich der begründung klarstellen: In den einstweiligen Ruhestand habe man die Staatssekretärin nicht wegen eines Fehlverhaltens versetzt. In der Staatskanzlei sei auch keines dokumentiert. Die Aussage habe Mansoori allein zu verantworten, und man mache sie sich nicht zu eigen.

Vor diesem Hintergrund bekräftigte Mansoori im Parlament aber, eine anders formulierte Erklärung hätte an seiner Entscheidung nichts geändert, sich von der Staatssekretärin zu trennen. Was ungewöhnlich für Landtagsdebatten ist: Bei dem von der FDP initiierten aktuellen Tagesordnungspunkt sprach der Minister als Erster. Und er las sein Statement vom Tablet ab.

CDU erkennt menschliche Größe

Ginge es nach der schwarz-roten Koalition, wäre die seit Wochen schwelende Affäre mit dem Auftritt des Ministers vor den Abgeordneten beendet gewesen. Unionspolitiker Jörg-Michael Müller geriet darüber in der Debatte sogar ins Schwärmen: "Ich fand das, was der Staatsminister gemacht hat, groß", sagte er. Den Kritikern hielt Müller sogar vor: Er wisse nicht, wer von ihnen eine solche Größe besessen hätte.

Seine Gegner halten Mansoori aber offenkundig immer noch nicht für einen Politiker, an dem sie sich ein Beispiel nehmen sollten. Grünen-Fraktionschef Wagner machte klar, dass er in der Rede eine Fortsetzung des unwürdigen Verhaltens ausgemacht hat, das der SPD-Politiker in der Sache bisher an den Tag gelegt habe.

Wagner forderte Mansoori auf, er solle es in einem zweiten Anlauf noch einmal richtig versuchen: "Kommen Sie noch einmal an das Pult, entschuldigen Sie sich für ihren Fehler, entschuldigen Sie sich bei Frau Staatssekretärin Messari-Becker und geben Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit endlich die Antwort auf die entscheidenden Fragen."

Woher kam die Anschuldigung?

Was den Minister "um alles in der Welt" geritten habe, die Entlassung nicht einfach mit einem gestörten Vertrauensverhältnis zu begründen, ist dem Grünen-Politiker Wagner nach eigenen Angaben noch immer ein Rätsel. Seiner Meinung nach hat der SPD-Mann auch noch immer nicht beantwortet, ob Belastungseifer gegen Messari-Becker zu unsauberen Methoden führte.

Was dahinter steht: Mit Angaben eines Schulleiters über ein Elterngespräch, an dem die Ex-Staatssekretärin als Mutter teilnahm, soll Mansoori den Vorwurf des "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" begründet haben. Die Anschuldigung, sie habe ihren Posten im Ministerium in der Schule ungebührlich ins Spiel gebracht, bestreitet die Bau-Professorin.

In einem Bericht über das Gespräch fand das Kultusministerium schulrechtlich jedenfalls nichts Anstößiges. Der Bericht wurde dem Wirtschaftsministerium vor der Entlassung offenbar auch nicht offiziell innerhalb der Regierung weitergeleitet.

Frage umschifft

Die Frage, ob illegal geschnüffelt wurde, umschiffte Mansoori. Er formulierte vage: Der Sachverhalt über "das Auftreten meiner damaligen Staatssekretärin" habe ihn "erreicht".

Grundsätzlich verteidigte der SPD-Politiker die Entlassung, auch wenn er von einer "harten Entscheidung" sprach. In juristischem Duktus las der Minister vor: "Dieser Entscheidung war eine längere Entwicklung mit Differenzen über die Amtsführung in meinem Ministerium vorausgegangen. Die Entscheidung zur Trennung fiel nicht aufgrund eines singulären Sachverhalts. Sehr wohl stellte der Sachverhalt aber den entscheidungserheblichen Schlusspunkt dar."

SPD: Guter Minister wird diskreditiert

Der Opposition warf Mansoori vor, die Sache aufzubauschen. Er sprach von der Entlassung als einem "simplen Sachverhalt" und einer "Nebenfrage", mit der diese sich nun schon seit Wochen beschäftigte. Es gebe wichtigere Themen in seinem Ressort, etwa Wohnungsbau oder Energiepreise.

Genauso verteidigten Sprecher der Koalition ihren Minister, ohne auf die Vorwürfe selbst einzugehen. Mit Mansoori könne man über Zukunftsthemen wie die Vereinfachung der Bauordnung reden, lobte CDU-Mann Müller. Mansoori habe schon viel vorzuweisen, wie sein erfolgreicher Einsatz für die Ansiedlung der Anti-Geldwäsche-Behörde in Frankfurt oder für das VW-Werk in Baunatal (Kassel) gezeigt hätten, befand Elke Bartz (SPD).

Bartz äußerte den Verdacht: Der Opposition gehe es nicht um moralische Werte, sondern darum, "einen Minister zu diskreditieren, der fachlich eine wirklich gute Arbeit leistet".

FDP: "Hire, fire und nachtreten"

Das bezog sich nicht zuletzt auf die heftige Kritik, die FDP-Fraktionschef Naas zuvor geübt hatte. Er warf dem Wirtschaftsminister vor, dessen Vorgehen sei dem hohen Amt nicht würdig gewesen. "Wer will bei einem solchen Vorgehen noch für Sie arbeiten? Hire and fire und dann noch nachtreten - sind das Ihre Werte?", fragte Naas.

Die Deutung der Regierungsfraktionen, es gehe um Nebensächlichkeiten, ließ der FDP-Politiker nicht gelten. Zur Debatte stünden Mansooris Amtsführung und sein Amtsverständnis. Er habe Messari-Beckers Ruf zerstört und sich dafür erneut nicht entschuldigt.

Als "schweren handwerklichen Fehler" bezeichnete der AfD-Abgeordnete Andreas Lichert, dass der Minister die Entlassung mit einer Begründung versah. Der Vorgang werde Politik-Quereinsteiger abschrecken und den "Fachkräftemangel auf der Regierungsbank weiter verschärfen". 

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de