Das müssen Sie zur Wahl der Ausländerbeiräte wissen

Bei der Kommunalwahl in Hessen am 14. März werden auch die Ausländerbeiräte neu gewählt. Sieben Fragen und Antworten zu ihrer Arbeit, ihrem Einfluss und ihren Erfolgen.

Die Grafik zeigt eine Tür mit einem Klingelschild "Ausländerbeirat". In der Tür steht eine Frau mit einem Lächeln. Auf der Wand neben der Tür steht in vielen Sprachen "Willkommen".
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Ausländerbeiratswahl am 14. März

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Ausländerbeiräte setzen sich für die Probleme und Belange der Migranten und Migrantinnen in ihrer Stadt oder Gemeinde ein, unterstützen die Integration und haben für die Kommunen auch eine Vermittlerrolle. Gewählt werden dürfen sie dabei jedoch nur von den Migranten, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. In Hessen wohnen mehr als eine Million Menschen ohne deutschen Pass.

Bislang fand die Wahl der Beiräte nie zeitgleich mit der Kommunalwahl statt. Um die sonst eher niedrige Wahlbeteiligung zu erhöhen, werden nun auch die Ausländerbeiräte am 14. März für die nächsten fünf Jahre neu gewählt. Ebenfalls neu ab diesem Jahr: Städte und Gemeinden konnten sich vorab dazu entscheiden, keine Wahl durchzuführen und alternativ eine "Integrationskommission" einzusetzen - die Beiräte befürchten darin ihre Abschaffung. Das müssen Sie zur Wahl wissen:

Wozu gibt es Ausländerbeiräte?

Einwohner aus dem Ausland, die nicht EU-Bürger sind, haben keine politische Stimme bei den Kommunalwahlen. Damit sie in der Stadt- oder Lokalpolitik dennoch gehört werden, gibt es Ausländerbeiräte. Sie vertreten in den Gemeinden die Interessen der Menschen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben – so gibt es die hessische Gemeindeordnung vor. Nur sie dürfen den Beirat wählen. Doch das Selbstverständnis der Beiräte greift weiter.

"Wenn es um Diskriminierung und Rassismus geht, wird man nicht gefragt, ob man einen deutschen Pass hat", sagt der Vorsitzende des Landesausländerbeirats, Enis Gülegen. Die Beiräte setzten sich gegen Rassismus und für Gleichberechtigung in ihren Kommunen ein. Davon profitierten nicht nur Ausländer, sondern auch eingebürgerte Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund. Sie haben einen deutschen Pass und dürften nicht mitwählen. Das Gremium sei somit in der Praxis vielmehr ein "Migrantenbeirat", wie Gülegen betont.

In Frankfurt gelten die Mitglieder der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) als Fachexperten für alles, was Integration betrifft, wie Jumas Medoff von der KAV berichtet. Es gebe kaum ein Thema in der Stadtpolitik, bei dem Menschen mit Migrationshintergrund nicht betroffen seien.

Wer darf wählen – und gewählt werden?

Grundsätzlich gilt: Es dürfen lediglich Einwohner ohne deutschen Pass an der Ausländerbeiratswahl in der jeweiligen Gemeinde teilnehmen. Dazu zählen zum Beispiel EU-Bürger, Geflüchtete oder internationale Studierende. Sie müssen seit mindestens sechs Wochen ihren Hauptwohnsitz in der Gemeinde haben und am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sein. Für viele Einwohner ohne deutschen Pass aus dem nicht-europäischen Raum ist das Wahlrecht zur Ausländerbeiratswahl die einzige Form der politischen Beteiligung.

Anders sieht die Regel für diejenigen aus, die sich für den Ausländerbeirat aufstellen lassen: Kandidieren dürfen Einwohner mit einer deutschen und einer weiteren ausländischen Staatsangehörigkeit, nicht-deutsche EU-Bürger, eingebürgerte Deutsche oder Einwohner ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Voraussetzung ist, dass sie seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde gemeldet sind und 18 Jahre oder älter sind.

Es gibt je nach Größe der Gemeinde zwischen 3 und 37 Beiratsmitglieder. Die Vertreter arbeiten ehrenamtlich. Gewählt wird wie bei der Kommunalwahl - mit mindestens einer Wahlliste.

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Ein Mensch sitzt vor einem großen Stimmzettel.
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Gibt es in jeder Kommune in Hessen einen Ausländerbeirat?

Nein. Jede Gemeinde oder Stadt hat grundsätzlich aber die Möglichkeit dazu. Verpflichtend ist eine ausländische Interessenvertretung in Kommunen nur dann, wenn dort mehr als 1.000 Einwohner mit einer nicht-deutschen Staatsangehörigkeit wohnen. Seit einer Reform der Gemeindeordnung im Mai 2020 muss das aber nicht mehr zwingend ein gewählter Ausländerbeirat sein. Kommunen können sich auch dafür entscheiden, eine von Gemeindevertretern oder Stadtverordneten gewählte Integrationskommission zu bilden. (zu den Unterschieden).

Nach der Wahl wird es den Angaben des Landesausländerbeirats zufolge in 87 Kommunen eine Integrationskommission geben. In 38 Kommunen hat sich die Mehrheit der Vertreter für die Alternative entschieden, in 49 Kommunen fehlte es an Wahlvorschlägen oder sie konnten wegen Mängeln nicht zugelassen werden. In fast genauso vielen Kommunen – insgesamt 86 - wird am 14. März ein Ausländerbeirat gewählt.

Insgesamt gibt es hessenweit 173 Kommunen mit mehr als 1.000 Einwohnern ohne deutsche Staatsbürgerschaft. In den Landkreisen Gießen, Kassel und Darmstadt-Dieburg und in der Gemeinde Buseck (Gießen) gibt es Ausländerbeiräte auf freiwilliger Basis.

Wie viel Einfluss hat ein Ausländerbeirat?

Anders als Stadtverordnete und Gemeindevertreter haben die Beiratsmitglieder kein Stimmrecht in den Versammlungen. Nach Ansicht des Landesausländerbeirats führe dies dazu, dass das Gremium bei vielen Menschen den Eindruck eines "zahnlosen Tigers" erwecke. Oftmals fehle es in den Sitzungen an einer Mehrheit für die eingereichten Verbesserungsvorschläge.

Wie Xiaotian Tang vom Ausländerbeirat Marburg berichtet, würden viele Erfolge und Kompromisse im Austausch mit den Ansprechpartnern erzielt werden - nicht in den Parlamentssitzungen. "Man muss immer aus verschiedenen Kanälen Druck machen – und nicht aufhören, wenn man einmal ein 'Nein' hört." Auch im Frankfurter Stadtparlament würden die Anträge der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) meistens abgelehnt werden. "Aber ein paar Monate später findet man dann unsere Ideen auf der Internetseite der Parteien wieder", sagt Jumas Medoff, Vorsitzender der KAV.

Was haben Ausländerbeiräte in Hessen verändern können?

Seit Mitte Januar gibt es bei der Ausländerbehörde in Frankfurt ein Online-Terminvergabeverfahren. Ein Ziel, für das die Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung jahrelang gekämpft hatte. Um beispielsweise ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, hatten Geflüchtete, internationale Studierende oder Fachkräfte vorher stundenlang anstehen müssen. Anrufe oder E-Mails blieben oft unbeantwortet.

"Es sind bei uns sehr, sehr viele Beschwerden über die Ausländerbehörde eingegangen", sagt Jumas Medoff, Vorsitzender der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung aus Frankfurt (KAV). Im wiederholten Austausch mit der Behörde wurde schließlich eine Lösung gefunden, im Stadtparlament fehlte es an einer Mehrheit für den Antrag.

In Marburg setzt sich der Beirat sehr für die Belange der vielen internationalen Studierenden ein – und erreichte zum Beispiel, dass "Sperrkonten" wegen der Corona-Pandemie bis Ende 2021 nicht notwendig sind. Zur Verlängerung des Aufenthaltstitels mussten Studierende monatlich 700 bis 800 Euro hinterlegen und pro Monat auch nicht mehr Geld abheben. Jetzt reicht ein aktueller Kontoauszug über 5.000 Euro.

Wieso gibt es Kritik an den Ausländerbeiräten?

Bei der vergangenen Wahl im Jahr 2015 lag die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei sechs Prozent. Weil sich nicht ausreichend Migranten für das Amt aufstellen lassen, gibt es mancherorts gar keinen Ausländerbeirat – auch wenn dieser eigentlich vorgeschrieben war.

Die Reform der Ausländerbeiräte, die die schwarz-grüne Landesregierung im vergangenen Jahr vorangetrieben hatte, sollte diese Schwachstellen verbessern. Dazu zählte, dass alternativ eine Integrationskommission eingerichtet werden könne und die Wahl parallel zu den Kommunalwahlen stattfindet.

Der Landesausländerbeirat sieht die Ursachen für fehlende Kandidaten und Wahlstimmen allerdings in der teils fehlenden Unterstützung seitens der Kommunen. "Wir haben sehr viele Gemeinden in Hessen, wo man diesen Beirat überhaupt nicht will", sagt Gülegen. Über die wichtige Frist zum Einreichen von Wahlvorschlägen werde dort beispielsweise kaum informiert.

Ausländerbeirat oder Integrationskommission - was ist der Unterschied?

Die Mitglieder der Integrationskommission werden nicht direkt von den ausländischen Einwohnern, sondern von den Gemeindevertretern oder Stadtverordneten gewählt. Die neue Kommission besteht zur Hälfte aus Stadtverordneten oder Gemeindevertretern und zur anderen Hälfte aus Migranten. Der Bürgermeister stellt den ersten Vorsitzenden.

Eingesetzte und "hörige" Integrationskommissionen statt kritische Ausländerbeiräte - das befürchten die Ausländerbeiräte. "Sie können nicht den Menschen vorgeben, ich bestimme, wer von euch bei mir zu den Belangen der Migranten sprechen darf", kritisiert Enis Gülegen vom Landesausländerbeirat.

Die Reform entziehe zudem Migranten ohne deutschen Pass ihr einziges Wahlrecht und biete Kommunen eine einfache Möglichkeit, unbequeme Ausländerbeiräte abzuschaffen. Nur in Kommunen, in denen keine Beiratswahlen zustande kämen, könne eine Kommission eine Option sein, betonte Gülegen.

Weitere Informationen

Kommunalwahl: Die Gremien im Überblick

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau. 06.03.2021, 19.30 Uhr

Quelle: hessenschau.de