Kommunalwahl: Wie fülle ich den Stimmzettel richtig aus?

Ab sofort können die Hessinnen und Hessen ihre Stimmen für die Kommunalwahl per Briefwahl abgeben. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Wie funktioniert Kumulieren und Panaschieren noch gleich? Und ist das sinnvoll?

Die Grafik zeigt einen ratlosen Menschen vor einem Wahlzettel.
Den Stimmzettel richtig auszufüllen ist bei der Kommunalwahl komplizierter als bei vielen anderen Wahlen. Bild © hessenschau.de
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Kommunalwahl: Wie fülle ich meinen Stimmzettel richtig aus?

Ein Mensch sitzt vor einem großen Stimmzettel.
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1,50 Meter breit und 60 Zentimeter hoch - so ausladend war der Stimmzettel für die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt bei der vergangenen Kommunalwahl 2016. Ähnlich groß soll er auch in diesem Jahr wieder sein. 93 Stimmen können Wähler bei der Kommunalwahl bis zum 14. März darauf vergeben. Hinzu kommen noch bis zu 19 Stimmen für die Ortsbeiratswahl.

Doch damit ist Frankfurt nicht mal Spitzenreiter in Hessen. In den Hanauer Ortsteilen Großauheim/Wolfgang und Innenstadt dürfen die Wähler bei den Wahlen für Kreistag, Stadtparlament und Ortsbeirat zusammen genommen sogar 163 Kreuzchen machen.

Wie funktioniert Kumulieren und Panaschieren?

Grund für solch überdimensionale Stimmzettel ist das hessische Wahlrecht. Dieses ermöglicht das Kumulieren und Panaschieren von Stimmen. Konkret heißt das: Die Wähler haben soviele Stimmen, wie Sitze zu vergeben sind. Für die Wahl einer Gemeindevertretung mit beispielsweise 31 Sitzen stehen ihnen 31 Stimmen zur Verfügung, für die Wahl eines Ortsbeirates mit 11 Sitzen gibt es entsprechend 11 Stimmen.

Die Wähler dürfen ihre Stimmen auf mehrere Personen aufteilen. Dabei dürfen Sie auch Kandidaten verschiedener Parteien wählen. Das nennt man Panaschieren. Zusätzlich können die Wähler einzelnen Kandidaten gleich mehrere Stimmen geben. Diese sind allerdings auf maximal drei Stimmen pro Kandidat begrenzt. Das Anhäufen von zwei oder drei Stimmen auf einen Kandidaten nennt man Kumulieren.

Wie kann ich das umgehen?

Pflicht ist weder das Kumulieren noch das Panaschieren. Es reicht auch, ein einfaches Listenkreuz zu machen. Dann kommen alle Stimmen automatisch der angekreuzten Liste und den daraufstehenden Kandidaten zugute.

Es besteht aber die Möglichkeit, einzelne Namen durchzustreichen, um diesen Kandidaten keine Stimme zu geben. Es ist außerdem möglich, nur einen Teil der Stimmen an einzelne Bewerber zu vergeben. Damit die restlichen Stimmen dann nicht verfallen, kann man zusätzlich eine gesamte Liste ankreuzen.

Warum ist das Wahlsystem so kompliziert?

Eingeführt wurde das Kumulieren und Panaschieren auf kommunaler Ebene erst 2001. Damit sollten den Wählern mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung gegeben und ihr Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments gestärkt werden. So schaffen immer mal wieder einzelne Politiker von einem der hinteren Listenplätze den Sprung in die Gemeindevertretung oder ins Stadtparlament.

Als besonders aktiv bei der Nutzung von Kumulieren und Panaschieren gelten die Wähler der Grünen. Bei der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2000 erhoffte sich die Politik auch, dass das Interesse der Bürger an der Wahl gestärkt werde. Ob das gelang, ist allerdings fraglich. Im Jahr 2016 gingen gerade mal 48 Prozent der Berechtigten zur Wahl. Zum Vergleich: 1997 lag die Wahlbeteiligung noch bei über 67 Prozent.

Was halten Experten davon?

Der Gründer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sieht im Wahlsystem sogar die Ursache für die stetig sinkende Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen. Es führe dazu, dass nicht mehr, sondern weniger Menschen zur Wahl gingen.

"Das Wahlsystem muss einfacher werden", sagt Güllner. Das aktuelle System sei zu kompliziert. "Vor allem in den Städten ist es irre. Ich kann doch nicht 93 Stimmen vergeben." Das Wahlsystem sei außerdem Grund dafür, dass es viele ungültige Stimmzettel gebe. So waren bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren mehr als vier Prozent aller Stimmen ungültig – bei der letzten Bundestagswahl hingegen war es hessenweit nur knapp über ein Prozent.

Nach Ansicht des Kasseler Politikwissenschaftlers Lukas Kiepe ist es nicht abwegig, dass das Wahlsystem die soziale Spaltung in Hessen verschärft: Für diejenigen, die vertraut mit Politik seien und sich einbringen wollten, sei es ein Zugewinn. Für potenzielle Wähler, die unsicher seien und keinen großen Bezug zum politischen Prozess hätten, sei das System komplizierter.

"Ein größeres Problem des Panaschierens und Kumulierens ist die Unbekanntheit der meisten Kandidaten", sagt Kiepe. Demnach würde vor allem in kleinen Gemeinden davon Gebrauch gemacht, in großen Städten weniger. Wenn die Kandidaten unbekannt sind, dann würden diese nach ihrem Doktortitel, Geschlecht oder Migrationshintergrund gewählt und weniger aufgrund ihrer Kompetenz.

Was bedeutet das für die Auszählung der Stimmen?

Das Wahlsystem führt auch zu ganz praktischen Problemen: Weil das Auszählen der Stimmzettel mehrere Tage dauert -  viel länger als bei Landtags- oder Bundestagswahlen - werden in den meisten Kommunen städtische Angestellte dafür eingesetzt.

Die fehlen dann wiederum in ihren eigentlichen Positionen. Das bedeutet, dass manche Ämter in den Tagen nach der Wahl geschlossen bleiben. In der Vergangenheit machten beispielweise einige städtisch betriebene Kindergärten dicht und boten nur einen Notdienst an - sehr zum Ärgernis der Eltern, die sich um Ersatz bei der Kinderbetreuung kümmern mussten.

"Angesichts der Corona-Pandemie stellt dies die Kommunen vor eine große Herausforderung, denn viele Mitarbeiter sind bereits zu den Gesundheitsämtern abgeordnet und dort unabdingbar", sagt Politikwissenschaftler Lukas Kiepe von der Universität Kassel. Ohnehin gebe es 2021 einen coronabedingten Mehraufwand, da mit einem Anstieg der Briefwahl gerechnet wird.

Was sagt die Politik?

Nach der Kommunalwahl 2016 brach eine Diskussion um das Wahlsystem aus. Die hessische SPD forderte eine Vereinfachung des bestehenden Systems. Die Vorsitzende Nancy Faeser sagte dem hr damals, es habe viele ungültige Wahlzettel gegeben. Gerade ältere Menschen seien damit nicht klar gekommen. Das Kumulieren und Panaschieren könne man vereinfachen, das zeige das Beispiel anderer Bundesländer.

CDU-Generalsekretär Manfred Pentz bezeichnete diese Überlegungen 2016 als "Quatsch". Es wundere ihn, dass die SPD wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale schon über eine Reform des Wahlrechts sprechen wolle. Wenn einem das Ergebnis nicht passe, könne man über vieles sprechen, aber nicht über eine Wahlrechtsreform.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 08.02.2021, 19.30 Uhr

Quelle: hessenschau.de