Stadt Offenbach vor der Kommunalwahl "Tansania" will auf die Langstrecke

Das Viererbündnis aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern strebt eine erneute Mehrheit im Offenbacher Stadtparlament an. Die SPD baut nach fünf Jahren in der Opposition auf Oberbürgermeister Schwenke.

Kaiserlei Kreisel im Schilderwald
Wird die Großbaustelle am Kaiserlei bald fertig? Bild © picture-alliance/dpa
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So lebt man hier:

Nach den Zahlen des städtischen Melderegisters leben in Offenbach rund 140.000 Menschen. Die Einwohnerzahl wächst seit Jahren, und das wird wohl auch in den kommenden Jahren so bleiben. Mit einem Durchschnittsalter knapp über 40 Jahren ist die Bevölkerung im Hessen-Vergleich ziemlich jung – das ist Großstadt-Normalität und gilt zum Beispiel auch für den großen Nachbarn Frankfurt.

Rund zwei Drittel der Offenbacherinnen und Offenbacher stammen aus Zuwandererfamilien. Die Kaufkraft der Einwohner liegt deutlich unter dem hessischen Durchschnitt: Vergleichsweise viele Menschen sind auf staatliche Leistungen angewiesen. Jedes vierte Kind lebt einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebensrealität in der Stadt ist aber vielschichtig, die Entwicklung dynamisch.

Die Chancen und Herausforderungen der Region:

Weil die Frankfurter Innenstadt nur wenige S-Bahn-Stationen entfernt liegt, ist Offenbach mit seinen noch halbwegs bezahlbaren Mieten als Wohnort attraktiv – nicht zuletzt für Familien. Doch der Strukturwandel hat die einstige Industriestadt voll erwischt. Noch hakt es bei der Neuansiedlung von Firmen, die das fast vollständig weggebrochene produzierende Gewerbe ersetzen können.

Die überschaubaren Gewerbesteuereinnahmen sind für die notorisch klamme Kommune ein großes Problem. Das muss aber nicht so bleiben: Der bald abgeschlossene Rückbau des Kaiserlei-Kreisels schafft attraktive Büroflächen, die stark nachgefragt sind.

Offenbach verfügt über die größte innenstadtnahe Flächenreserve im gesamten Rhein-Main-Gebiet: eine riesige alte Industriebrache, die einmal eine Art Firmen-Campus für Zukunftstechnologien beherbergen soll. Bei allen vorhandenen Problemen: Die Stadt ist inzwischen gut darin, sich neu zu erfinden.

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Das Topthema vor der Wahl:

Das eine dominante Thema, das Menschen und Kommunalpolitik in Offenbach bewegt hätte, gab es in den vergangenen Jahren nicht. Beim Neu- und Umbau von Schulen unternimmt die Stadt große Anstrengungen. Das ist auch finanziell ein Kraftakt – und für Familien mit Kindern natürlich besonders wichtig.

Ein weiteres zentrales Zukunftsthema ist die Verkehrsplanung. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen soll die hohe Schadstoffbelastung in der Luft nachhaltig gesenkt werden. Die ersten Elektro-Linienbusse fahren schon, zurzeit entsteht ein Netz von Fahrradstraßen, mit dem das Radeln in der Stadt attraktiver werden soll.

Das beschäftigt die Menschen noch:

Vor knapp zwei Jahren wurde die Grundsteuer für Hausbesitzer (Grundsteuer B) in Offenbach massiv erhöht. Der beschlossene Hebesatz von 995 Punkten zählte deutschlandweit zu den höchsten. Bei vielen Hauseigentümern war die Empörung groß. Es hagelte Einsprüche und gab lautstarken Protest bei einer Demonstration am Rathaus.

Inzwischen hat die so genannte "Tansania-Koalition" aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern den Hebesatz auf 885 Punkte gesenkt. Möglich wurde das durch Mehreinnahmen beim kommunalen Finanzausgleich und einen höheren Bundeszuschuss zu den Wohnkosten für Sozialhilfeempfänger. Ob die Grundsteuer-Senkung von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten.

Außerdem läuft am Offenbacher Wilhelmsplatz derzeit ein Verkehrsversuch. An den drei wöchentlichen Markttagen werden die seitlichen Gässchen, die Offenbachs "Gud Stubb" einrahmen, tagsüber für den motorisierten Verkehr gesperrt. Einige Händlerinnen, die auf dem Wochenmarkt vertreten sind, halten davon aber wenig. Die Stadt erhofft sich von einer Umfrage ein umfassenderes Stimmungsbild.

So ist die politische Ausgangslage in der Stadt:

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Die SPD bestimmt alles – das war aus Sicht der Offenbacher Sozialdemokraten mal so etwas wie die natürliche Ordnung der Dinge in der einstigen Arbeiterstadt. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Die SPD wurde 2016 in die Opposition geschickt, nachdem es für eine Dreierkonstellation mit Grünen und Freien Wählern nicht mehr gereicht hatte.

Die Sozialdemokraten arbeiten sich seitdem an dem Vierer-Bündnis aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern ab. Die Tansania-Koalition wirkt nach außen zwar stabil, muss sich aber mit dem durchaus selbstbewussten SPD-Oberbürgermeister Felix Schwenke arrangieren. Der hatte dem heutigen Stadtkämmerer Peter Freier (CDU) 2017 in einer Stichwahl keine Chance gelassen.

Mit 37 der 71 Sitze (den bei der CDU hospitierenden Piraten Gregory Engels mitgerechnet) ist die Mehrheit der Tansania-Koalition nicht üppig. Allerdings wurden die Grünen bei der Europawahl 2019 in der Heimatstadt des stellvertretenden hessischen Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir erstmals stärkste Partei. Sie rechnen mit einem kräftigen Plus gegenüber ihrem schwachen Abschneiden bei der Kommunalwahl 2016.

Das sind die wichtigsten Köpfe:

Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD) hat sich als Nachfolger seines populären und volksnahen Vorgängers Horst Schneider (SPD) etabliert. Schwenke muss den Chefsessel im Rathaus zwar erst 2023 verteidigen, tritt zur Kommunalwahl aber als SPD-Spitzenkandidat an, obwohl er für ein Mandat als Stadtverordneter natürlich nicht in Frage kommt. Gleich vier Top-Ten-Listenplätze der SPD gingen an junge Frauen – angeführt von der erst 21 Jahre alten Hibba Kauser auf Platz vier.

Paul-Gerhard Weiß (FDP) ist mit 61 Jahren sicher kein politischer Senkrechtstarter. Ein charismatischer Redner ist er auch nicht. Doch der stets bedächtige und reflektierte Stadtrat ist Offenbachs Superdezernent. Fast alle Themen, die breites Interesse finden, fallen in den Zuständigkeitsbereich des Liberalen: Schule, Verkehr, Stadtplanung und Bau, Klimaschutz und Umwelt, Fluglärm. Dass es in einigen dieser Politikfelder sichtlich vorangeht, könnte der FDP an der Wahlurne helfen.

Für Streit und Skandale war in der Offenbacher Stadtpolitik zuletzt die AfD zuständig. Von den sechs ursprünglich gewählten Stadtverordneten sind mit Neuzugang Hans-Joachim Münd (Ex-Republikaner) noch drei übrig – die anderen haben eine eigene Gruppierung gebildet. Von der Offenbacher AfD bleibt eine One-Woman-Show der Partei- und Fraktionschefin Christin Thüne. Sie hatte sich nach diversen Querelen und einem zwischenzeitlichen Parteiausschluss erfolgreich in die AfD zurückgeklagt.

Hier könnte es besonders spannend werden:

Der Ausgang der Kommunalwahl in Offenbach ist schwer vorherzusagen, zumal wohl nur jede und jeder Dritte abstimmen wird. Bei der Kommunalwahl 2016 war die Wahlbeteiligung mit 32,9 Prozent nirgendwo in Hessen so niedrig wie in Offenbach. Es spricht wenig dafür, dass im März ein Zweierbündnis auf eine Mehrheit kommen kann.

Interessanter ist daher die Frage, wer eine künftige Koalition anführen darf. Mit der SPD, der CDU und den Grünen haben gleich drei Parteien eine ernsthafte Chance, stärkste Partei zu werden.

Diese Entscheidungen stehen noch an:

In Offenbach geht es am 14. März nicht nur um die künftige Zusammensetzung des Stadtparlaments, sondern auch um die Wahl eines neuen Ausländerbeirats. Zudem kündigt sich ein Bürgerentscheid an – allerdings erst später im Jahr. Wie zuvor schon in anderen Städten sammelt eine Radentscheid-Initiative Unterschriften für eine bessere Infrastruktur und mehr Sicherheit für alle, die sich aufs Fahrrad schwingen.

Quelle: hessenschau.de