Vogelsbergkreis vor der Kommunalwahl Landliebe, Leerstand, Lückenschluss

Während Anwohner, SPD und CDU sehnsüchtig auf den Weiterbau der A49 warten, macht den Grünen bei der Kommunalwahl eine neue Klimaliste Konkurrenz. Größte Herausforderung ist die seit Jahren schrumpfende Bevölkerung.

Eislandschaft Vogelsberg mit Herchenhainer Höhe
Pulverschnee auf der Herchenhainer Höhe im Vogelsberg. Bild © Imago Images
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So lebt man hier:

Mit nur 72 Einwohnern pro Quadratkilometer ist im Vogelsbergkreis vor allem eines - viel Platz. Zum Vergleich: In Frankfurt drängen sich auf ebenfalls einem Quadratkilometer mehr als 3.000 Einwohner. Die Arbeitslosigkeit im Vogelsberg ist zwar vergleichsweise niedrig, viel verdient wird allerdings anderswo: 2019 war das monatliche Bruttoeinkommen nach Angaben der Arbeitsagentur in Darmstadt mit rund 4.300 Euro am höchsten, der Vogelsberg lag abgeschlagen bei rund 3.000 Euro.

Da der Kreis an nahezu allen Seiten von Autobahnen umschlossen ist, entstanden in der Nähe der Fernstraßen große Logistikflächen. Ende 2020 zog der Lebensmittellogistiker Nordfrost in ein neues Verteilzentrum bei Mücke ein. In wenigen Jahren soll auch die umstrittene A49 auf einigen Kilometern durch den Nordwesten des Kreises führen.

Die Vulkanlandschaft des Vogelsbergkreises ist weithin bekannt. Besonders Ausflügler aus dem Rhein-Main-Gebiet und der Wetterau kommen gerne in die Region, die sich seit 1958 offiziell Naturpark nennen darf. Auf dem Hoherodskopf hat die Stadt Schotten zuletzt viel in neue Angebote für Touristen investiert.

Die Herausforderungen der Region:

Das statistische Landesamt geht davon aus, dass die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2040 um ein Viertel schrumpfen wird. Geboren wird im Vogelsberg genau genommen kaum noch jemand: Die Geburtsstation im Alsfelder Krankenhaus schloss bereits 2016 ihre Pforten.

Die sinkende Bevölkerungszahl stellt den Kreis vor große Probleme. Für immer weniger Menschen muss Infrastruktur vorgehalten werden: Kläranlagen, Wasser- und Abwasserleitungen, Bauhöfe. Die Zersiedelung des Vogelsbergkreises bremst auch die Versorgung mit schnellen Internetverbindungen aus. Seit Jahren müht sich der Kreis, VDSL-Anschlüsse bis 100 oder 250 Mbit/s in allen Gemeinden zu ermöglichen. Mittlerweile sind teilweise auch Glasfaseranschlüsse im Gespräch.

Wegen der schrumpfenden Bevölkerung herrscht vielerorts Leerstand. Der Traum vom Eigenheim lässt sich in einigen Vogelsbergorten schon zum Preis eines Mittelklassewagens verwirklichen. Allerdings drohen erhebliche Folgekosten für Sanierung und Modernisierung.

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Das Topthema vor der Wahl:

Der Weiterbau der A49 entzweit die Menschen im Vogelsbergkreis seit vielen Jahren. Anwohner der vielbefahrenen B62 bei Kirtorf können es kaum erwarten, dass die Autobahn eine Entlastung für sie bringt. Umweltschützer halten die Planungen dagegen für vollkommen aus der Zeit gefallen.

Für die Koalition aus SPD und CDU ist die A49 jedoch eines der wichtigsten und vordringlichsten Themen. Der Weiterbau ist im Koalitionsvertrag von 2016 festgeschrieben. Hombergs grüne Stadträtin Barbara Schlemmer stellte sich derweil gegen ihre Parteikollegen in der Landesregierung und forderte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir zum Rücktritt auf, weil er die Rodungen nicht stoppte.

Das beschäftigt die Menschen noch:

Das Krankenhaus in Alsfeld wird in den kommenden Jahren abgerissen und neu gebaut. Das kostet die Kreisbewohner eine ganze Stange Geld: 87 Millionen Euro hat der Kreis dafür veranschlagt. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb hätte länger gedauert und wäre wohl ähnlich teuer geworden.

In vielen Kommunen wächst außerdem der Widerstand gegen die Straßenausbaugebühren. Grundstücke im Vogelsbergkreis sind oft groß und weitläufig. Die Anwohner werden deshalb besonders stark zur Kasse gebeten, wenn Straßen und Kanäle saniert werden.

So ist die politische Ausgangslage im Landkreis:

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Der Vogelsbergkreis galt bis in die 90er Jahre hinein als "rot". Traditionell ging die SPD als Sieger aus den Wahlen hervor. Das änderte sich erst um die Jahrtausendwende. Bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2016 sackte der Stimmenanteil der Grünen, bisher wichtigster Koalitionspartner, auf nur noch 7,7 Prozent ab.

Der ebenfalls geschwächt aus der Wahl hervorgegangenen SPD reichte das nicht mehr für eine stabile Mehrheit. Neuer Koalitionspartner wurde die CDU, die 2016 mit 35,5 Prozent das stärkste Wahlergebnis aller Parteien einfuhr. Bei den kleineren Parteien erwiesen sich nur die Freien Wähler mit 10,6 Prozent als recht stark.

Landrat ist Manfred Görig (SPD), der im November 2011 per Direktwahl von den Bürgern in sein Amt berufen und 2017 bestätigt wurde. Görig ist studierter Diplom-Ingenieur, war lange bei der Telekom beschäftigt und saß zuletzt einige Jahre für seine Partei im Wiesbadener Landtag.

Das sind die wichtigsten Köpfe:

Jens Mischak, der derzeit amtierende erste Kreisbeigeordnete, ist Jurist und war zuvor als Richter am Landgericht Fulda tätig. Er führt die CDU ins Rennen und könnte der nächste Landrat werden. Landrat Görig (SPD) wäre bei der nächsten anstehenden Direktwahl im Jahr 2024 jedenfalls schon alt genug, um in Rente zu gehen.

Barbara Schlemmer, die Stadträtin von Homberg (Ohm) und hauptberufliche Mediatorin, ist eine Gallionsfigur der Proteste gegen die A49. Ob sie es mit ihrem Platz 13 auf der Liste der Grünen in den Vogelsberger Kreistag schafft, ist aber noch offen.

Denn in letzter Sekunde haben die Grünen im Vogelsberg Konkurrenz bekommen – die "Klimaliste Vogelsberg" tritt ebenfalls zur Kommunalwahl an. Die Mitglieder der Liste wohnen allesamt in der Nähe der geplanten Autobahntrasse und haben sich eindeutig gegen den A49-Weiterbau ausgesprochen.

Quelle: hessenschau.de