Wiesbaden vor der Kommunalwahl Dicke Luft auf den Straßen und im Rathaus

In der Autostadt Wiesbaden sorgt nicht nur die Verkehrswende für Zündstoff. Dicke Luft gibt es auch im Rathaus. AWO-Affäre und umstrittene Parteispenden könnten die Beteiligten bei der Kommunalwahl Stimmen kosten.

Stadtverkehr mit vielen Autos und Ampel
Pförtnerampeln lassen weniger Autos in die Innenstadt, deshalb staut es sich nun auf dem Ersten Ring. Bild © picture-alliance/dpa
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So lebt man hier:

Wiesbaden, das ist ein Spaziergang durch den sonnigen Kurpark oder ein Besuch in einem der vielen Cafés. Ein bisschen Kurflair ist noch da. Die Stadt hat zwei Pole: Richtung Taunus liegen die reichen Villenviertel, am Rhein die ärmeren Industrieviertel. Folglich dominiert im Norden eher die CDU, im Süden eher die SPD. Im Westen stehen Weinberge, im Osten Streuobstwiesen.

Mit rund 291.000 Einwohnern ist die Landeshauptstadt die zweitgrößte Stadt in Hessen. Mitgezählt sind die Soldatinnen und Soldaten der US-Armee für Europa und Afrika. Das Kommando für Afrika ist gerade neu dazugekommen.

Die Arbeitslosenquote lag im Januar bei 8,1 Prozent und damit höher als in Frankfurt, Mainz oder Darmstadt. Menschen mit Migrationshintergrund gehören inzwischen so sehr zur Stadt, dass man sie nicht mehr zu zählen braucht.

Die Herausforderungen der Stadt:

Wie kann die Innenstadt gerettet werden? Immer mehr inhabergeführte Kleidungsgeschäfte und kleine Bäckereien und Fleischer schließen. Es gibt schon einen Citymanager, die Beteiligten arbeiten an einem Masterplan. Ideen aus der Genusswelt scheinen erfolgsversprechend: Wiesbaden könnte schon jetzt die Stadt der Macarons, Petits Fours, Torten und Cafés genannt werden.

Eine weitere Herausforderung ist das Wachstum der Stadt. Die meisten Parteien sind für den Bau eines neuen Stadtteils. Das geplante "Ostfeld" soll in Hochhäusern etwa 10.000 Menschen Platz bieten. Doch das würde für die ohnehin schon verstopfte Innenstadt noch mehr Verkehr bedeuten. Außerdem könnte das neue Viertel dem Klima schaden. Die Linken und Fridays for Future sind jedenfalls gegen den Ausbau.

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Das Topthema vor der Wahl:

Nur wenig hat die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener so aufgebracht wie die Verkehrswende. Am Anfang war man froh über ein abgewendetes Dieselfahrverbot. Der Luftreinhalteplan wurde beschlossen, Gericht und Deutsche Umwelthilfe akzeptierten die zahlreichen Maßnahmen.

Doch dann kam die Realität: Den Autos wurden Parkplätze und Fahrspuren weggenommen, auf dem Ersten Ring staut es sich deshalb. Pförtnerampeln sollen nun den Zustrom der Autos in die Stadt kontrollieren. Das verlegt den Stau nach außerhalb. Immerhin: Für Radelnde hat sich endlich einiges verbessert. Aber auch hier ist immer noch (saubere) Luft nach oben.

Die Citybahn, eine geplante Straßenbahnlinie von Mainz über Wiesbaden nach Bad Schwalbach, ist gescheitert. Die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener lehnten sie in einem Bürgerentscheid ab. Das macht die Verkehrswende schwieriger. Die Busse werden nun nach und nach durch Elektro- und Wasserstoffbusse ersetzt.

Das beschäftigt die Menschen noch:

Das soziale Gefüge der Stadt wird vom AWO-Skandal rund um Familie Richter erschüttert. Grundsätzlich besteht eine Nähe zwischen AWO und SPD, Einrichtung und Partei sind traditionell verwoben. Das und die Affäre rund um den früheren Oberbürgermeister Sven Gerich und seine Nähe zum Münchener Großgastronom Kuffler sind die Päckchen, die die SPD bei dieser Wahl zu tragen hat.

Bei der CDU krachte es intern. Mit Bernhard Lorenz hat die Partei nach haltlosen Vorwürfen eine wichtige Führungsfigur verloren und muss sich neu finden. Außerdem hatte die CDU eine Parteispendenaffäre zu bewältigen, die allerdings für den früheren Kreisvorsitzenden Horst Klee und die anderen Beteiligten glimpflich ausging.

Wiesbadens tatkräftiger Verkehrsdezernent Andreas Kowol von den Grünen hat sich bei Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, unbeliebt gemacht. Das könnte seine Partei ebenso Stimmen kosten wie die Kritik an den hessischen Grünen wegen des A49-Ausbaus und der Rodung des Dannenröder Forstes, die an den Grünen in Wiesbaden hängen bleiben könnte.

Die FDP hat sich bei den Wiesbadener Affären als Aufklärer präsentiert. Außerdem hat sie mit einer Bürgerinitiative die Citybahn gestoppt und bislang auch zusammen mit der Stadt Taunusstein Windräder auf dem Taunuskamm verhindert. Das könnte Wählerstimmen bringen.

Die AfD hat inzwischen beschlossen, dass sie sich doch nicht von Patrick Pana vertreten lassen möchte. Pana ist Mitglied der vom Verfassungsschutz beobachteten Jungen Alternative. Medienberichten zufolge hatte er außerdem Kontakt zur völkisch orientierten Identitären Bewegung und zum rechtsnationalen "Flügel" der AfD. Pana war zunächst auf Listenplatz 8 gewählt worden, dann aber wieder gestrichen.

So ist die politische Ausgangslage in der Stadt:

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Nach der letzten Kommunalwahl 2016 hat es über ein Jahr gedauert, bis sich eine sichere Mehrheit im Stadtparlament gefunden hatte - allerdings nicht als Koalition, sondern als lose Kooperation von SPD, CDU und Grünen. Zwischen den Parteien knirscht es immer wieder.

Die Schwierigkeiten bei der Koalitionsbildung hingen mit dem Erfolg der AfD zusammen: Sie erhielt im Wiesbadener Rathaus genauso viele Sitze wie die Grünen, nämlich 11. Das schwächte die größeren Parteien. Aktuell steht die Fraktion nach zwei Austritten noch bei neun Mitgliedern. Grundsätzlich schwankt Wiesbaden zwischen Rot und Schwarz, bei der letzten Wahl wurde die SPD stärkste Partei.

Das sind die wichtigsten Köpfe:

Die meisten Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Kommunalwahl sind in der Stadt nicht besonders gut bekannt. Das muss nicht negativ sein und kann frischen Wind bringen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hendrik Schmehl ist 36 Jahre alt, die stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU, Daniela Georgi, 41. Ingo von Seemen, 34, ist erst seit Dezember Fraktionsvorsitzender der Linken. Länger in politischen Ämtern sind dagegen Christiane Hinninger von den Grünen und Christian Diers von der FDP. Eckhard Müller von der AfD könnte mit 73 Jahren einer der ältesten Spitzenkandidaten in Hessen sein.

Quelle: hessenschau.de