Landtagswahl in Hessen Schwarz-Grün mit hauchdünner Mehrheit
Die schwarz-grüne Koalition in Hessen hat laut vorläufigem Endergebnis im neuen Landtag weiterhin eine Mehrheit - allerdings nur mit einem Vorsprung von einem Sitz. CDU und SPD verlieren stark. Die Grünen werden zweitstärkste Kraft im Land.
Bei der Landtagswahl am Sonntag (28.10.18) in Hessen haben CDU und SPD zweistellige Verluste hinnehmen müssen. Enorme Gewinne verbuchten Grüne und AfD.
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis, das der Landeswahlleiter Montagfrüh gegen 1.45 Uhr mitteilte, konnte die schwarz-grüne Landesregierung ihre Mehrheit knapp mit einer Mehrheit von einem Sitz verteidigen.
Für eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP reicht es deutlich. Aber auch andere Koalitionen sind rechnerisch möglich. Das vorläufige Endergebnis im Detail:
- CDU: 27,0 %
- SPD: 19,8 %
- Grüne: 19,8 %
- Linke: 6,3 %
- FDP: 7,5 %
- AfD: 13,1 %
- Andere: 6,5 %
Grüne zweitstärkste Partei mit Vorsprung von 94 Stimmen
Die Hessen-CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier fährt ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Sie verliert 11,3 Prozentpunkte. Die SPD von Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel stürzt mit einem Minus von 10,9 Prozentpunkten auf einen historischen Tiefstand ab.
Große Gewinner sind die Grünen (+8,7%): Sie werden zweitstärkste Partei mit einem Vorsprung von gerade einmal 94 Stimmen vor der SPD (Grüne: 570.260 Stimmen, SPD: 570.166). Ebenfalls deutlich gewonnen hat die AfD (+9,1%), die erstmals ins Landesparlament kommt. Auch FDP (+2,5%) und Linke (+1,1) sind wieder im Landtag vertreten.
Bei der Landtagswahl 2013 war die CDU mit 38,3 Prozent als stärkste Partei ins Parlament gekommen, gefolgt von SPD (30,7%), Grünen (11,1%), Linke (5,2%) und FDP (5,0%).
137 Sitze im neuen Landtag
Bisher hat der Hessische Landtag 110 Sitze. Das neue Parlament wird mit Ausgleichsmandaten 137 Sitze haben und damit der bisher größte Landtag sein. Die Sitze sind wie folgt verteilt:
- CDU: 40
- SPD: 29
- Grüne: 29
- Linke: 9
- FDP: 11
- AfD: 19
CDU und Grüne haben 69 Sitze und damit knapp die Mehrheit. Mit der FDP zusammen lägen CDU und Grüne in einer "Jamaika-Koalition" bei einer komfortablen Mehrheit von 80 Sitzen.
Eine Große Koalition aus CDU und SPD käme ebenfalls auf eine knappe Mehrheit von 69 Sitzen. Auch für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP würde es knapp reichen. Die drei Parteien kommen zusammen auf 69 Sitze. Für eine Koalition von SPD, Grünen und Linken reicht es dagegen nicht. Sie kommen zusammen auf 67 Sitze, zu wenig für eine Mehrheit.
Am Wahlabend war in den Hochrechnungen immer wieder unklar, ob die schwarz-grüne Koalition eine Mehrheit behalten würde oder nicht.
Bouffier sieht Jamaika als Option
Ministerpräsident Bouffier sprach am Sonntagabend von schmerzlichen Verlusten für seine Partei. Er sagte, die CDU sei aber "klar stärkste Fraktion". Er habe den Anspruch, auch die nächste Landesregierung in Hessen anzuführen: "Ich habe die Absicht, mein Amt fortzuführen. Er werde seiner Partei am Montag vorschlagen, mit den Grünen, der SPD und der FDP zu sprechen. Sein Ziel sei "eine stabile Regierung in Hessen".
Bouffier sagte in den ARD-tagesthemen, dass ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP eine Option wäre. Ein Bündnis mit der SPD habe für ihn zunächst keine Priorität. "Die Große Koalition ist eine Möglichkeit, die ganz am Ende steht, wenn es sonst keine Einigkeit gibt", sagte Bouffier.
SPD: "bittere Niederlage"
SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel sprach am Sonntagabend von einem "schweren und bitteren Abend". Er gestand ein, dies sei für die Hessen-SPD das schlechteste Ergebnis seit 1946 und beklagte zudem: Der übermächtige Bundestrend sei eine der Ursachen für das Wahlergebnis. Dieser schwere Rückschlag müsse Konsequenzen in Berlin haben.
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sprach von einem "wunderbaren Tag" für seine Partei, seine Parteikollegin und Umweltministerin Priska Hinz jubelte: "Hessen war noch nie so grün". Man könne stolz sein, als Regierungspartei in den vergangenen fünf Jahren so viel Vertrauen bei den Hessen gewonnen zu haben, befand Al-Wazir. "Das ist ein Auftrag, dass wir weitermachen in Sachen Energiewende und Agrarwende."
Al-Wazir hatte gleich doppelt Grund zur Freude. Als der Wahlkreis Offenbach-Stadt ausgezählt war, stand fest: Er wird per Direktmandat in den Landtag einziehen. Das war den Grünen zuvor noch nie in Hessen gelungen. Vier weitere Direktmandate kamen im Laufe des Wahlabends hinzu.
Freude bei FDP, Linkspartei und AfD
Freude auch bei der FDP: "Vor vier Jahren haben wir gezittert. Heute zittern andere", sagte Spitzenkandidat René Rock mit Blick auf den knappen Einzug seiner Partei in den Landtag vor fünf Jahren. Er zeigte sich offen für ein Jamaika-Regierungsbündnis mit CDU und Grünen. "Ja, wir würden sondieren und wollen gucken, ob wir es hinbekommen", sagte er am Sonntagabend. In jedem Fall hoffe er, "dass wir für eine Regierungsbildung gebraucht werden".
Die Spitzenkandidatin der Linken, Janine Wissler, äußerte sich ebenfalls zufrieden. "Die Linke wird gestärkt in den neuen Landtag gehen", sagte sie zum bisher besten Abschneiden der Linken bei hessischen Landtagswahlen. Die Stimme für soziale Gerechtigkeit werde gestärkt.
Die AfD stimmte zum Einzug in den Landtag auf ihrer Wahlparty die Nationalhymne an. Ihr Spitzenkandidat Reiner Rahn sprach im hr-fernsehen von einem historischen Ergebnis. Nun sei die AfD in allen 16 Länderparlamenten vertreten. Er kündigte an, man wolle als Oppositionspartei "konstruktiv mit den anderen zusammenarbeiten".
Wahlbeteiligung bei 67,3 Prozent
Die Wahlbeteiligung lag bei 67,3 Prozent. 2013, als in Hessen Landtag und Bundestag zusammen gewählt wurden, lag sie bei 73,2 Prozent.