Absage vom Land Keine Förderung für 244 geplante Sozialwohnungen in Kassel
Die Zahl der Förderanträge für Sozialwohnungen ist stark gestiegen - doch die Mittel des Landes reichen nicht aus. In Kassel betrifft es die Hälfte aller geplanten Sozialwohnungen, auch ein gemeinschaftliches Wohnprojekt geht leer aus.
"Förderanträge sollen nicht aus finanziellen Gründen abgelehnt werden" - so lautet ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot in Hessen. Doch das SPD-geführte Ministerium hat bei weitem nicht genug Geld, um alle Vorhaben im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zu fördern.
Wohnungsbauminister Kaweh Mansoori (SPD) berichtete bereits Anfang des Jahres von einer "Überzeichnung von 400 Millionen Euro". Heißt: Für das Förderprogramm sind sehr viel mehr Anträge eingegangen, als verfügbare Fördermittel vorhanden sind.
Die FAZ (Artikel hinter Paywall) berichtet von insgesamt 6.349 Wohnungen, für die eine Förderung beantragt worden sei - mehr als in den Jahren zuvor. Am Donnerstag verkündete das Land Hessen eine Rekordbereitstellung von 786,3 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung.
Kassel: nur halb so viele Sozialwohnungen
Doch das Geld reicht bei weitem nicht, um alle Anträge zu bewilligen. Zunächst hatte es ungewöhnlich lange gedauert, bis über Förderanträge überhaupt entschieden wurde. Jetzt gingen mit mehrmonatiger Verspätung die Bescheide raus - und es hagelte Absagen.
So erhielt Kassel gleich mehrere Ablehnungen aus Wiesbaden. Damit steht die Stadt wohl nicht allein da. Allerdings lässt sich laut Ministerium noch keine Aussage über Anzahl der zugesagten beziehungsweise abgelehnten Förderanträge treffen.
Für die Stadt Kassel ist das bitter: Insgesamt 244 Sozialwohnungen stehen jetzt auf der Kippe, allein in der Jägerkaserne sind 81 geplante Wohneinheiten bedroht. Die einstige Kaserne ist das größte Bauvorhaben für sozialen Wohnraum in Kassel und eins von insgesamt sechs, die jetzt betroffen sind. Damit dürfte es deutlich weniger neue Wohnungen geben, die zu deutlich günstigeren Mieten angeboten werden als üblich.
Von den Absagen sei man kalt erwischt worden, sagt Stadtklimarätin Simone Fedderke (Grüne). Jetzt müsse man sehen, ob und wie man die Wohnungen trotzdem finanzieren könne. Fedderke hofft jetzt, dass sich die Bauzinssituation ändert - und dass die Prioritäten vom Land künftig anders gesetzt werden.
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Rekordanmeldungen machen Priorisierung laut Ministerium nötig
Doch das ist fraglich. Man habe für 2024 bei den Sozialwohnungen Rekordanmeldungen gehabt, so Minister Mansoori, "fast doppelt so viele wie im Vorjahr". Deshalb habe man priorisieren müssen.
Diese Priorisierung bedeutet für die Stadt Kassel weniger Geld: Etwa 36 Millionen Euro an Darlehen und Zuschüssen fehlen der Stadt - und auch den Investoren.
Alternatives Wohnprojekt vor dem Aus?
Nicht nur die Stadt Kassel ist davon betroffen, dass für Projekte die Förderung flöten geht. Auch kleinere Bauvorhaben müssen auf eingeplante Fördergelder verzichten - und nach kreativen Lösungen suchen. Genau das sind die Mitglieder des Vereins Kontorhaus Kollektiv bereits gewohnt.
Etwa 40 Menschen träumen von kostengünstigem Wohnraum in einem alten Kontorhaus am Kasseler Hafen. Seit viereinhalb Jahren arbeiten sie im Kollektiv ehrenamtlich für ihre Vision vom gemeinsamen Wohnen. Sie haben unzählige Infoveranstaltungen ins Leben gerufen und Direktkredite von Familie und Interessierten gesammelt. 2026 wollten sie einziehen.
Ministeriums-Entscheidung sorgt für Unverständnis
Jetzt steht das Projekt auf der Kippe, denn auch hier war das Förderprogramm für sozialen Wohnraum ein wichtiger Baustein für die Finanzierung - bis vor etwa einer Woche die Absage von SPD-Minister Mansoori im Briefkasten lag.
Es sei "vollkommen unverständlich, warum eine Landesregierung, die sich sozialen Wohnungsbau auf die Fahne schreibt", ein so großes Projekt "für soziales, gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Wohnen" nicht berücksichtigt, kritisieren die Mitglieder des Wohnkollektivs die Entscheidung in ihrem Newsletter.
800.000 Euro fehlen
Für Vereinsmitglied Sabine Schreiner war die Nachricht eine Katastrophe. Die Absage habe ihr "den Boden unter den Füßen weggezogen". Für sie bedeute es, dass sie nicht einziehen könne - weil sie nicht ausreichend Geld habe, um die Wohnung zu bezahlen. Es habe sich angefühlt, als "verliere ich meine Zukunft", so Schreiner.
Sechs Sozialwohnungen hatte der Verein eingeplant - das wird jetzt wohl erstmal nichts. Denn etwa 800.000 Euro vom Land fehlen. Dabei ist bezahlbarer Wohnraum für alle ein Grundpfeiler des Projekts. So sollte über ein Drittel der Wohnfläche für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen zur Verfügung stehen.
Kritik an Mansoori: Zu wenig Tempo
Bereits im Januar gab es scharfe Kritik an Mansooris Wohnungspolitik. Verbände und Opposition hatten das fehlende Tempo bei dem Bau von bezahlbaren Wohnungen beklagt. Nach Ansicht des Mieterbunds fehlen derzeit im Land rund 80.000 geförderte Wohnungen mit geringeren Mieten.
Der Verband der Wohnungswirtschaft (VdW) warnte davor, dass die Lücke zwischen dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und den verfügbaren Wohnungen in den kommenden Jahren größer wird.
Hohe Fördersummen für Hessengeld
Der Verband sieht einen Grund auch in der Einführung des sogenannte Hessengeldes für Immobilienkäufer, mit dem das Land Hauskäufer bei ihrer ersten Immobilie unterstützt. Zwar stammen die Gelder aus einem anderen Topf, den Grünen ist das Programm dennoch ein Dorn im Auge. Sie kritisieren: Für solche Bonbons sei Geld da, für Sozialwohnungen reicht es hinten und vorne nicht.
Einen Zusammenhang von der Förderung des sozialen Wohnungsbaus und dem Hessengeld schloss Mansoori aus, vielmehr habe die Baukrise dazu geführt, dass mehr Investoren auf den sozialen Wohnungsmarkt umgeschwenkt seien.
Kritik von FDP und Grünen
Die Grünen sehen in den abgelehnten Förderanträgen ein gebrochenes Versprechen. Minister Mansoori habe es nicht geschafft, die benötigten Mittel bereitzustellen, teilte deren Sprecherin für Wohnen, Martina Feldmayer, mit. Somit sei Mansooris Bilanz im Wohnungsbau "bislang unzureichend".
Auch die FDP sah einen Wortbruch der Großen Koalition. Der Fraktionsvorsitzende Stefan Naas, zugleich wohnungsbaupolitischer Sprecher der FDP im Hessischen Landtag, bezeichnete das Verhalten Mansooris als "unverantwortlich". Das Regierungsversprechen, Förderanträge nicht aus finanziellen Gründen abzulehnen, löse sich nach nur einem Jahr in Luft auf, so Naas.