Klimaschutz, Sicherheit, Wohnen Wie die Frankfurter OB-Kandidaten die drängendsten Probleme lösen wollen
Der Oberbürgermeister-Wahlkampf in Frankfurt geht zu Ende. Ein Überblick über die wichtigsten Themen und die Positionen der Kandidatinnen und Kandidaten dazu.
Direktwahlen sind vor allem Persönlichkeitswahlen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen, wer sie in den kommenden Jahre nach außen hin repräsentieren soll, zählen Charisma und Auftreten mindestens genau so viel wie inhaltliche Positionierungen.
Und doch gibt es auch bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl lokale Themen, die den Wahlkampf bestimmt haben. Die wichtigsten haben wir hier zusammengefasst - und unter die Lupe genommen, wie sich die Kandidatinnen und Kandidaten dazu positionieren.
Sicherheit: Was tun mit dem Bahnhofsviertel?
Ein Klassiker der Frankfurter Lokalpolitik beschäftigt seit Monaten Medien und Volksvertreter gleichermaßen: die Situation im Bahnhofsviertel. Kriminalität und offener Drogenkonsum sind zwar alles andere als neue Phänomene, doch seit der Corona-Pandemie hat sich die Lage nach Einschätzung von Initiativen, Politikern und Gewerbetreibenden verschlimmert.
Einig scheinen sich alle Kandidatinnen und Kandidaten darin, dass etwas geschehen muss. Aber was? Schon bei der Forderung nach einer Waffenverbotszone scheiden sich die Geister: Uwe Becker (CDU), Mike Josef (SPD), Yanki Pürsün (FDP) und Maja Wolff (unabhängig) unterstützen die Idee. Manuela Rottmann (Grüne) will das Konzept erproben - vorerst aber nur in der Nacht.
Daniela Mehler-Würzbach (Linke) hingegen lehnt eine solche Zone ab. Diese würde der Polizei anlasslose Kontrollen ermöglichen, von denen vor allem Menschen mit Migrationshintergrund betroffen wären.
Mehler-Würzbach spricht sich auch gegen mehr Videoüberwachung aus - darin ist die Linke sich mit dem Liberalen Pürsün einig. Weitere Ideen zur Eindämmung der Kriminalität reichen von Klassikern wie mehr Polizeipräsenz (Becker) bis zur Einrichtung einer eigenen Polizeiwache (Wolff).
Die vielleicht noch drängendere Frage ist, wie man mit der offenen Drogenszene umgehen soll. Mehr Anlaufstellen für Süchtige - darauf können sich fast alle Kandidatinnen und Kandidaten einigen. Doch da endet der Konsens auch schon.
Rottmann etwa will sich dafür einsetzen, dass Bund und Land den Kleinhandel mit harten Drogen in Einrichtungen legalisieren, um die Drogensüchtigen von der Straße zu holen und Dealern das Geschäftsmodell zu entziehen. Becker hingegen will zwar die Hilfsangebote für Süchtige ausbauen, gleichzeitig aber auch dafür sorgen, dass die Polizei verstärkt gegen den Drogenhandel vorgeht. Sein Ziel: Die offene Drogenszene muss verschwinden.
Wohnen: Bauen, aber wo?
Ein weiteres Dauerthema: die Wohnkosten in Frankfurt. Zuletzt lag die durchschnittliche Miete bei rund 15 Euro je Quadratmeter. Wohnraum ist nicht nur knapp, für bestimmte Einkommensschichten wird er vor allem in den innenstadtnahen Stadtteilen unerschwinglich. "Bezahlbarer Wohnraum" ist daher eine der plakativen Wahlkampfforderungen fast aller Kandidatinnen und Kandidaten. Nur: Wo soll der herkommen?
Den SPD-Kandidaten Josef beschäftigt das Thema seit Jahren. Er ist seit 2016 Bau- und Planungsdezernent. Seine Antwort: Bauen. Seit langem streitet er für einen neuen Stadtteil im Nordwesten der Stadt an der A5. Aufgrund andauernden Widerstands verfolgt Josef nur noch eine abgespeckte Version dieses Großprojekts. Doch selbst dem wollen einige seiner Kontrahenten einen Riegel vorschieben.
Für Mathias Pfeiffer (BFF) handelt es sich bei dem geplanten Stadtteil um nicht weniger als ein "Umweltverbrechen", das er im Falle eines Wahlsiegs umgehend ad acta legen werde. Pfeiffer setzt stattdessen auf ein "kommunales Wohngeld", damit sich Menschen aller Einkommensgruppen Wohnen in Frankfurt wieder leisten können.
Auch CDU-Mann Becker spricht davon, dass "Trabantenstädte auf der grünen Wiese" verhindert werden müssten. Er setze lieber auf "organisches Wachstum" der Stadtteile, heißt es in seinem Wahlprogramm.
Manch ein Kandidat weiß auch schon, wo auf gar keinen Fall gebaut werden sollte. Niklas Pauli (unabhängig) will sicherstellen, dass Kleingartenvereine erhalten bleiben, indem sie in Bebauungspläne aufgenommen werden. Dass gebaut werden muss, bezweifelt kaum einer der Bewerber. Grünen-Kandidatin Rottmann will Neubaugebiete - wie das an der A5 - flächensparend und naturschonend planen.
Zudem soll der Anteil geförderten Wohnraums bei Neubauprojekten bei mindestens 40 Prozent liegen. Eine Forderung, die FDP-Mann Pürsün grundweg ablehnt - ebenso wie Mietsenkungen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG. Im Gegensatz dazu fordert Mehler-Würzbach von den Linken einen Mieten-Stopp für ganz Frankfurt sowie eine Verstaatlichung des Konzerns Vonovia.
Verkehr: Alle Probleme beginnen mit F
Fahrpreise, Fahrradspuren, Flughafen - Verkehrspolitik schreibt man in Frankfurt mit F. Einer der Hauptstreitpunkte bleibt die Nutzung des öffentlichen Raums. Ein Konflikt, in dem nicht nur praktische Fragen, sondern auch Weltbilder aufeinander treffen.
In seinen Social-Media-Spots präsentiert sich AfD-Kandidat Andreas Lobenstein als passionierter Fahrradfahrer. Wie so in ziemlich allen anderen Belangen hält Lobenstein auch in diesem Punkt die Politik der Römer-Koalition für verfehlt. Diese bediene mit ihrer Verkehrspolitik lediglich ihr vorwiegend urbanes, besser gestelltes Klientel. Politik gegen Menschen, die "auf das Auto angewiesen" sind, will der OB-Kandidat nicht mittragen.
Fahrrad oder Auto, darauf laufen die Diskussionen oft hinaus. Josef (SPD), Rottmann (Grüne) und Mehler-Würzbach (Linke) befürworten die Verkehrswende zugunsten von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln - und zwar dezidiert auf Kosten des Autos. Becker lehnt sich nicht ganz so weit aus dem Fenster, will jedoch das Radwegenetz da ausbauen, "wo es sinnvoll ist". FDP-Kandidat Pürsün beharrt derweil darauf, dass alle Verkehrsmittel grundsätzlich gleichberechtigt sein sollten.
Doch keine Verkehrswende ohne Öffentlichen Personennahverkehr. OB-Kandidat Peter Wirth hat das Thema naturgemäß zur Chefsache erklärt. Schließlich ist der selbst ernannte Bahnbabo seit Jahrzehnten als Straßenbahnfahrer für die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) unterwegs. Sein Versprechen: Attraktiver, besser und günstiger soll der ÖPNV werden.
Ein Weg wäre die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets für den RMV. Dem stehen die Kandidatinnen und Kandidaten der etablierten Parteien grundsätzlich positiv gegenüber - mit einer Ausnahme: FDP-Kandidat Pürsün ist der Überzeugung, dass ein 49-Euro-Monatsticket vollkommen ausreicht. Für Linken-Kandidatin Mehler-Würzbach hingegen kann das günstige Jahresticket nur eine Zwischenstation sein - auf den Weg zum gänzlich kostenfreien ÖPNV.
Schließlich ist da noch das Dauerthema Flughafen und Nachtflugverbot. Auch hier bilden sich klare politische Blöcke. Während Becker und Pürsün das derzeit geltende Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr für ausreichend halten, würden es Josef, Rottmann und Mehler-Würzbach gerne auf 22 bis 6 Uhr erweitern.
Schulen und Kitas: Bauen, sanieren, einstellen
Nicht nur bezahlbare Wohnungen werden in Frankfurt knapper. Auch Platz für neue Schulen ist rar. Zwar baut die Stadt neue Schulgebäude, wo immer möglich, doch kann sie damit kaum den Bedarf decken. Denn Jahr für Jahr kommen rund 1.000 neue Schülerinnen und Schüler hinzu. Zusätzlich sind zahlreiche bestehende Schulen dringend sanierungsbedürftig.
Für den SPD-Kandidaten Josef sind Investitionen in Schulen und Kindertagesstätten eine Kernforderung dieses Wahlkampfs. "1 Milliarde Euro für Schulen und Kitas" lautet das Versprechen, das auf einem seiner Wahlplakate prangt. Finanziert werden soll das über Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer.
Becker geht das Problem etwas konkreter an. Auf seiner Wahlhomepage können Besucherinnen und Besucher Schulmängel direkt melden. Im Fall seiner Wahl soll diese Mängelliste die Grundlage für weitere Maßnahmen bilden. Für Neubau und Sanierung von Schulen will Becker jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Dass mehr Schulen gebaut und mehr in bestehende Schulen investiert werden muss, darin sind sich die Kandidatinnen und Kandidaten weitgehend einig. Beim Thema Kinderbetreuung sieht es schon anders aus. Während sich etwa Linken-Kandidatin Mehler-Würzbach für Kostenfreiheit von der Krippe bis zum Hort ausspricht, steht für Rottmann die Frage nach den Gebühren nicht im Vordergrund. Menschen mit geringem Einkommen seien bereits weitgehend von Beiträgen befreit.
Stattdessen will die Grünen-Kandidatin in Qualität investieren, um Menschen für Berufe in diesem Bereich zu begeistern. Im Gegensatz zu den Schulen leiden Kitas weniger an Platz- denn an Personalmangel. Um dem zu begegnen, wird es wohl nicht nur Investitionen in die Infrastruktur bedürfen, sondern auch konkreter finanzieller Anreize. Feng Xu (unabhängig) verspricht deshalb pauschal Gehaltserhöhungen für Kita-Personal. Damit ist der Außenseiter-Kandidat keinesfalls allein. Auch Josef (SPD) setzt sich für einen "Frankfurt-Zuschlag" für Erzieherinnen und Erzieher ein.
Klima: Viele Ideen zur Klimaneutralität
Das Ziel ist ehrgeizig. Bis 2035 will Frankfurt klimaneutral werden. Das hat das Stadtparlament im vergangenen Jahr beschlossen. Und bei den OB-Kandidatinnen und Kandidaten mangelt es nicht an Ideen.
So will CDU-Kandidat Becker Frankfurt mit "Photovoltaik auf allen Dächern" schon bis 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Auch der Energieversorger Mainova, dessen größter Anteilseigner die Stadt ist, soll komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Letzteres wünscht sich auch Sozialdemokrat Josef - soweit machbar.
Ansonsten reichen die Vorschläge von der Entwicklung Frankfurts zur "Schwammstadt", die Regenwasser auffängt und weiterverwendet (Rottman, Grüne), über die Stärkung der Recyclings (Pürsün, FDP) bis zur Absage an den Autobahnausbau in und um Frankfurt (Mehler-Würzbach, Linke).
Und natürlich geht es um die Frage, wie das Grün in einer Stadt erhalten werden kann, in der jeder unbebaute Quadratmeter Boden Begehrlichkeiten weckt. Für einen Kandidaten hat das oberste Priorität. "Das Stadtklima steht bei mir ganz oben", verkündet Tilo Schwichtenberg, Kandidat der Gartenpartei, in seinem vorwiegend virtuellen Wahlkampf. Geht es nach dem 53-Jährigen, entsteht Wohnraum künftig nur noch auf bereits versiegelten Flächen.
Sendung: hr-iNFO, 03.03.2023, 15.20 Uhr
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