Aufstiegsfeier nur verschoben Lilien bleiben cool: "Haben keinen Stift in der Hose"
Der SV Darmstadt 98 vergibt gegen den FC St. Pauli den ersten Bundesliga-Matchball und muss die große Sause noch einmal verschieben. Zweifel am Aufstieg kommen dennoch keine auf.
Es lief am späten Samstagabend bereits die Nachspielzeit, als Lilien-Stürmer Phillip Tietz seinen Mitspieler Mathias Honsak noch einmal lautstark zurechtwies. Honsak hatte angesichts der nahenden 0:3-Niederlage des SV Darmstadt 98 gegen St. Pauli für einen Moment seine Position verlassen und das zu diesem Zeitpunkt ohnehin aussichtlose frühe Pressing vernachlässigt. Eine Entscheidung, die Tietz auf die Palme brachte. Der bis dato glücklose Angreifer machte seinem Ärger Luft und beorderte seinen Offensivpartner kurzerhand wieder nach vorne. Eine Szene mit Symbolcharakter.
Lilien geben alles - es sollte aber nicht sein
Die Lilien hingen sich im viertletzten Spiel dieser Zweitliga-Saison voll rein und gaben bis zum Schlusspfiff, der kurz nach Tietz' Ansage an Honsak ertönte, wirklich alles. Selbst in einer noch so aussichtlosen Lage ließen die Darmstädter nichts unversucht. Die zumindest von den Fans schon geplante Aufstiegsfeier musste dennoch noch einmal verschoben werden.
"Wir hatten heute einen Tag, der nicht unbedingt glücklich für uns gelaufen ist", fasste Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht passend zusammen. "Wir hätten noch ewig spielen können, aber wahrscheinlich kein Tor geschossen." Es hätte alles so schön sein können, es sollte aber einfach noch nicht sein.
Es war alles angerichtet für die große Party
Dabei war dieser Tag doch vermeintlich so perfekt für eine Darmstädter Aufstiegs-Sause gewesen. Ein Samstagabendspiel unter Flutlicht gegen den Gegner, gegen den die Lilien schon 2015 in die Bundesliga aufgestiegen waren. Tobias Kempe, der gefeierte Torschütze von damals, feierte nach längerer Verletzungspause sein Comeback in der Startelf. Dazu erfreuten sich die 17.650 Zuschauer erstmals in dieser Saison an T-Shirt-Wetter und frohlockten ob der Aussicht auf einen freien Sonntag nach einer langen Party-Nacht.
"Leider hat es heute nicht für das große Wunder gereicht", haderte deshalb auch Kempe mit der vorerst geplatzten Feier. "Die Mannschaft wollte heute den großen Wunsch von vielen erfüllen", ergänzte Lieberknecht.
Die Lilien wollten zu viel
Doch vielleicht war genau das das Problem der Lilien in ihrem ersten Matchball-Spiel. Angestachelt von einer Bundesliga-reifen Atmosphäre wirkte das Team von Coach Lieberknecht in einigen Situationen etwas zu überhastet und übereifrig. Die Südhessen versuchten gegen die – nicht ohne Zufall – beste Rückrundenmannschaft aus Hamburg zwar alles und erspielten sich auch einige gute Möglichkeiten.
Oft wirkte es aber so, dass jeder Spieler den entscheidenden Treffer am liebsten selbst erzielen und in die Lebende-Legende-Fußstapfen von Kempe treten würde. Große Ziele, großer Druck, etwas zu viel Motivation. Die Zutaten für vergebene Chancen.
Der Sekt steht weiter bereit
Der Sekt blieb nach den Treffern von Adam Dzwigala (45.), Elias Saad (57.) und David Otto (86.) zwar im Kühlschrank. Zweifel daran, dass dieser von den Lilien in den kommenden Wochen geplündert und es dann die obligatorischen Sieges-Duschen geben wird, kamen dennoch keine auf. "Wir machen weiter und werden es nächste Woche wieder probieren", versprach Keeper und Kapitän Marcel Schuhen, der trotz der Niederlage mit geschwellter Brust durch die Mixed Zone lief und mit jeder Pore Zuversicht ausstrahlte. "Wir haben jetzt keinen Stift in der Hose." Kurz ärgern? Ja. Versagensängste? Definitiv nein.
Zur Not richtet es halt der HSV
Ein Blick auf die Tabelle verdeutlicht, dass die Lilien, die trotz der Klatsche nach Abpfiff frenetisch gefeiert wurden, zwar rein rechnerisch noch nicht ganz durch sind. Angesichts von sieben Punkten Vorsprung auf den Hamburger SV auf Platz drei müsste es aber schon mit dem Teufel zugehen. Klar ist: Ein weiterer Sieg in den verbleibenden drei Spielen ist gleichbedeutend mit dem direkten Aufstieg.
Und selbst wenn die Lilien nur noch einen Punkt holen, müsste der HSV schon alle seine Spiele gewinnen, um noch vorbeizuziehen. Und, nun ja, es ist eben der HSV. "Es sollte heute nicht sein, wir werden deshalb aber nicht von unserer Linie abkommen", betonte Schuhen. "Das ist das Entscheidende." Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
In Hannover schon die nächste Chance
Die Lilien spielten gegen St. Pauli nicht plötzlich schlecht oder präsentierten sich komplett von der Rolle. Die Gäste aus der Hansestadt, die unter Trainer Fabian Hürzeler aufgeblüht sind und selbst noch eine Chance auf Relegationsplatz drei haben, verdienten sich den Sieg schlichtweg durch eine bärenstarke Leistung. "St. Pauli war der beste Gegner der Rückrunde, sie waren heute einfach effizienter als wir", konstatierte Schuhen und schob dann nach: "Die Art und Weise, wie wir heute gespielt haben, war trotzdem Darmstadt-98-Saison-2022/23-like. Und darum geht’s."
Den nächsten Matchball haben die Lilien am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) bei Hannover 96. Eine Woche später ist dann der 1. FC Magdeburg zu Gast am Böllenfalltor. Der Sekt steht kalt.