Jahresrückblick Darmstadt 98 Der Lilien-Spirit, der im Herzbruch-Moment entstand

Hinter Darmstadt 98 liegt ein bewegtes Jahr. Fußballerisch waren die Lilien unglaublich erfolgreich, die Krönung im Sommer wurde aber verpasst. Aus gebrochenen Herzen könnte in Südhessen jetzt aber etwas Großes entstehen.

Darmstadt 98 Collage
Auch wenn die Ereignisse im Mai weh taten, bleiben die Lilien ein absolutes Spitzenteam. Bild © Imago Images
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Marcel Schuhen ist ein Mann, der ein Gefühl dafür hat, wann welche Worte zu sagen sind. Der Keeper des SV Darmstadt 98 kann einfühlsam, prägnant und direkt sein. Je nachdem, was gerade gefordert ist. Im Sommer 2022 brauchte der Torhüter, der längst zu einem absoluten Führungsspieler der Südhessen geworden ist, die gesamte Palette. Es brauchte die Ansprache an die Fans (emotional), die Ansprache an das eigene Team (energisch) und die Ansprache an sich selbst (ehrlich). Es wirkte. Und es sorgte unter anderem dafür, dass das Lilien-Jahr zwei enorm erfolgreiche Hälften hatte.

Es war der 15. Mai, die Südhessen hatten gerade trotz eines Sieges gegen den SC Paderborn den Aufstieg denkbar knapp und tragisch verpasst, da entschied sich, wie dieses Kalenderjahr für die Lilien weitergehen soll. Die große Chance auf die Bundesliga-Teilnahme war gerade verspielt, da verkündete Schuhen: "Ich lasse die Jungs jetzt erst einmal in Ruhe. Dann geht es aber weiter."

Zwei Stützen brechen weg

Es waren Worte, denen Taten folgten. Aber nicht von heute auf morgen. Erst einmal ging es auf den Ballermann, all der Frust, all die Enttäuschung wurde mit ein, zwei, vielleicht auch deutlich mehr Bierchen weggekippt. Und dann wurde sich neu fokussiert, auf die neue Chance, auf die neue Saison. Die Lilien, die schon in der Saison 2021/2022 so fulminant aufgespielt hatten, machten einfach da weiter, wo sie aufgehört hatten.

Der Lilien-Spirit, der unter Coach Torsten Lieberknecht neu entfacht wurde, war auch durch ein im Mai gebrochenes Fußball-Herz nicht wegzubekommen. Auch wenn die Südhessen, beinahe wie jeden Sommer, auch vor der aktuellen Saison mit Luca Pfeiffer und Tim Skarke zwei absolute Stützen der Erfolgself verloren hatten und Lieberknecht deswegen Startelf und System umstellen musste.

"Wir haben gesehen, wozu wir in der Lage sind"

"Wir haben nach der letzten Saison einfach weitergearbeitet", berichtete Schuhen im Herbst. "Das war punktetechnisch die beste Spielzeit der Darmstädter Vereinsgeschichte in dieser Liga und als Vierter am Ende trotzdem erstmal ein Moment der Enttäuschung. Das hat uns als Mannschaft zusammengeschweißt. Wir haben gesehen, wozu wir in der Lage sind."

Und es hat Lust auf mehr gemacht. Seitdem ist das Motto: Wenn nicht in der vergangenen Saison, dann eben in der neuen. Egal, welcher Widerstand auf die 98er kam – und davon gab es einige –, die Darmstädter fanden einen Weg. Das alte System kann aufgrund der Abgänge nicht mehr gespielt werden? Egal, her mit einem neuen. Es gibt ein, zwei, acht Ausfälle? Egal, wer von der Bank kommt, zeigt Leistung. Es geht gegen einen Bundesligisten im Pokal? Egal, her mit einem magischen Bölle-Abend.

Die Lilien treten auf wie ein Spitzenteam

Es braucht nicht viel Fantasie, wenn man auf das Kalenderjahr 2022 der Darmstädter blickt, sich auszurechnen, was im neuen Jahr nach dieser Entwicklung folgerichtig ansteht. Wer so viele Widerstände aus dem Weg räumt, wer sich so konstant weiterentwickelt, wer, um es in der Fußballer-Sprache zu sagen, auftritt wie ein Spitzenteam, steigt in letzter Konsequenz auf. "Wenn wir das nächste Jahr so abschließen wie dieses Jahr, sollte etwas Schönes bei herauskommen", betont auch Manager Carsten Wehlmann vielsagend.

Schon im Sommer wäre der Aufstieg verdient gewesen. Nur gab es zu diesem Zeitpunkt eben drei Schwergewichte in der Liga (Schalke, Bremen und der HSV), die am Ende einen Hauch abgezockter waren. Von diesen einst drei Großen ist in dieser Saison aber nur noch der Hamburger SV übrig.

Schuhen findet sicher wieder die richtigen Worte

Der Weg für den Lilien-Aufstieg ist nach dem Jahreswechsel demnach frei. Hungrig sind sie in Südhessen nach dem Kalenderjahr 2022 auf die Bundesliga sowieso. Und sollte es im Mai 2023 dann tatsächlich gelingen mit dem großen Traum von der Bundesliga, dürfte Marcel Schuhen sicherlich wieder die richtigen Worte finden. Übung darin hat er ja bereits.

Quelle: hessenschau.de