Lilien vor der nächsten Krise? Darmstadt 98: Deutschlands aufregendste Achterbahn
Kaum ein Verein in Deutschland ist sportlich solchen Wellenbewegungen ausgesetzt wie der SV Darmstadt 98. Nach dem Höhenflug im Jahresendspurt droht nun schon wieder die nächste Krise. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen um Ruhe bemüht sind.
![Fotocollage: zwei Vereinslogos nebeneinander: links Darmstadt 1898, rechts Elversberg. Im Hintergrund unscharf ein Symbolbild des Darmstädter Fußballstadions.](https://www.hessenschau.de/sport/fussball/highlight-fussball-darmstadt-108~_t-1724404343373_v-16to9__small.jpg 320w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/highlight-fussball-darmstadt-108~_t-1724404343373_v-16to9__medium.jpg 480w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/highlight-fussball-darmstadt-108~_t-1724404343373_v-16to9__medium__extended.jpg 640w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/highlight-fussball-darmstadt-108~_t-1724404343373_v-16to9.jpg 960w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/highlight-fussball-darmstadt-108~_t-1724404343373_v-16to9__retina.jpg 1920w)
Welche Tabelle erzählt eigentlich die Wahrheit über die Saison des SV Darmstadt 98? Die Kohfeldt-Tabelle aus dem vergangenen Jahresendspurt, als die Lilien neun Spiele am Stück nicht verloren? Oder die Rückrundentabelle, in der die Südhessen mit nur einem Punkt aus vier Spielen den letzten Platz einnehmen? Oder doch schlicht die aktuelle Zweitligatabelle, in der Darmstadt auf einem zwölften Platz steht, was ja eigentlich nach ruhigem Zweitliga-Mittelfeld aussieht? Wahrscheinlich alle drei.
Sonderlich ruhig, Tabellenplatz hin oder her, ist es rund um die Lilien aktuell aber nicht. Nach dem krachenden 0:3 gegen Elversberg ist von der Lilien-Krise zu lesen, ebenso von Talfahrt und Abwärtstrend. Es zeigt sich mal wieder: Kaum ein Verein in Deutschland ist sportlich so heftigen Wellenbewegungen ausgesetzt wie der SV Darmstadt 98, an kaum einem Standort liegt so wenig zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Seit nunmehr dreieinhalb Jahren sitzen die Lilien-Fans in einer emotionalen Achterbahn. Und die fährt einfach immer weiter.
22 Spieltage Tabellenführer
Schon 2021/22 eilten die Lilien in der zweiten Liga von Sieg zu Sieg und scheiterten denkbar knapp am Aufstieg. Der ihnen dann ein Jahr später gelang. Unter Torsten Lieberknecht pflügten die 98er zeitweise durch die Liga, verloren zwischen dem zweiten und 22. Spieltag (!) kein einziges Spiel. Gegen Ende der Saison ging den Darmstädtern diese erstaunliche Souveränität zwar ein wenig flöten, der Aufstieg aber geriet nicht mehr in Gefahr. Am Ende hatten die Lilien an 22 von 34 Spieltagen, also knapp zwei Drittel der Saison, auf dem ersten Platz gestanden. Eine Saison zum Einrahmen.
Die sich in der Bundesliga dann ins komplette Gegenteil wandelte. Im Oberhaus grüßten die Lilien schnell vom Tabellenende, nach Siegen gegen Werder und Augsburg in der Frühphase der Saison gewannen die Lilien monatelang kein einziges Spiel mehr. "Das ist wie mit der 102-jährigen Oma, bei der man weiß, dass es irgendwann so weit ist. Dann ist es so weit. Und dann ist es trotzdem immer sehr, sehr traurig", sagte Präsident Rüdiger Fritsch nach dem Abstieg mit langem Anlauf.
![Rüdiger Fritsch.](https://www.hessenschau.de/sport/fussball/darmstadt-98/darmstadt-fritsch-102~_t-1734956792421_v-16to9__small.jpg 320w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/darmstadt-98/darmstadt-fritsch-102~_t-1734956792421_v-16to9__medium.jpg 480w, https://www.hessenschau.de/sport/fussball/darmstadt-98/darmstadt-fritsch-102~_t-1734956792421_v-16to9__medium__extended.jpg 640w)
Wenn's läuft, läuft's. Wenn's schiefläuft, läuft's schief
Wenn es läuft, dann läuft’s, scheint das Motto der Lilien, offensichtlich gilt das aber auch fürs Schieflaufen. Eine Siegesserie fällt direkt besonders spektakulär aus, ein Abwärtsstrudel aber auch besonders reißend. Den Abwärtstrend 2024 konnte Trainer Torsten Lieberknecht auch in Liga zwei nicht stoppen – und trat zurück. Es übernahm Florian Kohfeldt, der nach kurzer Eingewöhnungsphase mit seiner Mannschaft zum Höhenflug ansetzte und wochenlang unbesiegt blieb.
Quasi aus dem Nichts dann die erneute Volte: Beim Kellerkind Regensburg verloren die Lilien im letzten Spiel des vergangenen Jahres, in 2025 will der Mannschaft bisher überhaupt noch nichts gelingen. Vier Niederlagen aus fünf Spielen sind bedenklich, wenngleich die Verletzungssorgen der Südhessen zumindest ansatzweise eine Erklärung liefern.
Kohfeldt: "Klarheit und Souveränität ausstrahlen"
"Wir spielen nicht mehr so aus dem Gefühl heraus, sondern denken mehr nach. Wir müssen in schwierigen Phasen einen kühlen Kopf bewahren und nicht in einen Negativstrudel hineingeraten", sagte Kapitän Clemens Riedel nach dem enttäuschenden Auftritt gegen Elversberg. Und beschrieb damit beide Mechanismen, denen die Lilien unterliegen: Aus dem Gefühl heraus spielen in guten Phasen. Allzu schnell in einen Negativstrudel geraten in schlechten.
Entsprechend sind die Verantwortlichen um Ruhe bemüht, um dem Strudel so entgegenzuwirken. Schon Fritsch mahnte zum Jahreswechsel Realismus und Sachlichkeit an, Kohfeldt rief nun dazu auf, mit Ruhe weiterzugehen. "Dass solch eine Delle kommt, war vollkommen klar. Und wenn du drin bist, musst du Klarheit und Souveränität ausstrahlen", sagte er nach dem Spiel.
Trust the process, also. Im Spiel gegen Braunschweig sollte das den Lilien bestenfalls gelingen - denn bei einer Niederlage droht übrigens Tabellenplatz 13. Klingt immer noch nach langweiliger Mittelfeldsaison. Von Langeweile kann bei den Lilien aber keine Rede sein.