Lilien fehlt Emotionalität Kohfeldt muss die erste kleine Krise meistern
Obwohl der Trend aktuell gegen Darmstadt 98 spricht, sind die Südhessen unter Trainer Florian Kohfeldt weiter voll im Soll. Dass in den vergangenen Wochen die Gier abhandengekommen ist, könnte jedoch zum Problem werden.
Der Begriff "Kohfeldt-Tabelle" steht bei Darmstadt 98 eigentlich auf dem Index. Trainer Florian Kohfeldt, der seit September im Amt ist und die Lilien zwischenzeitlich auf Platz eins ebendieser Kohfeldt-Tabelle führte, hält nichts von Momentaufnahmen und Rechenspielen. "Sie können sich gar nicht vorstellen, wie egal mir das ist", sagte er bereits im November. Im Februar lässt sich festhalten: Die ungeliebte Kohfeldt-Tabelle ist derzeit fast schon der letzte Strohhalm, um die positive Grundhaltung nicht zu verlieren.
Die wichtigste Feststellung deshalb zuerst: Trainer Kohfeldt, der die Lilien am Samstag gegen die SV Elversberg (13 Uhr) zum insgesamt 17. Mal bei einem Zweitliga-Spiel betreuen wird, hat das Team stabilisiert, aus dem Tabellenkeller geführt und erst einmal jegliche Abstiegssorgen vertrieben. Kurz vor dem Ende der inoffiziellen Kohfeldt-Hinrunde stehen die Südhessen in der Kohfeldt-Tabelle auf Platz sechs und sind damit weiter voll im Soll. Das Ziel, am Ende in der realen Zweitliga-Tabelle irgendwo im Mittelfeld zu landen, ist absolut realistisch.
Lilien brauchen Trendwende
Jetzt folgt allerdings das große Aber: Die Lilien, die in den vergangenen vier Spielen drei Niederlagen kassiert haben, sind zuletzt etwas aus dem Tritt geraten. Nur ein Punkt aus den ersten drei Rückrunden-Spielen ist exakt die gleiche Ausbeute wie beim völlig verkorksten Saisonstart unter Ex-Trainer Torsten Lieberknecht. Vor dem Duell gegen Elversberg droht Kohfeldt nun natürlich nicht das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger, der Druck ist aber deutlich gestiegen. Darmstadt 98 braucht eine Trendwende.
"Wir müssen mit Ruhe weitergehen, aber den Finger auch ein bisschen in die Wunde legen", fasste Kohfeldt nach der 0:1-Niederlage in Nürnberg selbstkritisch zusammen. Leistungs-Schwankungen sind im Laufe einer Entwicklung, und in dieser stecken die Lilien noch immer, völlig normal. Dass Kohfeldt und Sportdirektor Paul Fernie auch während des Höhenflugs im Herbst ständig verbal den Ball flachhielten, ergab und ergibt Sinn. Die Lilien sind noch nicht so gut und gefestigt, wie einige – auch der Autor dieses Textes – vor wenigen Wochen noch dachten. Dass sie nicht so schlecht sind wie aktuell, müssen sie jetzt aber zeigen.
Die Verletzen sind nur ein Teil des Problems
Erschwert wird diese Mission, auch das darf nicht unerwähnt bleiben, durch das Verletzungspech. Der Ausfall von Torjäger Isac Lidberg war und ist in beinahe jeder Sekunde zu spüren, das näher rückende Comeback des Schweden ist für die Lilien fast schon überlebenswichtig. Dass neben den Langzeitverletzten Matthias Bader, Paul Will und Fabian Holland – allesamt wichtige Säulen des Teams – nun auch noch Mittelfeld-Leader Kai Klefisch einige Wochen pausieren muss, ist gleichzeitig ein herber Rückschlag. Die Mini-Krise der Lilien ist nicht nur selbst verschuldet.
Was sich die Südhessen jedoch ankreiden lassen müssen, ist die plötzlich verlorengegangene Gier. Fehler in der Defensive und falsche Entscheidungen in der Offensive gehören dazu und können im Training abgestellt werden. Sobald der unbedingte Wille flöten geht, wird es aber gefährlich. Klingt wie eine Stammtisch-Weisheit, ist aber aktuell tatsächlich das größte Problem der Lilien: "Fußball ist nicht nur Taktik und Technik, es geht auch um Emotionalität. Die fehlt uns momentan", unterstrich passend dazu Kohfeldt. Eine alarmierende Feststellung.
Wenn ausgerechnet der sonst auf klare Spielideen und Matchpläne setzende Kohfeldt die fehlenden Grundtugenden moniert, läuft etwas grundlegend falsch und ist ein Problem.
Team muss sich fangen
Nun ist es wohl auch menschlich und verständlich, dass das Team nach mental und körperlich anstrengenden Wochen unter Umkrempler Kohfeldt mal durchschnaufen muss. Die große Euphorie ist nach dem ersten Kennenlernen zwischen Coach und Mannschaft erst einmal vorbei, nach der berauschten Honeymoon-Phase geht es jetzt, so wirkt es, um die Bewältigung des Alltags. Eine Herausforderung.
Ein großer Grund zur Sorge besteht deshalb noch nicht, der Abwärtstrend muss nun aber schnellstmöglich gestoppt werden. Selbst in der Kohfeldt-Tabelle droht am Wochenende sonst der Sturz bis auf Platz zehn.