Jean-Paul Boetius und Isac Lidberg Viel Schatten, aber zwei Lichtblicke bei den Lilien
Darmstadt 98 freut sich über einen dreckigen, aber nicht unverdienten Sieg. Ein Niederländer sorgt dabei für die Ruhe und ein Schwede für die Jubler. Der Trainer schwärmt vor allem vom Publikum.
Florian Kohfeldt ist kein Mann für Beschönigungen. "Es war kein Spiel, bei dem die Zuschauer alle zwei Minuten auf den Stühlen standen und 'Juhu' gerufen haben", sagte der Darmstädter Coach nach dem 1:0-Sieg über Greuther Fürth am Samstagnachmittag. Das beileibe nicht, es sei denn, es hätten sich zahlreiche Zuschauer ins Böllenfalltor verirrt, die eine ausgeprägte Liebe zu Fehlpässen, Befreiungsschlägen, Verletzungsunterbrechungen oder Abstimmungsproblemen gehabt hätten. Über weite Teile war die Partie ein unansehnlicher und niveauarmer Kick, den aber die Darmstädter am Ende dann doch mit einem Geistesblitz für sich entschieden.
Jean-Paul Boetius bediente Isac Lidberg elf Minuten vor dem Ende mustergültig im Strafraum und der Torjäger vom Dienst schloss trocken mit der Pike zum Tor des Tages ab. Ein dreckiger Sieg, aber ein verdienter. Denn die Darmstädter waren die aktivere von zwei uninspirierten Mannschaften und hatten sich ein Chancenplus buchstäblich erarbeitet. "Diese Mannschaft kann mitreißende Nachmittage bieten, sie kann aber auch staubtrockene Nachmittage gewinnen. Das haben wir heute gesehen und das ist auch ein Entwicklungsschritt", konstatierte Kohfeldt.
Boetius: "Keinen Stress machen"
Er selbst hatte mit seinen Einwechslungen dazu beigetragen, dass das Pendel zugunsten der Lilien ausschlug. Luca Marseiler kam nach 62 Minuten für den angeschlagenen, bis dahin agilen Fraser Hornby und sorgte für Belebung. Boetius wiederum war elf Minuten nach Marseiler in die Partie geschritten für den ausgepumpten Philipp Förster. Boetius' Geniestreich vor dem 1:0 hätte der 31-Jährige sogar noch vergolden können, als wiederum Lidberg ihn im Strafraum bediente. Doch der Niederländer drosch den Ball über den Kasten. "Wir waren in der zweiten Halbzeit die dominierende Mannschaft und haben mehr Tormöglichkeiten kreiert. Deswegen geht der Sieg auch in Ordnung", sagte er hinterher am ARD-Mikro.
Boetius kann aus reichlich Erfahrung im Abstiegskampf der ersten Liga mit Mainz 05 schöpfen und mahnte auch deswegen zur Ruhe. "In Mainz habe ich schon kritischere Situationen erlebt, von daher sollten wir uns keinen Stress machen", erklärte er. Sieben Punkte Vorsprung und die bessere Tordifferenz weisen die Lilien nun auf den ersten Abstiegsplatz auf. Mit dem 1:0 gegen Fürth haben sie einen entscheidenen Schritt zum sicheren Verbleib in der Liga gemacht. Auch wenn man noch nicht im Ziel sei, so Kohfeldt, war der Trainer angetan, dieses "Druckspiel" auch dank der Zuschauer gezogen zu haben.
Lidberg und die Fans sind die Darmstädter Bank
Die geduldigen Zuschauer musste man tatsächlich ausdrücklich hervorheben, weil sie trotz all der spielerischen Armut die Mannschaft weiter nach vorne peitschten. "Dieses Band mit den Fans wollten wir wieder herstellen und das ist einer der größten Erfolge der Saison", merkte Kohfeldt an. Da kommt eine Statistik nicht von ungefähr: Neun der mauen zehn Rückrundenpunkte hat Darmstadt zu Hause eingefahren. Neben den Anhängern ist dabei vor allem einer eine Bank: Stürmer Lidberg. Gegen Schalke schoss er schon beide Tore, gegen den KSC eines und nun gegen Fürth den Siegtreffer.
Unmittelbar danach führte Lidberg den Daumen an den Mund und vergrub den Spielball unter seinem Trikot, die typische Baby-Geste. Der Angreifer wird demnächst Vater. Doch sein Jubel stand auch symbolisch für den Sieg der Lilien: Am Ende jauchzten alle in Darmstadt vor Erleichterung und Freude, aber bis dahin war es eine ausgesprochen schwere Geburt.