Darmstadt 98 zunehmend ratlos Sie rennen, aber es läuft nicht
Der SV Darmstadt 98 zeigt gegen Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen zeitweise eine wirklich anständige Leistung, die Hoffnung auf den Klassenerhalt schwindet nach der erneuten Pleite aber immer weiter. Es fehlen vor allem Emotionen.
Torsten Lieberknecht machte auf der Pressekonferenz am Samstagabend kurzen Prozess. Der Lilien-Trainer, der sonst gerne weit ausholt und ausführlich über vorangegangene Spiele doziert, fasste die 0:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen in exakt sieben Worten zusammen: "Auch ne gute Leistung gebracht, keine Punkte." Ende der Ausführungen.
Das Bemerkenswerte: Viel mehr musste man tatsächlich nicht erfahren. Der SV Darmstadt 98 wehrte sich gegen den weiterhin ungeschlagenen Bundesliga-Spitzenreiter nach Kräften und hätte in der ersten Hälfte mit etwas mehr Durchschlagskraft, Qualität oder Glück durchaus in Führung gehen können. Genau das ist letztlich aber das Problem des Tabellenletzten im Abstiegskampf: Es reicht halt einfach zu oft nicht.
Gut, aber nicht gut genug
Die Lilien, die gegen die Werkself durchaus mutig und mit einer Viererkette agierten, zeigten vor allem in den ersten 45 Minuten eine wirklich ansprechende Leistung. Neuzugang Gerrit Holtmann, der tatsächlich noch schneller rennen kann als Lilien-Legende Marcel Heller, schoss schon nach 19 Sekunden das erste Mal aufs Tor, auch nach rund einer halben Stunde lagen die Lilien in der Torschuss-Wertung noch vor den Gästen.
Da jedoch aussichtsreiche Kontersituationen zu ungenau ausgespielt wurden (19.), Luca Pfeiffer zu harmlos abschloss (24.) oder Emir Karic nach einer Ecke völlig freistehend genau in die Arme von Bayer-Keeper Lukas Hradecky köpfte (39.), blieb die Belohnung aus. "Wir haben Wucht entwickelt. Wir haben dann aber nicht den Punch, den Ball so zu treffen, dass er ins Netz geht", fasste Lieberknecht zusammen. Wie gesagt: Es reicht einfach nicht.
Leverkusen reicht der Schongang
Dass im Gegensatz dazu das Team von Trainer Xabi Alonso die Chancen eiskalt nutzte und nach einem Doppelpack von Nathan Tella (33./52.) hochverdient gewann, liegt letztlich in der Natur des Duells Erster-gegen-Letzter. Die Lilien müssen ihre Punkte sicher gegen andere Gegner holen.
Das Ärgerliche: Mit etwas mehr Drive, Fortune oder einer Mischung aus beidem hätten die Südhessen der Werkself, die angesichts der bevorstehenden Aufgaben gegen den VfB Stuttgart im DFB-Pokal am Dienstag und in der Bundesliga gegen Verfolger Bayern München am Samstag nie an ihre Leistungsgrenze ging, durchaus weh tun können. Allein: Sie taten es nicht.
Das Böllenfalltor ist keine Festung mehr
Bayer-Coach Alonso betonte nach der Partie zwar, dass es immer schwer sei, am Böllenfalltor zu bestehen. Angesichts der Leichtigkeit, mit der seine Spieler den Sieg herausspielten, wirkte diese Aussage aber eher wie ein verbaler Schulterklopfer für die tapferen Gastgeber als eine ernstgemeinte innere Verbeugung. Zur ganzen Wahrheit der Partie gehörte nämlich auch, dass nach dem zweiten Leverkusener Treffer kurz nach der Halbzeit im Spiel der Lilien quasi gar nichts mehr ging.
Auch jetzt lässt sich anführen: Leverkusen spielte eben seine Klasse aus und verteidigte den Vorsprung im Stile eines Spitzenteams. Es gab aber auch schon Zeiten am Böllenfalltor, da wäre genau das nicht so einfach möglich gewesen.
Die Lilien brauchen den zwölften Mann
Ein Problem dabei: Der Funke springt bei den Lilien aktuell zu wenig vom Rasen auf die Ränge über – und umgekehrt. Die Mannschaft schafft es nicht, für Begeisterung im Stadion zu sorgen. Auf der anderen Seite schaffen es die Fans aber auch nicht, die Mannschaft zu pushen. In früheren Jahren hätte in so einer Situation Aytac Sulu an der Mittellinie einen Gegenspieler umgegrätscht, Toni Sailer ein aussichtloses Dribbling gestartet oder Sandro Wagner einfach mal einen reingemacht. All das passiert jedoch nicht.
Was möglich ist, wenn Anhang und Spieler eine Einheit bilden, bewies die Schlussphase gegen Eintracht Frankfurt, als die Lilien zwei Treffer aufholten und am Ende das Remis wie einen Sieg feierten. Genau diese Momente gab es in der laufenden Runde aber zu selten. "Wenn wir mal wieder eine Torchance nutzen, fehlt nicht viel, dass das Stadion kocht. Aber wenn die Kraft fehlt und der Gegner dich laufen lässt, ist es schwer, da Feuer reinzukriegen", so Kapitän Fabian Holland. Die Lilien brauchen ihre Fans, die Fans brauchen einen Hallo-Wach-Effekt. Ein Dilemma.
Es ist weiter alles drin
Nun kann man einem Aufsteiger nach einer Niederlage gegen den Spitzenreiter natürlich keinen Vorwurf machen. "Mir fällt es schwer, meine Mannschaft nicht zu loben", sagte auch Lieberknecht. Die Lilien ackern und rennen ohne Ende. Es reicht und läuft aber einfach nicht. Dass nicht alles schon komplett dahingeht, liegt aktuell nur an den ebenfalls schwachen Konkurrenten aus Mainz und Köln. Der FC besiegte am Samstagabend zwar überraschend die Eintracht, der Abstand zu Platz 16 beträgt weiterhin aber nur vier Punkte. "Wir haben Hoffnung, es ist alles möglich", so Lieberknecht. Und auch mit diesen sieben Worten hatte er Recht.