Lilien-Profi im Kader Albaniens Vom Bolzplatz zur EM: Der lange Weg des Klaus Gjasula
Klaus Gjasula erfüllt sich einen Traum. Mit Albanien tritt er erstmals bei einem großen Turnier an - im zarten Alter von 34 Jahren. Und das ausgerechnet für seine Heimat in seiner Heimat.
Paris, Stade de France, 78.000 Zuschauer, den Weltstar Antoine Griezmann als direkten Gegenspieler – die Bühne fürs erste Mal hätte kaum riesiger sein können. Ausgerechnet gegen Frankreich gab Klaus Gjasula sein Debüt für die albanische Fußball-Nationalmannschaft. Knapp fünf Jahre ist das nun her, es war sein "emotionalster Moment als Fußballer", wie Gjasula hinterher sagte. Und spätestens seitdem reifte im Profi des SV Darmstadt 98 dieser eine Traum: Irgendwann einmal für sein Heimatland bei einem großen Turnier antreten.
Das Irgendwann ist jetzt, beziehungsweise ab Samstag, wenn Albanien bei der EM nacheinander auf Italien, Kroatien und Spanien trifft. Eine Hammergruppe für den Außenseiter, klar, letztlich aber genau das, was sich Gjasula immer gewünscht hat. Sich mit den Besten zu messen.
Ein langer Weg in den Profifußball
Schon damals in Freiburg. Als kleiner Knirps zog er mit den Eltern und dem vier Jahre älteren Bruder Jürgen (einst Profi beim FSV Frankfurt) von Tirana ins beschauliche Breisgau. Und fortan es ging fast nur noch um Fußball. Jeden Tag. Ein Bolzplatz direkt hinter dem Elternhaus wurde zur zweiten Heimat der Brüder. Sie lieferten sich harte Duelle, nicht immer fair, aber welche, die sie beide voranbrachten.
Der Weg des Klaus Gjasula ins Profigeschäft war ein langer. Nach diversen Stationen in der Oberliga sowie der Regionalliga bei Kickers Offenbach, schaffte er 2019 mit Paderborn den Aufstieg ins Fußball-Oberhaus – und kam kurz darauf zu seinem Länderspieldebüt. Er war damals schon 29 Jahre alt. Ein Spätzünder in diesem Business für teils jugendliche Hochbegabte.
Dank an Lilien-Trainer Lieberknecht
Seitdem sammelte der heute 34-Jährige nicht nur Gelbe Karten als Accessoires, sondern auch weitere 27 Auftritte im Dress der "Adler". Und nun eben die Europameisterschaft, ausgerechnet diese Europameisterschaft, jene für seine Heimat in seiner Heimat. "Ganz besonders" nennt Gjasula das und dankt explizit seinem Vereinscoach Torsten Lieberknecht.
Denn noch im Frühjahr war Gjasula raus aus dem Team von Trainer Sylvinho, als Ex-Profi des FC Arsenal, des FC Barcelona und von Manchester City übrigens der größte Star der Albaner. Für Darmstadt agierte Gjasula vergangene Saison oft als Libero, Sylvinho aber benötigt ihn als Sechser. Erst als Lieberknecht seinen Spieler wieder eine Reihe nach vorne schob, lud auch Sylvinho den Lilien-Abräumer wieder ein.
Gjasula kommt wohl nur von der Bank
Einen Stammplatz aber hat Klaus Gjasula nicht. Gesetzt auf der Doppelsechs ist Kristjan Asllani von Inter Mailand, daneben durfte zuletzt meist mit Ylber Ramadani (US Lecce) ein weiterer Italien-Legionär spielen. Ohnehin passt Gjasulas Stil nur bedingt zu dem der Albaner. Unter dem brasilianischen Coach ist das Team auf erstaunlich lange Ballbesitzphasen bedacht.
Für einen Mann wie Gjasula, ein Raubein mit inniger Liebe zur Grasnarbe, eher der verkehrte Ansatz. Einserseits. Andererseits: Soll es zur Sensation reichen, müssen Weltstars auch mal gepiesakt werden. Die erste Chance bietet sich Gjasula und Kollegen am Samstag, 21 Uhr. Dortmund, Westfalenstadion, 81.000 Zuschauer, die ganz große Bühne.