Lilien-Trainer Kohfeldt will Panik vermeiden Darmstadt 98: Die Abstiegsangst lugt schon mal ums Eck
Statt sich aller Abstiegssorgen zu entledigen, nimmt die Furcht vorm Gang in die Drittklassigkeit bei Darmstadt 98 wieder zu. Der Grund: Die Lilien verlieren in Ulm ein Spiel, das sie gewinnen hätten können. Ein altbekanntes Muster.
Am Ende wurde noch ein bisschen gebolzt, der Ball von ganz hinten nach ganz vorne auf den Längsten gedroschen. Doch selbst das menschgewordene Kopfballungeheuer Aleksander Vukotic, Hauptberuf Verteidiger, vermochte in seiner Zweitrolle als Stürmer nicht mehr zu liefern, das Spiel ging trotz sechsminütiger Zusatzzeit und aller Mühen verloren, mit 1:2 beim SSV Ulm. Und Vukotic sank danieder, als der Abpfiff durchs pickepackevolle Donaustadion lärmte. Frustriert, verärgert, auch ratlos.
Wieder mal haben die Darmstädter auswärts nichts gerissen, das fünfte Spiel in Folge in der Fremde verloren, zum achten Mal nacheinander auswärts keinen Sieg eingefahren. Und das nicht mal unverdient, wie Coach Florian Kohfeldt sagte: "Ein verdienter Heimsieg der Ulmer ist es deshalb, weil sie das Spiel gefühlt haben und genau wussten, wann es wichtig wurde, die Tore zu machen." Die Gastgeber hätten, so Kohfeldt, "eine grandiose kämpferische und aufopferungsvolle Leistung gebracht". Die Lilien dagegen hätten es "wieder nicht geschafft", die Chancen zu nutzen.
Verdrehte Fußballwelt
Was schon im Wochenverlauf von zahlenaffinen Experten errechnet wurde, bestätigte sich auch am Freitagabend: Die Darmstädter belohnen sich zu selten, hätten – wie so oft – laut Expected-Goals-Rechnung eigentlich gewinnen müssen, mit 2:1 diesmal. Verdrehte Fußballwelt. Kohfeldt sprach von "hochkarätigen Chancen" und meinte vor allem einen Pfostentreffer von Isac Lidberg im ersten Abschnitt sowie eine Möglichkeit von Killian Corredor nach dem Seitenwechsel.
Die Ulmer dagegen machten aus ihren wenigen Gelegenheiten viel, Lucas Röser traf per Kung-Fu-Einlage zur Führung (50.), Oliver Batista-Meier per Flatterschuss zum 2:0 (57.). Das erste Zweitligator von Clemens Riedel sollte nicht mehr als eine nette Randnotiz für den Lilien-Kapitän sein (68.).
Die Sinne schärfen
Die Niederlage allein auf fehlende Kaltschnäuzigkeit zurückzuführen, wäre freilich der falsche Ansatz. So ging den Gästen auch die allerletzte Wehrhaftigkeit ab, der allerletzte Fokus in den entscheidenden Aktionen, wieder kassierte die Kohfeldt-Elf zwei durchaus vermeidbare Gegentore. Und zu guter Letzt ist eine mangelnde Chancenverwertung über mehrere Wochen hinweg sicher nicht nur des eigenen Unglücks geschuldet.
Torwart Marcel Schuhen stellte beim Gegner eine Um-jeden-Grashalm-kämpfen-Mentalität fest, Abwehrmann Riedel forderte für die Zukunft, "noch dreckiger" zu agieren. Heruntergebrochen: Lilien, süß-sauer. Zu süß im Auftreten, sauer über die Niederlage.
Kohfeldt erweiterte die Analyse noch um eine weitere Geschmacksrichtung: Schärfe. Die nämlich müsse in den kommenden Wochen unbedingt rein. "Wir sollten die Sinne scharf und die Leistung hoch halten“, so Kohfeldt. Der Abstieg, er ist weiterhin ein biestiger Verfolger der Südhessen.
Abstand nach unten noch recht komfortabel
Mit einem Sieg beim bisherigen Vorletzten hätten sich die Lilien aller Sorgen entledigen können, nach der Niederlage sind jene größer als zuvor. Das Darmstädter Echo etwa kommentierte: "Beim SV Darmstadt 98 geht es ums Ganze: Wenn der SV98 nicht schnell die richtigen Lehren zieht, droht der Abstieg."
Während die Spieler in dieselbe Kerbe schlugen, "wir müssen jetzt nach unten gucken, das muss jedem bewusst sein" (Riedel), warb der Trainer um eine differenzierte Draufsicht. So habe seine Elf weiterhin acht Zähler Vorsprung auf den 16. Platz, am Sonntag könnte Braunschweig mit einem Erfolg gegen Münster jenen jedoch auf fünf Punkte schrumpfen lassen.
Kohfeldt: "Sehr, sehr aufmerksam bleiben"
"Ich bin ein großer Freund davon, die Dinge rational zu bewerten", so Kohfeldt. Einerseits müsse man "sehr, sehr aufmerksam bleiben", anderseits sei er "sehr optimistisch, dass wir diese Bewährungsprobe bestehen". Kurzum, beschloss Kohfeldt: "Wachsam, aber keine Panik."
Der Plan des Coaches ist offensichtlich: Lieber auf die Stärken besinnen, die vorhanden sind, als die Schwächen in den Vordergrund zu rücken. Weiterhin ist ein Abstieg mit Blick auf Grundqualität des Kaders sowie den Vorsprung nicht die wahrscheinlichste Option. Wenn die Lilien aber so weiterpunkten wie zuletzt, könnte es natürlich eng werden. Die alarmierende Bilanz: zehn Spiele, sieben Zähler, Vorletzter der Rückrundentabelle. Die Abstiegsangst lugt zumindest mal ums Eck.