Lilien auf ungeahntem Erfolgskurs Kohfeldt gibt Darmstadt 98 eine Gebrauchsanweisung zum Siegen
Ende August war Darmstadt 98 als Tabellen-Vorletzter am Boden zerstört. Gut zwei Monate und viele Erfolge später sind die Lilien unter dem neuen Trainer Florian Kohfeldt wieder auf der Sonnenseite des Lebens. Vor allem eine Maßnahme führte zum Erfolg.
Irgendwann nach dem 5:1-Sieg seiner Darmstädter bei Greuther Fürth fiel all die Anspannung ab von Florian Kohfeldt. Der 42-jährige Lilien-Trainer saß im Pressekonferenzen-Raum und strahlte vor sich hin. Kohfeldt hat bei den Lilien viel bewegt seit seinem Amtsantritt Anfang September. Auf sein Konto gehen vier Siege, drei Unentschieden und nur eine Niederlage. Unter ihm ging's in der 2. Liga von Tabellenplatz 17 auf den zwölften Rang.
Hinter den Lilien liegt eine überragende Woche. Der 3:2-Pokal-Erfolg in Dresden am Mittwoch war ein Sieg der Moral und der Mentalität. "Uns kann nichts umwerfen" war die Erkenntnis, die noch lange nachwirken wird. Der 5:1-Sieg am Samstag in Fürth war dann die Gala, welche Kohfeldt als "das beste Spiel der letzten Wochen" bezeichnete.
Der neuen Lilien-Coach brachte seinen Spieler in den vergangenen Wochen einiges wieder bei: starke Fitness, Offensiv-Power und, fast unbemerkt, eine neue Stabilität in der Defensive. Und was am allerwichtigsten ist: Die Spieler spüren wieder eine Sicherheit auf dem Platz, die Selbstzweifel der bleiernen Monate davor sind verflogen.
Kohfeldt gibt Lilien Gebrauchsanweisung zum Siegen
Als Kohfeldt Anfang September in Darmstadt startete, fand er eine verunsicherte Mannschaft vor. Kein Wunder, denn die Horror-Saison in der Bundesliga hatte sich nach dem Abstieg in der 2. Liga nahtlos fortgesetzt. Die Lilien fanden sich auf einmal auf einem Abstiegsplatz wieder. Doch Kohfeldt packte an. Er gab der Mannschaft Stück für Stück die Sicherheit zurück. Für die Spieler gab es ganz klare, detaillierte und akribische Anweisungen, was sie auf dem Platz zu tun und zu lassen haben.
Die Anweisungen gingen bis ins Allerkleinste, zum Beispiel, zu welcher Seite die Profis nach einem Anspiel aufdrehen sollen. Genau das hatten die verunsicherten Darmstädter Spieler nötig: eine Gebrauchsanweisung. Mit den richtigen Werkzeugen kehrte bei den Lilien die Sicherheit zurück. Und mit ihr auch der Erfolg. Und es passierte noch mehr: Kohfeldt verbesserte den Fitness-Zustand der Mannschaft. Das zeigte sich im Pokalspiel in Dresden, als die Lilien über 120 Minuten mehr investieren konnten.
Das Offensiv-Spiel der Darmstädter ist mittlerweile ein echtes Pfund. Jeweils Fünf Tore gegen Schalke, Köln und Fürth, jeweils drei in Karlsruhe und Dresden: Das kann sich sehen lassen. Was sich aber auch verändert hat: Kohfeldt hat den Fehler-Teufel in der Defensive erfolgreich bekämpft. Das Resultat: In den vergangenen drei Liga-Spielen gabs jeweils nur einen Gegentreffer.
Neuzugänge werden in Darmstadt zu Leistungsträgern
Und noch etwas hat sich entwickelt: die Neuzugänge. Gingen Isac Lidberg, Killian Corredor und Co. zu Saisonbeginn im allgemeinen Negativ-Trend noch mit unter, gehören sie mittlerweile zu den Stützen der Mannschaft. Mit Spät-Neuzugang Philipp Förster, Lidberg, Corredor, Fynn Lakenmacher und Kai Klefisch zeigten gleich fünf Neuzugänge beim 5:1 in Fürth eine starke bis überragende (Förster) Leistung.
Das zeigt, dass auch Sportdirektor Paul Fernie (seit April 2024 bei den Lilien) seinen Job im Sommer gut bis sehr gut gemacht hat, von Kohfeldt gab es dafür am Wochenende ein Sonderlob.
Band zwischen Mannschaft und Fans ist wieder intakt
Auch das arg strapazierte Band zwischen der Mannschaft und den Fans des SV Darmstadt 98 ist - auch durch die Erfolge unter Kohfeldt - wieder intakt. Das Verhältnis war seit dem 0:6 im Bundesliga-Heimspiel gegen Augsburg im März dieses Jahres stark ramponiert.
Fortan gab es sowohl Irritationen zwischen Club und Fans als auch unter den Fans. Doch auch das gehört der Vergangenheit an. Im Heimspiel gegen Ulm oder zuletzt den Spielen in Dresden und Fürth, wurde die Lilien-Mannschaft fast ununterbrochen vom eigenen Anhang angefeuert. Nach dem 5:1-Erfolg in Fürth feierte die Mannschaft ausgelassen vor den Darmstädter Fans.
Der Blick in die Zukunft: den Ball flachhalten
Bei den Lilien genießen sie die aktuellen Erfolge, viel darüber reden wollen Kohfeldt und Co. aber nicht. Nach dem Motto: "Wir haben noch viel Arbeit vor uns". Auch der Hinweis, dass man trotz der Erfolge gerade einmal vier Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt ist, darf da nicht fehlen. Kohfeldt schaut lieber nach vorne: ein weiterer Erfolg am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC und die Lilien könnten ganz entspannt in die folgende Länderspielpause gehen.
Anfang Dezember folgt für den 42-Jährigen dann ein Spiel fürs Herz. Bei der Auslosung des DFB-Pokal-Achtelfinale wurde am Sonntag nämlich Schicksal gespielt, indem Kohfeldt mit den Lilien ausgerechnet zu "seinem" Club Werder Bremen reisen muss, bei dem Kohfeldt als Spieler, Jugend-, Co- und Bundesliga-Trainer insgesamt 20 Jahre verbrachte.
"Es ist natürlich etwas Besonderes für mich, mit Darmstadt 98 an den Ort zurückzukehren, mit dem ich sehr viele Erinnerungen verbinde", sagte Kohfeldt am Montagnachmittag. Vielleicht können die Lilien ja dann mit der Gebrauchsanweisung ihres Trainers auch ins Pokal-Viertelfinale stürmen.