"Müssen uns von emotionalen Ausschlägen abkoppeln" Kohfeldt-Premiere für Darmstadt 98: neuer Trainer, alte Muster
Florian Kohfeldt hebt einiges Positives beim Remis gegen Braunschweig hervor, obwohl das Gesamtniveau der Partie keiner Zweiliga-Bewerbung gleicht. Nach der Lilien-Premiere wartet auf den Coach viel Arbeit.
Auf den Torsten-Lieberknecht-Redekreis verzichtete Florian Kohfeldt. Die Spieler vom SV Darmstadt 98 hatten sich aus Gewohnheit bereits eingerundet nach dem Abpfiff auf dem Feld, wollten den Worten ihres neuen Cheftrainers im Anschluss an das 1:1 gegen Eintracht Braunschweig lauschen, da winkte Kohfeldt ab. Nein, nein, geht lieber zu den Fans. Auch dorthin, vor die Tribüne der Treuesten im Stadion am Böllenfalltor, marschierte der Fußballlehrer anders als sein zurückgetretener Vorgänger nicht mit.
Ansonsten erlebte Kohfeldt einen Premierentag im Lilien-Gewand, den so auch Lieberknecht hätte erleben können. Die Darmstädter Zweitliga-Mannschaft war zwar gewillt, die Sieglosserie zu durchbrechen, machte phasenweise ein ordentliches Spiel (erste Halbzeit), drei Punkte aber blieben erneut aus, machte der Rucksack an Misserfolgen im Verlauf der Partie doch irgendwann die Beine und den Kopf träge (ab der 60. Minute).
Die Kohfeldt-Faust darf nicht fehlen
So freute sich Kohfeldt mit der typischen Florian-Kohfeldt-Jubelfaust in der Nachspielzeit sogar darüber, dass Kai Klefisch an der Mittellinie eine Grätsche gelang und er damit einen Braunschweiger Konter verhinderte. Sprich: Dass die Lilien die Partie, die auf beiden Seiten eher keine Bewerbung für viele Jahre Zweitligafußball war, nicht noch verloren. Zur Erinnerung: Die Hausherren, Tabellenvorletzter, hatten am Samstag das Schlusslicht zu Gast, den laut Klassement machbarsten aller Gegner. "Es war ein ereignisreiches Spiel", bilanzierte Kohfeldt, "ein gerechtes Unentschieden."
Überhaupt machte der Coach einen zuversichtlichen Eindruck. Er benannte bei seinen Ausführungen zwar auch das Negative, "wir haben uns in Hälfte zwei zu tief fallen gelassen", hatte dabei aber stets ein Strahlen im Gesicht. Die Aufbruchstimmung, die nach der Verpflichtung des 41-Jährigen zu spüren war rund ums Bölle, soll mitgenommen werden. "Es ist wichtig, dass wir den Blick nach vorne richten."
Anfängliche Stabilität durch taktische Änderungen
Rein taktisch hatte Kohfeldt einige Änderungen vorgenommen. Die Auffälligste: Seine Mannschaft verteidigte mit vier statt drei Spielern. Daraus ergab sich ein 4-4-2-System, in dem Fraser Hornby als Sturmspitze seine Chance bekam und die offensiven Außen einigermaßen unbesetzt blieben. Dort nämlich hatte der Coach Luca Marseiler (rechts) und Killian Corredor (links) platziert, die ob ihres Spielerprofils oft in die Mitte abbogen und den direkteren Weg zum Tor suchten. "Ich habe schon einiges von dem gesehen, was wir trainiert haben", sagte der Coach.
In den ersten 45 Minuten funktionierte der Kohfeldt’sche Spielansatz recht gut. Seine Mannschaft war die bessere. Das 1:0 gelang den Lilien indes nach einem Konter, weil Rechtsverteidiger Sergio Lopez den weiten Weg am Flügel mitgemacht hatte und dafür belohnt wurde (28.). Dass 50, 60 Meter weiter hinter auf dem Feld der verletzte Braunschweiger Sven Köhler behandelt wurde, bekam Lopez erst beim Jubeln mit.
Braunschweiger Wut mindert den Darmstädter Mut
Aus der Pause kamen die Braunschweiger mit Wut im Bauch, was ihnen half und den Lilien schadete. Als nach einer Stunde das vermeintliche 2:0 von Hornby wegen eines Fouls nach Videoansicht zurückgenommen wurde, was Kohfeldt bemängelte, verließ die Lilien zusehends der Mut. "Wir müssen lernen, uns von emotionalen Ausschlägen abzukoppeln", so Kohfeldt. Der Trainer, fleißig zu Fuß an der Seitenlinie, stellte auf drei Innenverteidiger um und musste daher damit leben, dass sich just der eingewechselte Matej Maglica vor dem Ausgleich simpel austricksen ließ (86.). Neuer Trainer, alte Muster.
Lilien-Torwart Marcel Schuhen erkannte im Vergleich zur Elversberg-Schmach in Sachen Einsatz und Leidenschaft ein deutliches Upgrade, was stimmte. "Das waren Welten. Zwei, drei ehrliche Worte können manchmal enorme Wirkung haben." Schuhen selbst hatte sie bekanntlich in die Kamera gewütet.
Kohfeldts Job wird kein leichter sein
Was also bleibt von des Trainers Premiere? Zum einen, dass die Darmstädter Mannschaft engagiert ist, sie raus will aus dem Tabellenkeller. Zum anderen, dass ihr an einigen Stellen dafür (noch) das nötige Rüstzeug fehlt. Es liegt nun an Florian Kohfeldt, ihr jenes schnellstmöglich mitzugeben. Der Eindruck ist: Der Coach hat sich keinen ganz leichten Job ausgesucht.