Nach Trennung bei Darmstadt 98 Tops und Flops der Lieberknecht-Ära

Wohl kaum ein Trainer prägte die Lilien in so kurzer Zeit so sehr wie Torsten Lieberknecht. Erst Tränen, dann Aufstieg, dann Absturz. Welche Momente bleiben vom beliebten Coach hängen?

Torsten Lieberknecht wird von seinen Spielern beim Aufstieg gefeiert.
Torsten Lieberknecht wird von seinen Spielern beim Aufstieg gefeiert. Bild © Imago Images
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Torsten Lieberknecht ist nicht mehr länger Trainer von Darmstadt 98. Die Nachricht traf nicht wenige Beobachter tief. Denn obwohl der Cheftrainer "nur" drei Jahre im Amt war, galt er schnell als prägendes Gesicht des ganzen Vereins. Welche Momente mit Lieberknecht bleiben hängen - im Guten wie im Schlechten? Eine Auswahl.

20. November 2021, Darmstadt 98 - St. Pauli 4:0

Als Lieberknecht vom TV-Interview zurückkam, jubelte die Menge los, als sei soeben das fünfte Tor für Darmstadt gefallen. "Lie-ber-knecht, Lie-ber-knecht", hallte es durchs Böllenfalltor. Der Trainer fragte Kapitän Fabian Holland, ob es okay sei, wenn er noch einmal alleine vor die Fans trete. Da stand er und schmetterte mit den Fans die Lilien-Hymne, die er schon auf dem Weg zu seiner Vorstellung als Trainer im Auto gehört - und sogar als Braunschweig-Trainer abgespielt hatte.

Lieberknecht und die Lilien, das war spätestens an diesem Tag die perfekte Symbiose. Die Mannschaft um Luca Pfeiffer und Phillip Tietz spielte den Aufstiegsfavoriten St. Pauli schwindelig und kämpfte als Überraschungsteam seinerseits um die Bundesliga. Und ganz nebenbei wurde an jenem Tag der Impf-Skandal um Lieberknechts Vorgänger Makus Anfang publik.

19. Mai 2023: Darmstadt - Magdeburg 1:0

Nach den bitteren Tränen vom verpassten Aufstieg in Düsseldorf 2022 fassten sich Mannschaft und Trainer ein Herz, um noch einmal neu anzugreifen. Oder vielmehr: einen Schlüssel, den Lieberknecht symbolisch mit in die Kabine brachte. Zum Ende der Saison 22/23 gerieten die eigentlich über weite Strecken souveränen Lilien noch einmal ins Flattern, doch gerade eine Mannschaftsaussprache nach der Pleite in Bielefeld und Lieberknechts Motivationsreden ebneten den Weg zum Aufstieg.

Ein Tor von Tietz, passenderweise unweit von Lieberknecht nahe Braunschweig aufgewachsen, sicherte gegen Magdeburg den Traum von Liga eins. Mit einem wilden Tanz sollte der Coach später auf der Bühne den Riesenerfolg feiern - und wieder hallte es "Lie-ber-knecht, Lie-ber-knecht!" von den euphorisierten Fans.

27. Mai 2023: Die ominöse Mallorca-Fahrt und eine Vertragsverlängerung

Wenn es heißt, dass im Erfolg die größten Fehler gemacht werden, dann kann Darmstadt 98 davon zumindest eine kleine Zeugenaussage tätigen. Die Fahrt der Mannschaft unmittelbar nach dem Magdeburg-Spiel führte zu einer deftigen Klatsche beim Saisonausklang in Fürth. Darmstadt verlor dadurch nicht nur die Zweitliga-Meisterschaft und Extra-Gelder, sondern setzte auch ein Zeichen der Ambitionslosigkeit. Der Fehler wurde sogar öffentlich eingestanden, doch auch weitere Entscheidungen des Sommers hatten Nachwirkungen.

Der Weggang von Tietz als Stürmer und Führungsfigur konnte bis heute nicht kompensiert werden. Im Zuge der Euphorie verlängerten die Lilien im August mit Lieberknecht den ohnehin bis 2025 laufenden Vertrag bis 2027. Andere, wie der Sportliche Leiter Carsten Wehlmann, konnten sich ihrer Zukuntspapiere nicht so sicher sein. Im Winter endete diese Personalie mit einem Knall - Wehlmann verließ die Lilien.

7. Oktober 2023: Augsburg - Darmstadt 0:2, 2. März 2024: Darmstadt - Augsburg 0:6

Das High- und Lowlight der Bundesligasaison stellen die Tage rund um die beiden Spiele gegen Augsburg dar. In der Hinrunde setzten die Lilien kurzzeitig auf Angriffsfußball, schossen damit Werder Bremen aus dem Stadion und ließen in Augsburg den zweiten Dreier nacheinander folgen. Die Mannschaft schien endgültig in der Bundesliga angekommen zu sein. Nur blieb der Erfolg bei den Fuggerstädtern über ein halbes Jahr lang der einzige Sieg.

Beim Rückspiel gegen den FCA (0:6) lief alles aus dem Ruder, die Fans gingen aufeinander los und der Traum von der Bundesliga war endgültig geplatzt. Lieberknecht sagte nach dem Spiel zwar: "Meine Spieler sind nicht in dem Augsburg-Moment verharrt. Jeder weiß, dass wir an diesem Tag große Scheiße gebaut haben. Es waren individuelle Blackouts, die ich in der Form noch nie erlebt habe." Doch die Pleite blieb kein Einzelfall, im letzten Heimspiel kam eine weitere 0:6-Packung gegen Hoffenheim hinzu. Diesen Rucksack schleppen die Darmstädter bis heute mit sich herum.

31. August: Elversberg - Darmstadt 4:0

Noch in der Pressekonferenz vor dem Spiel zeigte sich Lieberknecht optimistisch, lobte den guten Weg seiner neu formierten Elf nach der Partie gegen Nürnberg und gab nach einer Verspätung bei der vorangegangen Medienrunde Kuchen aus. Er schien nicht grüblerisch, sondern sehr entspannt. Nach der Partie aber wirkte der Trainer in sich versunken und komplett konsterniert. "Katastrophal, Offenbarungseid", nannte er die Vorstellung und sagte, dass er sich von seiner Mannschaft im Stich gelassen gefühlt habe. Monatelang hatte sich Lieberknecht immer wieder vor sein Team gestellt, doch dieses Debakel ließ den Geduldsfaden reißen. Am Sonntag verkündeten die Lilien die Trennung.

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Umfrage: Ist die Trennung zwischen Darmstadt und Lieberknecht richtig?

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Nein
34,8

112 Mal betreute Lieberknecht den SV Darmstadt 98: 44 Siege stehen 46 Niederlagen gegenüber. Er sorgte nicht nur für den Aufstieg, sondern auch mit Erfolgen im Pokal über beispielsweise Borussia Mönchengladbach für magische Momente am Böllenfalltor. Mit seiner offenen Art und seiner Spielweise schlossen ihn die Darmstädter schnell in die Herzen. Doch die Herausforderung Bundesliga wurde für alle zu groß - genauso wie augenscheinlich die Last aus den negativen Erlebnissen daraus.