Defensive ist die Haupt-Baustelle Lilien müssen sich auf langen Abstiegskampf einrichten
Der SV Darmstadt 98 steckt auch unter dem neuen Trainer Florian Kohfeldt weiter im Tabellenkeller der 2. Bundesliga fest. Auf die Spieler wartet eine anstrengende Länderspielpause.
Wer Florian Kohfeldt aktuell bei seiner Arbeit bei Darmstadt 98 beobachtet, sieht einen Trainer voller Energie und Elan. An der Seitenlinie ist er aktiv wie eh und je, seine Ausführungen zum Fußball im Allgemeinen und den Lilien im Speziellen sind tiefgehend und eloquent. Der 42-Jährige, einst als kommender Stern am Trainerhimmel gefeiert und dann in den Untiefen der Wolfsburger Champions-League-Nächte verglüht, füllt die Aufgabe in Südhessen sichtlich mit Leben. Kohfeldt ist angekommen, Kohfeldt hat viel vor.
Die Abstiegssorgen sind akut
Nach ziemlich genau einem Monat lässt sich festhalten, dass der Neuanfang des langjährigen Bremers in Darmstadt in vollem Gange ist. Einen Blitzstart hat Kohfeldt im Tabellenkeller der 2. Liga allerdings nicht hingelegt.
In vier Spielen holte er insgesamt fünf Punkte und machte einen Platz in der Tabelle gut. Auf einen sehr schwachen Auftakt gegen Braunschweig (1:1) folgte die spektakuläre Wiederauferstehung auf Schalke (5:3), eine vermeidbare 1:2-Niederlage gegen Magdeburg und ein wildes 3:3 beim KSC. Vorletzter sind die Lilien inzwischen nicht mehr, die Abstiegssorgen sind auf Tabellenplatz 16 aber nur unwesentlich kleiner geworden. Darmstadt 98, gerade erst sang- und klanglos aus der Bundesliga abgestiegen, steht schon wieder vor schwierigen Monaten.
Es geht erst einmal nur um den Klassenerhalt
Für die Lilien dürfte es in dieser Saison um Schadensbegrenzung und ausschließlich um den Klassenerhalt gehen. Ein Platz im gesicherten Mittelfeld wäre fast schon gleichbedeutend mit einer Sensation. Die Lilien dürfen sich auf einen langen und harten Abstiegskampf einrichten. Willkommen in der Realität.
Immerhin: Der Optimismus, dass dieses – erst einmal sehr ernüchternd klingende Vorhaben – wirklich gelingt und die Lilien auch im kommenden Jahr zweitklassig sind, ist nach der Bruchlandung mit nur einem Punkt aus den ersten vier Spielen und der folgerichtigen Trennung von Torsten Lieberknecht, sehr groß. Für eine grenzenlose Euphorie hat zwar auch Kohfeldt bislang nicht gesorgt, angesichts der prekären Lage im Tabellenkeller geht es aber ohnehin erst einmal darum, die Sinne zu schärfen und allen den Ernst der Lage klarzumachen. Die Lilien spielen gegen den Abstieg. Schon wieder.
Die Defensive macht Probleme
Was hingegen neu ist: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die allesamt eher auf Kampf und die im Übermaß zitierten Darmstädter Tugenden setzten, baut Kohfeldt auch in Darmstadt auf einen fußballerischen Ansatz. Seine Idee vom zielgerichteten, temporeichen und dominanten Ballbesitzfußball wiederholt er fast schon mantraartig. Bei den Spielern, so heißt es, kommt das gut an. Was aber auch Teil der Wahrheit ist, angesichts der Kürze der Zeit aber nicht ungewöhnlich: Viel zu sehen ist vom neuen Darmstädter Stil gerade defensiv bislang noch nicht.
Die Abwehr ist die größte Problemzone der Südhessen, baut immer wieder Fehler ein, wirkt teilweise schlicht übermotiviert und ist insgesamt wohl etwas zu langsam. Kohfeldt, der zumindest der Offensive um das Sturmduo Isac Lidberg und Fraser Hornby wieder neues Leben eingehaucht hat (zehn Tore in vier Spielen), hat das Problem erkannt und arbeitet an Lösungen. Eine solche könnte auf Dauer der zuletzt nicht fitte Matej Maglica sein, der in die Startelf drängt. Entscheidend ist zudem, dass sich möglichst schnell eine Achse bildet und sich Führungsspieler herauskristallisieren. Von denen gibt es im aktuellen Kader nicht mehr allzu viele.
Die Lilien haben ein Fitness-Problem
Und dann wäre da noch die mangelnde Fitness. Trotz gleich zwei abgehaltener Trainingslager im Sommer und jeder Menge Experten im Staff wirkten die Darmstädter Profis zuletzt erstaunlich früh erstaunlich platt. Mit zunehmender Spieldauer wurden die Beine bei vielen Spielern merklich schwerer und die Sprints kürzer, klare Sache: Den Lilien fehlt es an Körnern. Gift im Abstiegskampf.
Kohfeldt, der lieber an der Implementierung seiner Ideen feilen würde, hat die Länderspielpause deshalb kurzerhand zu einem Mini-Bootcamp erklärt und sich bereits im Vorfeld bei seinen Spielern entschuldigt. Bis einschließlich Freitag stehen knackige Einheiten auf dem Programm, das sonst übliche Durchatmen in der spielfreien Zeit wurde gestrichen. "Es tut mir leid, aber wir brauchen das", hatte Kohfeldt bereits nach der Partie in Karlsruhe angekündigt. Bis die Rückstände komplett aufgeholt sind, könnte es aber wohl bis zur Rückrunde dauern.
Die harte Realität heißt Zweitliga-Abstiegskampf
Die Lilien, das wird an vielen Stellen deutlich, stehen vor einer Mammutaufgabe und müssen zudem den Spagat zwischen (vermeintlichem) Anspruch und den harten Tatsachen bewältigen. Die Situation ist knifflig und alles andere als ungefährlich. Dass Darmstadt 98 das begriffen hat, ist aber der erste Schritt in die richtige Richtung.