Verheerende Tendenz bei Darmstadt 98 Der Abstiegskampf grüßt schon mal
Darmstadt 98 ist nicht nur das schlechteste Rückrundenteam, sondern taumelt mittlerweile auch der Abstiegszone entgegen. Lilien-Trainer Florian Kohfeldt begegnet der Krise antizyklisch.
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Zu Anfang einige Einschätzungen des Darmstädter Trainers Florian Kohfeldt: "Eine herausragend-emotionale Leistung", "eine unglaubliche Leistung in Unterzahl", "wir waren stabil". Außerdem, so ergänzte es Lilien-Torwart Marcel Schuhen: "Es gibt Teams, die dann auseinanderfallen, wir nicht." Ja, was war das für ein südhessisches Fußballfest am Samstagmittag im Eintracht-Stadion zu Braunschweig, ein 3:0, 4:0, vielleicht auch ein 5:1. Äh, wie bitte?
Denn ohne Ironie: Die Lilien haben das Spiel verloren, 0:1, unglücklich zwar, wäre ein Unentschieden das gerechtere Ergebnis gewesen, völlig unvermittelt aber kam die vierte Pleite am Stück dann doch nicht für die Darmstädter. 60 Minuten lang boten sie biederen Fußball an, langsam, umständlich, risikoarm. Ganz so, wie Mannschaften mit angeknackstem Selbstvertrauen es häufig tun. Ein Lattentreffer von Merveille Papela blieb bis zur 89. Minute, als Killian Corredor ebenfalls den Querbalken traf, die einzige Gästechance.
Tendenz ist verheerend
Die Eintracht ihrerseits traf nach einer Stunde per Fernschuss zur Führung, die sich in dieser Phase nicht angedeutet hatte, und doch: Wer wagt, den Schuss aus der Ferne zum Beispiel, der gewinnt eben manchmal. Der vorherige Tabellensechzehnte war den lange Zeit so hochfliegenden Kohfeldt-Spielern ebenbürtig, was nichts Gutes für die Gäste bedeuten kann. Erst als noch Darmstadts Jean-Paul Boëtius zu Recht mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen wurde (62.), drehten die Hessen auf, drängten in Unterzahl auf den Ausgleich, was Kohfeldt die zu Beginn niedergeschriebenen Lobeshymnen formulieren ließ.
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Doch ist die Welt so rosig, wie sie der Coach anschließend machte? Die Fakten sprechen eine andere Sprache, da ist die Tendenz verheerend. Sechs Spiele sind sie nun schon sieglos, die Lilien, vier Niederlagen gab's in Folge. Zudem erzielten die Hessen mehr als sechs Stunden kein Tor mehr. Sie sind das schlechteste Rückrundenteam und weisen entsprechend nur noch fünf Zähler Vorsprung auf Rang 16 auf. Willkommen im Abstiegskampf! Oder etwa nicht?
Darauf angesprochen, wich Kohfeldt am ARD-Mikro aus. "Wir wollen eine stabile Saison spielen", sagte er. Und weiter: Wenn die Mannschaft ihren Weg nicht verlasse, "dann werden wir die Spiele auch wieder gewinnen." Denn trotz der Pleitenserie sei seine Elf nie chancenlos gewesen. Noch ist ein Puffer da, die Trendwende aber muss schnell her.
Lilien-Offensive ist erschreckend harmlos
Gerade die noch vor dem Jahreswechsel so gefürchtete Offensive liegt derzeit brach. In Braunschweig stand Torjäger Isac Lidberg zwar in der Startelf, wirklich an kam er auf dem Feld aber nie. Nach wochenlanger Verletzungspause fehlte dem Schweden sichtlich der Punch. Noch schlimmer: Ihm fehlten die zuarbeitenden Mitspieler.
Es sei zur Veranschaulichung des Dilemmas beispielhaft Fynn Lakenmacker herausgepickt. Lidbergs Sturmpartner in Braunschweig nämlich ist ein fleißiger Kerl, nicht nur an der Hantelstange, wie sein Oberkörper vermuten lässt. Nein, er arbeitet auch viel auf dem Feld. Er lässt sich ins Mittelfeld fallen, schirmt Bälle ab, führt viele Zweikämpfe. Bloß in Tornähe verlässt ihn die Wucht, was eher ungünstig für einen Stürmer ist.
Zweite Reihe liefert nicht
Das ist an sich nichts Schlimmes, war Lakenmacher doch als Ergänzungskraft eingeplant und auch lange Zeit so eingesetzt worden. Zuletzt aber stand er zweimal in der Startelf. Zum einen, weil wichtiges Personal fehlte – erst Lidberg, dann Fraser Hornby. Zum anderen, weil einer wie Oscar Vilhelmsson einfach nicht in Fahrt kommt, nicht einmal in Tritt, um ehrlich zu sein.
Nun hängt die Lilien-Misere natürlich nicht allein an Lakenmacher oder Vilhelmsson, vielmehr gibt es weitere Profis, die schwächeln. Im zentralen Mittelfeld sind Andreas Müller und Merveille Papela fleißige Arbeiter, fußballerisch aber ist da doch viel Luft nach oben. Und auch über die Außen kam in Abwesenheit einiger Stammkräfte wenig Erbauliches.
Schalke-Heimspiel von immenser Bedeutung
Trainer Kohfeldt verfährt dennoch antizyklisch und redet seine Mannschaft stark, was insofern nachvollziehbar ist, kann er personell kaum andere Akzente setzen. Etliche Verletzungen und zwei Sperren – neben Fabian Nürnberger nun auch noch Boëtius – erschweren des Trainers Handlungsspielraum deutlich. "Wir haben alles auf dem Platz gelassen und werden wieder unsere Spiele gewinnen", ist Torwart Schuhen dennoch sicher. Bloß am Wollen liegt’s ja nicht, eher am Können. So bleibt die Darmstädter Hoffnung, dass zeitnah einige Stammkräfte zurückkehren, sie die Qualität deutlich heben und der Turnaround am kommenden Sonntag gelingt.
Denn dann wartet nicht nur ein großer Name als Gegner, sondern auch ein wichtiges Heimspiel: Die Lilien empfangen Schalke 04. Manch leidgeplagter Anhänger des Ruhrpott-Schwergewichts unkt schon mal, dass das sowieso die beste Nachricht aus Lilien-Sicht ist.